Bei der Podiumsdiskussion nahmen Charles Cecil ('Baphomets Fluch'), Jay Tholen ('Dropsy'), Greg Buchanan ('Supremacy' und Narrative Designer bei Supermassive Games) und Rhianna Prachett ('Tomb Raider') Teil. Die Diskussion wurde von Alasdair Beckett-King ('Nelly Cootalot') mittels Impulsfragen geleitet.
Beim ersten Thema, ob Spiele ein Autoren-Medium sind und wie man den Spieler in das Spiel hineinzieht, waren sich die vier Befragten sehr einig. Charles sah Einfühlung als eine der zentralen Gefühlen im Spielegeschäft. Ohne die Erzeugung von Einfühlungsvermögen funktioniert kaum ein Spiel. Deswegen gibt es auch oft Stereotypen und Charaktere, die die Marke repräsentieren, wie Jason Bourne oder Harry Potter in den Filmen. Jay, Greg und Rhianna schlossen an diese Gedanken an und attestierten, dass Spiele kein Autorenmedium sind, weil Gameplay und der Spieler selbst eine zu große Rolle spielen. Ein reines Autorenmedium wäre viel passiver. Rhianna sieht wiederum, dass es Autoren wichtiger werden und kein verrückter Luxus von AAA-Titeln mehr sind. Aus dem sagenumwobenen Feng Shui Berater werden jetzt die wichtigen Autoren für nahezu jedes Spiel.
Ohne die Erzeugung von Einfühlungsvermögen
funktioniert kaum ein Spiel.
Die Interaktivität steht im Zentrum von Spielen. Genau hier liegt aber oft die Schwäche des Geschichtenerzählens bei Spielen. Die vier Experten sahen das deswegen auch aus verschiedenen Perspektiven und die Meinungen gingen hier ziemlich auseinander. Charles Cecil plädierte wieder, dass Empathie das wichtigste Element ist und von Anfang an vorhanden sein muss. Jay Tholen sah seine Herausforderung eher im Genre des Point & Click Adventures, denn ein schweigender Clown mit einer Hose als Inventar bricht sehr oft die Glaubwürdigkeit. Gleichzeitig ist das Sprechen immer ein zentrales Element in solchen Spielen. Deswegen haben sei auch als weitere Interaktion einen Umarmen-Knopf eingeführt, damit Dropsy noch etwas machen kann. Greg Buchanan schlug hingegen vor, dass Spiele, die einen unzuverlässigen Charakter haben, sehr gut funktionieren. Wenn man in wirklich den Bösen spielt und erst später im Spiel auf die Schliche kommt und dann einen noch diese Taten einholen, dann ist das ein sehr starkes Gefühl. Cecil hakte hier ein und wies darauf hin, dass das seiner Meinung Schummeln ist, denn im Endeffekt versteckt man nur etwas Wichtiges und enthüllt es am Ende. Er glaubt, dass es durchaus gut ist in Spielen gewisse Regeln und Grenzen zu haben. Wenn man diese bricht, dann stirbt damit der Spielspaß. Buchanan stimmte hier auch zu, dass es nicht immer funktioniert, aber wenn es gut gemacht wird, sehr wohl eine starke Erzählung herauskommen kann.
Rhianna Pratchett geht hier mehr in Details, wie mis-en-scène und Narrativ, die vom Autor ausgeht oder vom Spieler aus dem Spiel gezogen wird. Gleichsam weist sie auf Nebenhandlungen hin und auf Dinge, die Spieler nur dann finden, wenn sie die Spielumgebung genau erkunden. Sie sieht die Schwäche von Spielen eigentlich wiederum in der Entwicklung. Wie sie schon erwähnte, arbeiten ihrer Meinung Designer und Autoren zu wenig zusammen. Schließlich wird die Erzählung hauptsächlich durch die Handlung der Charaktere bestimmt, die wiederum von anderen Personen entwickelt wird. Action-Spiele haben es noch ein Stück schwieriger, denn Handlung in Actionszenen zu quetschen ist deutlich schwerer. Rhianna stimmt Charles zu, dass die große Stärke von Spielen die Möglichkeit ist Empathie zu erzeugen. Gleichzeitig sind Spiele nun einmal Erlebnisse, die man in der wirklichen Welt wahrscheinlich nicht erleben kann. Selbst außerhalb des Spiels kann so weitere Empathie entstehen.
Designer und Autoren arbeiten zu wenig zusammen.
Der nächste angesprochene Punkt bezog sich auf Schreibtechniken der einzelnen Autoren. Pratchett spricht die oft zitierte Heldenreise an und die Grundregel, dass ein Charakter immer irgendwie sympathisch sein muss. Sie weist aber auch drauf hin, dass es verschiedenste Techniken gibt, die angewendet werden. Für jedes Genre gibt es verschiedene Regeln, Strukturen und Systeme. Das Experimentieren ist das Spannende für sie. Greg Buchanan versucht mit einer Geschichte immer den Kreis zu schließen, auch wenn dies manchmal schwierig ist. Ebenso erwähnt er die beliebten verzweigten Geschichten. Jay Tholen ist ehrlich und meint, dass er sehr oft einfach Dinge ausprobiert, ohne groß Techniken anzuwenden. In Besprechungen wird das dann oft geändert und so entsteht das Spiel. Charles Cecil hingegen sieht die größte Schwäche der Spiele im Abschließen der Geschichte. Sehr viele gute Spiele haben seiner Meinung ein schwaches Ende. Oft wirken sie melodramatisch, was seiner Meinung ein Indiz dafür ist, dass man keine wirkliche Beziehung zum Bösewicht aufgebaut hat. So wäre beispielsweise die berühmte Zeile „Ich bin dein Vater“ in 'Star Wars: Episode 5' urkomisch, wenn Vader nicht so vielschichtig aufgebaut wäre. Die negative Beziehung zum Antagonisten ist sehr, sehr wichtig.
Zu guter Letzt hatten die vier die Möglichkeit zu sagen, was sie an Spielen gerne verbessern würden. Charles sieht Spiele wie 'Limbo' als extrem mächtig an. Sie erzählen eine Geschichte nur durch Gameplay, was seiner Meinung eine unglaublich starke Art und Weise ist. Jay hätte gerne Spiele, die nicht nur Töten und Reich werden als Ziel haben. Der Alltag hat so viele gute Geschichten, die viel öfter erzählt werden sollten als die x-te Vendetta. Adventures machen das zwar sehr oft gut, gleichzeitig limitiert man sich natürlich auch bei den zur Verfügung stehenden Möglichkeiten. Greg hätte gerne das spannende Thema der Liebe in Spielen besser verwirklicht gesehen – in allen seinen Facetten. Freundschaft wird nur extrem selten dargestellt, genauso wie jegliche Form von Sex und Sexualität. Er merkt aber auch an, dass die emotionale Komplexität etwas fehlt und nur ein Bruchteil der Emotionen in Spielen dargestellt wird. Das sollte ein großes Ziel der Industrie sein.
Liebe in allen seinen Facetten - bis zur Freundschaft -
wird nur selten und schlecht dargestellt.
Das sollte das große Ziel sein!
Rhianna hakt ein, dass Beziehungen jeglicher Art in Spielen nur schwach umgesetzt werden. Sie werden aber auch einfach zu selten dargestellt. Es gibt kaum Geschichten über Mütter oder Großmütter, ganz zu schweigen allgemein von Frauen jenseits der 30. Weibliche Charaktere sind zu mehr fähig. Aber auch Aspekte wie das Alter, normale Fähigkeiten und Weltanschauungen werden nur selten in Spielen eingearbeitet. In Spielen sollten Schauspieler/Sprecher öfter in einem Raum sein und so interagieren. Das macht die Magie von 'Uncharted' aus. Die Erzählung wird dadurch intensiviert. Narrative Spiele sind in diesen Aspekten zum Teil schon weiter, Action-Spielen hinken hier weit hinterher.