Horror Papst Steven King bezeichnete ihn einmal als sein größtes Vorbild und zugleich als den besten Schriftsteller der klassischen Horrorliteratur des 20. Jahrhunderts. Die Rede ist von Howard Phillips Lovecraft. Dem Erfinder des bekannten Necronomicons, des Cthulhu-Mythos, sowie Autor diverser Kurzgeschichten mit Gänsehautgarantie. Das getestete Adventurespiel 'Shadow of the Comet' verwendet einige Elemente aus seinen zwei Werken 'Shadow over Insmouth' und 'The Dunwitch Horror'. Hierbei handelt es sich jedoch um keine werkgetreue Wiedergabe der zugrundeliegenden Kurzgeschichten, sondern um eine eigenständige Storyline, die im Lovecraft Universum angesiedelt ist. Beispielsweise heißt das Fischerdorf im Spiel nicht wie aus der Vorlage bekannt, Insmouth, sondern Illsmouth. Ob das in 1993 über Infogrames erschienene Adventure auch heute noch überzeugen bzw. eine Gänsehaut verursachen kann, erfahrt ihr in diesem Klassikertest.

Im Spiel schlüpft ihr in die Rolle des Astronomen und Photografen John Parker, der 1910 in das abgelegene Fischerdorf Illsmouth in Neu-England eintrifft. Eure Aufgabe ist es, herauszufinden, was dort im Jahr 1834 mit Lord Boleskine passierte, der von hier aus den Halley'schen Kometen beobachtete. Das Besondere an diesem Ort ist seine Nähe zu den Sternen. Es gibt keinen zweiten Platz auf der Welt, von dem aus man den Kometen sowie das Firmament so deutlich und sogar mit bloßem Auge erkennen kann.
Nachdem der Lord den Kometen vorbeiziehen sah, verlor er jedoch auf ungeklärte Weise seinen Verstand und landete in einer Nervenheilanstalt, in der er kurze Zeit später verstarb. Seine Aufzeichnungen wurden als das Werk eines Verrückten abgestempelt. 76 Jahre später kommt John Parker in den Besitz dieser Aufzeichnungen. Just zu dem Zeitpunkt, in dem der Komet wieder seinen Kurs in Richtung Erde einschlägt. Im Auftrag der Zeitung British Scientific News soll John nun herausfinden, was vor 76 Jahren in diesem so ruhig scheinenden Fischerdorf tatsächlich passiert ist. Es verbleiben ihm noch drei Tage, bis der Komet die Erde erneut passieren wird.
Erste Schritte in Illsmouth

Unsere erste Anlaufstelle ist der lokale General Store, in dem wir uns zunächst mit den Fotoplatten für unsere Kamera versorgen. Anschließend besuchen wir die lokale Bibliothek um etwas über die Geschichte von Illsmouth zu erfahren. Scheinbar werden wir bereits erwartet. Der Archivar, Mr. Jugg ist bestens über uns informiert und freut sich, dass wir ebenfalls großes Interesse an der klassischen Literatur haben. Da in Boleskines Tagebuch von einem damals 12-jährigen einheimischen Begleiter die Rede war, beschließen wir, das Geburtenregister aus dem Jahr 1822 näher zu studieren. Wir finden heraus, dass noch drei Personen aus diesem Zeitraum am Leben sind. Nachdem wir die betroffene Person erfolgreich ausfindig gemacht haben, diese sich aber weigert, uns zu helfen, müssen wir nun versuchen, irgendwie an den Ursprungsort der Geschehnisse, einem ominösen Steinkreuz im Wald, zu gelangen.
Im weiteren Verlauf der Geschichte werden wir nur wenige Verbündete, aber umso mehr Feinde in der lokalen Bevölkerung antreffen. Umso näher wir dem Geheimnis auf die Schliche kommen, desto mehr werden wir an unserem eigenen Verstand zweifeln. Zudem kommen einige Personen, mit denen wir zuvor Kontakt hatten, nacheinander auf bizarre Art und Weise ums Leben. Es dauert nicht lange, bis Parker ebenfalls um sein Leben bangen muss und sogar für vogelfrei erklärt wird. Wem kann Parker noch vertrauen?
Werdet ihr es schaffen, das Rätsel um die Ankunft des Kometen zu entschlüsseln und die Welt vor den finsteren Mächten zu bewahren? Ihr habt nur drei Tage Zeit, dies herauszufinden.
Das Rätsel- und Spieldesign

Wie bereits Eingangs erwähnt, ist das Spiel in drei Tage eingeteilt. Ist man am ersten Tag noch damit beschäftigt, sich mit der Umgebung und den Einwohnern vertraut zu machen, geht es in den restlichen zwei Tagen rätseltechnisch so richtig in die Vollen. Das Repertoire erstreckt sich von simplen Dialogrätseln, mit zwei bis drei Auswahlmöglichkeiten, bis hin zu Schalterpuzzeln und Kombinationsrätseln. Gut gelöst ist dabei das Aufnehmen von spielrelevanten Gegenständen. Wenn wir einen Gegenstand mitnehmen können, signalisiert uns das eine gestrichelte Linie, die sich vom Auge des Protagonisten hin zum Gegenstand bewegt. Dadurch wird das punktgenaue und umständliche absuchen des Bildschirms (Pixel-Hunting) nach tragbaren Gegenständen bereits im Keim vermieden.
Etwas schwieriger wird es jedoch, wenn man mit Gegenständen und der Umgebung interagieren möchte. Da gibt es leider keine Anzeige und man muss teilweise schon genau hinschauen, wo der Gegenstand in der Spielumgebung sinnvoll eingesetzt werden kann. Gelungen ist hingegen die Journalfunktion, in der die wichtigsten Ereignisse automatisch dokumentiert werden. So kann man auch nochmal die wichtigsten Storyereignisse zur Not nachlesen. Auch für einige Rätsel ist ein gelegentlicher Blick ins Journal durchaus wichtig und sinnvoll.
Bis auf eine Situation sind die Rätsel in 'Shadow of the Comet' durchaus logisch und nachvollziehbar. Am zweiten Tag soll man im Fotolabor des Apothekers Bilder entwickeln. Dabei müssen aus diversen Chemikalien vier Chemikalien richtig gemischt werden, um die besagten Bilder erfolgreich entwickeln zu können. Dumm nur, dass weder das Journal noch sonst wer einen Lösungsvorschlag liefern kann, welche Chemikalien in welcher Reihenfolge nötig sind. Entweder, man kann dies durch sein Allgemeinwissen, durch herumprobieren, oder einen Blick ins Lösungsbuch lösen. Das Spiel lässt einen an dieser Stelle leider ganz alleine.
Außerdem sollte man das Spiel immer wieder speichern, da der Protagonist sterben kann und es leider keinen automatischen Rücksetzpunkt gibt, wenn man beispielsweise in eine Falle gelaufen ist. Sprich das Spiel ist dann zu Ende.
Kommen wir damit auch zur größten Schwäche des Spiels. Im weiteren Verlauf der Handlung wird der Protagonist vermutlich dutzende Tode sterben. Daher sollte man die zehn zur Verfügung stehenden Speicherbänke exzessiv ausnutzen. Ein großer Frustmoment war für mich die Friedhofsszene. Man musste unter den Friedhof und wurde dort mit Fallgruben, Spinnen und Fledermäusen konfrontiert. Zu guter Letzt musste man dann auch noch vor dem Monster, das dort lebt, in einer Aktionsequenz davon rennen. Wer den Weg zuvor nicht aufgezeichnet bzw. im Kopf hatte, bog falsch ab und wurde vom Monster getötet. Die im Spiel vorkommenden Aktionsequenzen sind allerdings nur aufs wegrennen und ausweichen begrenzt. Mann muss also nicht mit einer Pistole oder ähnlichem gegen die Monster vorgehen.
Das Grafikdesign

Wenn man ein Gespräch mit einem der vielen Einwohner beginnt, wird zudem direkt sein Gesicht eingeblendet. Man kann dann unter anderem auch die Gestik und Mimik des Gesprächspartners ganz gut erkennen. Zudem wurden die Gesichter von den Schauspielern Willem Dafoe, Vincent Price und Jack Nicholson digitalisiert. Wer ganz gut aufpasst, kann sogar das Konterfrei von Lovecraft erkennen. Er hat einen kurzen Gastauftritt im Spiel.
Sehr gut finde ich auch, dass man dem Protagonisten im Verlauf des Spiels ansehen kann, wie sehr ihm die Ereignisse zunehmend auf sein Gemüt schlagen. Sieht Parker zu Beginn noch ausgeglichen aus, verändert sich sein Aussehen bis zum Finale zunehmend ins gestresste, kurz dem Wahnsinn verfallene. Ein großer Atmosphäre Bonus!
Weniger gut sind die Animationen gelungen. Sie wirken ziemlich statisch. Vor allem, wenn man auf die zahlreichen Monster trifft, die teilweise über dem Boden zu schweben scheinen und sich oft auch an unsichtbaren Ecken und Kanten verhaken. Wenn man eines der zahlreichen Gebäude betreten möchte, öffnen sich die Türen wie von Geisterhand. Es existiert keine Animation, in der man erkennen kann, dass Parker die Türe soeben geöffnet hatte. Gesamt betrachtet, fügt sich die Grafik, begünstigt durch die schön gezeichneten Hintergründe und Personen Porträts dennoch gut in die Spielwelt ein und bringt das Szenario glaubhaft rüber.
In unserer Galerie könnt ihr euch von der Grafik zudem eine eigene Meinung bilden.
Sprachausgabe, Soundeffekte und Musik

Die Soundeffekte sind ebenfalls gut gelungen und passen sich der Spielsituation und dem Spielort entsprechend an. Befindet man sich nachts im Wald, hört man Eulen und sonstige Tiere rufen. Auf dem Friedhof hört man die Fledermäuse flattern und andere unheimliche Geräusche.
Weniger gut ist die Musikuntermalung gelungen. Da lagen zu dieser Zeit andere Spiele bereits sehr weit vorne. Die Musik passt sich zwar dem Spielverlauf an und trägt auch einiges zur gruseligen Atmosphäre bei, ist aber nicht besonders episch und abwechslungsreich. Die Stücke wiederholen sich recht zügig, was schnell zu Abnutzungserscheinungen beim Spieler führt. Beispielsweise wird immer die gleiche Musik abgespielt, wenn man innerhalb des Dorfes in einen anderen Abschnitt wechselt. Da wären zusätzliche Musikstücke durchaus sinnvoll gewesen. Dennoch ist dies kein Grund, die Musik ganz abzustellen, da man sie durchaus anhören kann und diese für mich nicht aufgesetzt wirkte bzw. als störend empfunden wurde.
Gesamt betrachtet kann 'Shadow of the Comet' durch die tolle englische Sprachausgabe, den Hintergründen und einigen guten Musikstücken auch hier sehr gut punkten.
Bedienung

Daher würde ich jedem raten, das Spiel mit der Tastatur zu spielen. Der Protagonist wird dann mit den Cursortasten gesteuert und wenn man beispielsweise ein Gespräch führen möchte, genügt die Betätigung der Taste "T". Das Spiel läuft also nicht über eine reine Texteingabe ab (Parser), sondern man muss lediglich die jeweilige Taste für die auszulösende Aktion betätigen. Man gewöhnt sich eigentlich recht schnell daran, weswegen es für mich persönlich keine negativen Auswirkungen auf das Spielgeschehen hatte.
Funktionalität auf modernen Rechnern
'Shadow of the Comet' kann ohne Probleme mit dem Tool DosBox auf herkömmlichen Computern gespielt werden. Zudem habe ich es auch auf meinem Pentium 200 mit Windows 95 und 98 SE getestet. Wer also noch einen alten Rechner sein Eigen nennt, kann es auch damit spielen.
Verfügbarkeit
'Shadow of the Comet' ist heute relativ schwierig zu bekommen. Es wurden zwar einige Budgetversionen aufgelegt, aber der Verbreitungsgrad hält sich heutzutage doch stark in Grenzen. Daher sollte man zunächst einmal versuchen, primär über Ebay an das Spiel zu kommen. Gelegentlich gibt es auch noch interessante Angebote im virtuellen Marktplatz von Amazon.
'Shadow of the Comet' hat mir wirklich sehr gut gefallen. Die Handlung ist überzeugend und vermag zu fesseln. Man möchte unbedingt das Geheimnis um Illsmouth und den Kometen entschlüsseln. Neben der interessanten Story trägt auch die sehr gute englische Sprachausgabe viel zur tollen Grusel-Atmosphäre bei. Allerdings gibt es auch einige Punkte, die nicht so positiv sind. Der Frustfaktor steigt gegen Ende aufgrund der zahlreichen Tode merklich an und einige Rätsel sind auch nicht von schlechten Eltern. Beispielsweise die Fotoentwicklung. Dennoch sollte der geneigte Adventure- und Lovecraftfan dieses Spiel einmal genauer anschauen. Wer bis zum Ende durchhält, wird mit einer interessanten Geschichte und einem unverbrauchten Szenario belohnt. Geübte Adventurespieler dürften das Spiel in ca. 9 Stunden durchgespielt haben. Falls euch 'Shadow of the Comet' gefallen hat, empfehle ich euch unbedingt, den Nachfolger 'Prisoner of Ice' einmal anzuspielen, der einige Verbesserungen gegenüber dem Vorgänger vorzuweisen hat.
Hinweis zur getesteten Version:
'Shadow of the Comet' wurde 1993 zunächst in einer Floppy-Version von Infogrames, heute Atari, veröffentlicht. Vertriebspartner war die Chaosium Inc.. Eine Pen and Paper Rollenspielschmiede, die bis heute im Besitz der 'Call of Cthulhu Lizenz' ist, von der einige Charaktere im Spiel vorkommen. 1994 wurde aufgrund der zunehmenden Verbreitung der CD-ROM als neues Speichermedium eine CD-ROM Version mit englischer Sprachausgabe und deutschen Untertiteln veröffentlicht. Diese Version war die Grundlage für diesen Test und ist der Floppy Version unbedingt vorzuziehen.
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Shadow of the Comet
- Entwickler
- Infogrames
- Publisher
- Infogrames
- Release
- 1993
- Sprachen
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- Systeme
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- Stichwörter
- Shadow of the Comet bei Amazon kaufen (Affiliate-Link)
2 Kommentare
Alledings muss ich wie in der review bestätigen, dass die Todesrate gegen 2/3 des Spieles arg nach oben schießt.
Zudem finde ich, dass da auch viele Elemente beginnen, die ich (zumindest für mich) nur schwerlich in das Lovecraft-Universum eingliedern kann.
Stimmt leider, daß es gegen Ende extrem phantastisch wird und der Protagonist gefühlte tausend Tode erfährt. Auch mit Lovecraft hatte das Ende nicht mehr wirklich viel zu tun. Dennoch macht Shadow of the Comet mit den in der Review beschriebenen Abstrichen auch heute noch großen Spaß. Den Nachfolger Prisoner of Ice kann ich auch empfehlen. Er ist zwar einfacher, dafür gibt es auch weniger Frustmomente und eine gute Bedienung.