Nein, wir sind natürlich nicht gläubig geworden (außer es geht darum, den einzig wahren Adventuregott mit den Initialen T.S. zu huldigen). Doch mal ehrlich: Wie oft schossen euch beim Spielen eines Adventures Gedanken durch den Kopf, die nicht ganz jugendfrei sind, weil irgendein Entwickler mal wieder richtig tief in die Güllegrube gegriffen hat? Wie oft habt ihr euch gewünscht, dass jemand endlich mal eine Liste mit den sieben Todsünden des Adventuregenres erstellt? Als Magazin für Urbi et Orbi, den Messias und die jungfräuliche Empfängnis der heiligen Mutter Maria schafft die Adventurecorner an dieser Stelle Abhilfe
Wir präsentieren voller Stolz eine Auflistung von den Dingen, die wir in Spielen unseres geliebten Genres mehr oder weniger nicht mehr sehen wollen. Druckt euch diese Seite aus und solltet ihr in freier Wildbahn einem Adventureentwickler begegnen, tackert ihm den Zettel spiegelverkehrt auf den Bauch. Danach beginnt er dann entweder damit gute Spiele zu erschaffen oder er hört auf seine Kleidung zu wechseln, bzw. sich regelmäßig zu waschen. Aber gut, ein bisschen Verlust ist ja immer...
1. Übermäßiger Gebrauch von Actioneinlagen und Minispielen
Was haben 'Sam & Max', 'Baphomets Fluch' und 'Blade Runner' gemeinsam? Richtig, sie sind wirklich gute Adventures. Aber davon einmal abgesehen - was verbindet diese drei an sich recht unterschiedlichen Spiele? Genau: Sie alle lockerten das Spielgeschehen mit Minispielen oder kleineren Action-Einlagen etwas auf - durchaus eine willkommene und nicht allzu komplizierte Abwechslung vom Rätsellosen. Mittlerweile sind es jedoch eben jene Features, die viele Entwickler für einen elemtaren Bestandsteil eines guten Adventures halten und damit wird der Karren von Anfang in die falsche Richtung gelenkt und oftmals vor die nächste Wand gesetzt (Was wäre wohl aus 'Vollgas 2' geworden?). Es ist zwar nett, ab und zu aus dem gängigen Knobeltrott herauszukommen, wenn wir aber eine Ansammlung von Minispielen haben wollen, kaufen wir alles - nur kein Adventure.
2. Dead Ends
"Über 40 Stunden Rätselspaß! Spannende Hintergrundschichte! Interessante Charaktere!" Nicht selten finde wir solche oder ähnliche Texte auf den Rückseiten vieler Spielepackungen und manchmal wünschen wir uns noch den Satz "Und ein absolut mangelhaftes Gameplay!" hintendran setzen zu können. Nur mal angenommen wir sind bei diesem 40 Stunden dauerndem Spiel nahe dem Ende und plötzlich erscheint direkt vor uns eine Tür. Eine große Tür. Eine richtig große Tür. Eine Tür... oh, ich denke, ihr wißt worauf ich hinauswill. Natürlich ist diese abgeschlossen, anonsten wäre es ja auch langweilig und dieser wunderbare Raumverschluß wäre deutlich weniger furchteinflößend. Nur stehen wir jedoch vor einem Problem. Den unscheinbaren und unwichtig erscheinenden Schlüssel zum Öffnen dieser Tür haben wir bereits in den ersten fünf Spielminuten liegen lassen und es gibt keinerlei Möglichkeit, ihn mal eben erscheinen zu lassen - wir müssten noch einmal ganz von vorne anfangen. Wut steigt in uns auf, unser Gesicht erscheint verzerrt. Der Hauptcharakter auf unserem Bildschirm hat sich bereits hinter einem überdimensionalen Faultier versteckt und ein Schild mit der Aufschrift "Ich war's nicht!" zurückgelassen. Wenige Tage später berichten die Medien über die Explosion eines kleinen Softwareentwicklungsstudios irgendwo auf der Welt.
3. Langweilige Stereotypen
Sie sind cool, sie sind stark, sie besitzen die amerikanische Staatsbürgerschaft und sie haben immer einen Rucksack voller neumodischem Technikkram dabei, mit dem sie gleichzeitig die Welt retten, aber auch ein wunderbares Abendessen für Zwei zaubern können. Vor allem haben sie aber alle eines gemeinsam: sie sind todlangweilig. Die Rede ist selbstverständlichen von den (Haupt-)Charakteren in zahlreichen Videospielen oder auch Filmen der letzten Jahre. Das Adventure-Genre bildete da stets eine Ausnahme - hier waren die Protagonisten und Helden sozusagen das Spiegelbild des Menschen, von dem sie just in diesem Moment gesteuert wurden. Sie waren nicht immer Schönheiten, sie stellten sich bisweilen äußerst ungeschickt an und sie hatten Jackentaschen, in denen sie sogar einen Blauwal hätten verstauen können. Aber in erster Linie waren sie sympathisch. Und deswegen mögen wir Guybrush, Simon und Co. auch heute noch so gern, egal wie viele Sam Fishers uns von der Industrie als neue Helden untergejubelt werden.
4. Pixelhunting
Neulich im Chat:
"Hallo, ich brauch jetzt mal dringend eure Hilfe: In Spiel XY komme ich einfach nicht weiter. Ich bin schon 231-mal durch sämtliche Locations gelaufen, finde den verdammten Gegenstand aber nicht!" - "Hi. Also, das ist etwas komplizierter. Du musst zurück in Raum Z - ja genau, der ganz dunkle, wo man kaum was sieht. Dort musst den Cursor ganz vorsichtig auf den 451.Pixel horizontal und den 239.Pixel vertikal platzieren. Von das aus geht's 2.4cm nach rechts und 1.3cm nach oben. Dafür benutzt du am Besten ein Lineal. Pass aber auf, dass du beim ersten Mal genau triffst, ansonsten musst du es noch mal probieren." - "Ok, danke. Ich werd's mal versuchen. Weißt du zufällig noch, wo ich Gegenstand ABC finde...? Der muss da ja auch irgendwo sein ..." - "Das wiederum ist auch nicht so einfach..."
5. Schlechte Lokalisierung
Doch nicht nur die Entwickler sollen an dieser Stelle ihr Fett wegbekommen - nein, es gibt auch genügend Publisher, die uns den Spaß an einem eigentlich guten Adventure mit ihrer schlechten Arbeit vermiest haben. Es ist ja nicht so, dass gleich die ganze Welt untergeht, wenn ein oder zwei Synchronsprecher etwas unpassend ausgewählt wurden. Es ist ebenfalls nicht schlimm, wenn sich ein paar Rechtschreibfehler ins finale Dialogskript eingeschlichen haben. Es ist aber sehr wohl eine wahre Meisterleistung, dass für einige Titel ein abgeschlossenes Studium im Fach "Deutsch für Minderbemittelte" erforderlich ist, damit sie in vollen Zügen genossen werden können. Noch schlimmer ist es lediglich, wenn die deutsche Version von Schülern der russischen Gorbatschow-Gedächtnis-Grundschule eingesprochen wurde, die schätzungsweise eine halbe Woche in diesem schönen Fach unterrichtet wurden. Dann doch lieber die Originalversion - selbst wenn das Spiel aus irgendeinem dieser unaussprechlichen osteuropäischen Ländern stammen sollte.
6. Stupides und unlogisches Rätseldesign
"Benutze Kaugummipapier mit Autoreifen und verwende entstandenen Breitbandadapter mit Filzstift um ein Mobiltelefon zu erhalten." Zugegeben, abgedrehte Rätsel waren bereits zu Beginn der 90er Jahre recht gefragt, doch liegt es an mir oder verwechselten in den letzten Jahren immer mehr Entwickler die Begriffe "unlogisch" und "abgedreht"? Während Knobeleien letztere Sorte noch irgendwie fair und teilweise nachvollziehbar ist, sind Rätsel der ersten Kategorie schlicht spielspaßhemmend. Merke: Ein Adventure wird durch den übermäßigen Einsatz schwachsinniger Denkaufgaben nicht besser, sondern qualifiziert sich lediglich für einen Platz erster Klasse in der nahestehenden Mülltonne. Ach, und von solchem Standard-Quatsch wie "Benutze Kreditkarte mit Schlitz in der Tür" haben wir übrigens auch die Nase voll.
Besondere Erwähnung sollten jedoch an dieser Stelle die allerorts beliebten Kistenrätsel erfahren. Von daher:
6a. Kistenrätsel
Wir alle wissen, dass Kisten praktisch sind. Sei es um einen alten und überspielten Teddybären in der hintersten Ecke des Kellers verschwinden zu lassen oder um unliebsame Mitmenschen für immer los zu werden. Kisten sind immer für uns da, wenn wir sie brauchen. Meist sind sie viereckiger Natur, wodurch sie auch noch hübsch anzusehen sind. Allerdings hört die Liebe zu diesen edlen Gegenständen spätestens dann auf, wenn sie zum Bauen von zahlreichen Aufstiegshilfen oder als Stopper von überdimensionalen Zahnstochern missbraucht werden. Also bitte, liebe Entwickler: Falls ihr verhindern wollt, dass wir in Zukunft auf all unseren Wegen immer eine Schubkarre voller Kisten bei uns haben (denn die sind ja schließlich sooo praktisch!), dann verzichtet weitestgehend auf solche ... Rätsel. Bitte.
7. Einfallslose Dialoge und Geschichten
Hollywood macht's vor - Geschichten in denen es alle drei Minuten auf die ein oder andere Weise knallt sind voll im Trend. Auch im Bereich der Videospiele hieß es deshalb in den letzten Jahren "Wenn's nicht Bumm macht, ist's doof" und es fanden sich immer weniger Spiele, die auf eine starke Story anstatt auf bessere Technik setzten. Glücklicherweise kehrt sich dieser Trend momentan wieder um, viele Entwicklerstudios stellen dafür sogar eigens echte Drehbuchautoren für ihre nächsten Softwareschätzchen ein. Dumm nur, wenn das Ergebnis dieser Zusammenarbeit dann auch irgendwo zu wünschen übrig läßt. Deutlich zu oft musste die Welt vor einem Erzbösewichten gerettet oder eine holde Jungfrau aus den Fängen irgendeines anderes bösen Wesens befreit werden -. Außerdem ist es kein Anzeichen für ein außerordentlich gut gelungenes Dialogskript, wenn der Spieler vor lauter Wegklicken schon einen Muskelkater im Zeigefinger hat.
Ihr habt noch einen Beitrag zu unserer Liste der sieben Todsünden des Adventuresgenres zu leisten? Unser Forum steht euch für jegliche Kommentare offen.
5 Kommentare
Und deine Illustrationen, Boris, sind natürlich wie immer 1a Du wirst immer besser, weiter so!
Und ich denke, der eine oder andere deutsche Adventureentwickler *zu HoT rüberlunz*, dürfte bestimmt einen Blick riskiert haben.
respekt....sehr geiler artikel...
amüsant und sehr wahr
schickt den artikel doch mal als leserbrief (oder so ) an nen paar games-zeitungen wie pc-games...sowas gehört gedruckt.
greetz
Genau, diesen Artikel sollte man mal an die Print-Medien schicken. Ich bin sicher, die drucken den ab....
Wert wäre er es allemal, und zwar genau so wie er ist. Mit den gnadenlos guten Zeichnungen!!
aber klasse gedacht lob !
Geil geschrieben!!!
Aber da gibt es eine weitere Todsünde:
Bitte bitte tut euch aus Spaß mal Rhem an.
Ich dachte die Rätsel bei Uru wären schon schwer aber Rhem ist echt hammer und man läuft und läuft und läuft und läuft...