Den Namen Psygnosis verband man Anfang bis Mitte der 1990er Jahre mit dem Spiel 'Lemmings', das nahezu alle Spieler damals in seinen Bann ziehen konnte. Mitten in die Hochzeiten der Knobelreihe im Jahre 1993 platzte ein Adventure, das ebenfalls von Psygnosis veröffentlicht wurde: Der Sci-Fi-Titel 'Innocent until Caught' von Entwickler Divide by Zero. Die Konkurrenz von Sierra und LucasArts feierten ebenfalls noch große Erfolge mit Spielen wie 'Day of the Tentacle', 'Sam & Max' oder 'Gabriel Knight'. Entsprechend wenig Beachtung fand das erste Adventure der britischen Entwickler. Ist das Spiel zu Recht untergegangen? Dieser Frage gehen wir im Klassikertest auf den Grund.

2127 - Die Geschichte eines Steuerbescheids
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Jack hat Probleme mit dem Finanzamt |
Jack T. Ladd, seineszeichens intergalaktischer Dieb, steckt in großen Schwierigkeiten. Nach unzähligen Beutezügen durch die ganze Galaxie ist es jedoch nicht die Polizei, die ihm Sorgen macht, sondern das Finanzamt. Genauer der "Galaktische Einkommensverminderungs-Dienst", der Jacks Finanzen geprüft und festgestellt hat, dass Jacks Diebesgut nicht richtig bei der Steuer angemeldet war. Kurzerhand wurde die Steuerschuld geschätzt: Innerhalb von 28 Tagen soll Jack nun so viele Credits überweisen, wie er in seinem gesamten Leben noch nicht erwirtschaftet hat und auch in mehreren weiteren Leben nie zusammenbekommen würde. Praktischerweise sieht der Steuerbescheid aber auch gleich eine Ersatzstrafe vor: Jacks innere Organe würden verkauft und der Rest seines Körpers entsorgt werden. Sollte danach, was sehr wahrscheinlich ist, noch Steuerschulen bestehen, droht auch Jacks Verwandschaft ein ähnliches Schicksal. Verständlich, dass Jack alles unternehmen will, um aus dieser Situation zu kommen. Das Problem: Er hat kein Geld mehr und sein Raumkreuzer ist ein Fall für den Schrottplatz. So strandet er auf dem Planeten Tayte, einer eher heruntergekommenen Gegend der Galaxie.
Immerhin gibt es hier eine Möglichkeit, Geld zu verdienen. Schnell hat sich herumgesprochen, dass Jack ein Experte im Beschaffen wertvoller Gegenstände ist und so gerät er an einen dubiosen Auftraggeber. Genretypisch müssen wir nun drei Gegenstände besorgen: Eine Anleihe aus einem Bank-Tresor, ein Kunstwerk und ein Vogel-Ei. Natürlich geht die Diebestour schief und Jack landet im Knast, wo er auf seinen künftigen Begleiter Narm N'palm trifft. Mit diesem gelingt Jack die Flucht und er stolpert sogleich in das nächste große Abenteuer. Für die Weltraumföderation (die Regierung der Galaxie) soll er eine Superwaffe stibitzen: Das Transatron, das der Diktator des Planeten Shmul, P'PauD'P'Pau, entwickelt hat.
Jack in geheimer Mission und freier Wahl
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Auch der Geheimdienst mischt mit... |
Ihr konntet noch folgen? Prima, denn was sich in der Zusammenfassung schon holperig anhört, entpuppt sich im Spiel als recht löcherige Geschichte, die es am Ende aber dennoch schafft, alle losen Enden zusammenzuführen. Dabei darf natürlich auch eine Liebesgeschichte nicht fehlen, in deren Mittelpunkt ausgerechnet die Diktatorentochter Ruthless P'PauD'P'Pau steht. Wie andere Spiele aus der Zeit kann man 'Innocent until Caught' in verschiedene Abschnitte aufteilen, die heute vielleicht als einzelne Episoden funktionieren könnten. Jeder dieser Teile setzt andere Schwerpunkte. In den ersten Spielstunden, wenn Jack als Dieb auf Beutezug geht, tut sich eine für Adventures fast schon ungewohnte Freiheit auf. Es ist egal, in welcher Reihenfolge Jack die drei Gegenstände beschafft und es gibt sogar zwei verschiedene Auftraggeber. Im krassen Gegensatz zu dieser Freiheit steht die Inventarbegrenzung: Jack kann nur eine bestimmte Anzahl von Gegenständen mit sich herumtragen. Kommt er an die Grenze gibt er erst den Hinweis, dass er bald nichts mehr tragen kann. Ein Objekt später weigert er sich dann. Das führt dazu, dass man Sachen irgendwo im Spiel ablegen muss. Die verbleiben dann zwar dort. Wir wissen vorher aber nie, ob man nun vielleicht ausgerechnet ein benötigtes Item am anderen Ende der Stadt liegen lassen hat.
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Dank der Steuerung unnötig umständlich: Das Labyrinth |
Im zweiten - recht kurzen - Abschnitt steht der Gefängnisausbruch auf dem Programm. Hier schaltet das Spiel in ein Labyrint um, wie man es ähnlich aus 'Indiana Jones und der letzte Kreuzzug' kennt. In einer Seitansicht flüchten Jack und Harm durch ein Gewirr aus Leitern und Gängen. Auch hier stellt uns das Spiel wieder vor Probleme, denn die Steuerung ist sehr ungenau. Teilweise muss man deutlich neben den Gang ins Erdreich klicken, damit Jack den Weg in den Gang findet. Ansonsten bleibt er einfach stehen. Fatal: Genau so reagiert Jack auch, wenn es an einer Stelle tatsächlich nicht weitergeht. Das Labyrint dauert dadurch deutlich länger als notwendig und frustiert dazu.
Der finale dritte Abschnitt ist wieder klassische Adventure-Kost und begräbt das Inventarproblem ebenso wie die große Freiheit. Es gibt nur noch einen Lösungsweg, der auch in der richtigen Reihenfolge angegangen werden muss. Dazu lassen sich kaum noch Gegenstände finden, so dass das Inventar zu jeder Zeit übersichtlich bleibt.
Pixel-Hunting und andere Probleme
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Jacks Taschen sind nicht unbegrenzt groß. |
Die Steuerung von Jack ist zwar etwas umständlich, funktioniert in den meisten Fällen aber. Im unteren Bilddrittel finden sich sechs Icons über die wir Gegenstände nehmen, benutzen oder ansehen können. Weitere Möglichkeiten sind gehen, reden und eine Lupe. Als unnötig schwierig entpuppt sich dabei, dass die Steuerungssymbole nicht konsequent genutzt werden. Manche Gegenstände muss Jack benutzen, um sie zu nehmen, andere nehmen, um sie zu benutzen. Einen Sinn dahinter haben wir nicht erkennen können. Die Lupe zeigt einen kleinen Bildabschnitt vergrößert an, was auch dringend erforderlich ist, da viele Hotspots so winzig klein und gut versteckt sind, dass man sie zu schnell übersehen kann. Und dann ist da ja noch die Inventar-Steuerung. Jedes Objekt hat eine eigene Grafik, die wir im Inventar frei positionieren können. Wir können also Gegenstände übereinander legen, wodurch kleinere Sachen untergehen können. Auf der anderen Seite bekommen wir so einen Überblick über die gerade wichtigen Dinge. Nutzt man nun ein Inventarobjekt in der Spielwelt, ändert sich der Cursor entsprechend. Damit einher geht eine neue "Cursorpositionierung", der Spieler muss also anders klicken, als mit der Maus ohne Objekt. Der erfahrene Abenteurer mag sich vorstellen, wie viel Spaß das in Verbindung mit nicht sichtbaren, nur pixelgroßen Hotspots macht...
Als Komfort-Element dient eine Karte, in der wir den aktuellen Raum und die verfügbaren Ausgänge sehen, sobald Jack sie einmal in der großen Szenenansicht gefunden hat. Man soll hier die Ausgänge direkt anwählen können, was aber auch nicht immer funktioniert. Insbesondere in der U-Bahnstation, die Jack im ersten Spielteil häufiger besucht, ist das frustrierend: Hier sind die Hotspots für die Ausgänge nur wenige Pixel groß, sie reagieren manchmal trotzdem nicht und auch die Karte zeigt keine Funktion. Man benötigt also schon eine stabile Maus, die den einen oder anderen Frustschlag verträgt.
Smutty-Text, Cyniplay und Virtual Pornography
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Ruthie entpuppt sich als Loveinterest von Jack |
Das verspricht der Text auf der Rückseite der Verpackung. Und ja, Sex ist durchaus ein Thema. Allerdings eher in den Gesprächen mit Damen vom Horizontal-Gewerbe als in der tatsächlichen Durchführung. Auch in anderen Dialogen geht es hin und wieder mal unter die Gürtellinie. Einige der Dialoge sind durchaus komisch, besonders Harm trägt dazu bei. Oftmals vermag der Humor allerdings nicht zu zünden. Die Präsentation der Dialoge von 'Innocent until Caught' erinnern an Sierras 'Gabriel Knight': Wir bekommen die Gesichter der Protagonisten in Großaufnahme präsentiert, die Dialoge selbst werden in Sprechblasen dargestellt. Via Multiple-Choice legen wir Jack einzelne Sätze in den Mund, können aber auch bestimmte Worte aus den Antworten auswählen und zum Gesprächsthema machen. Nicht alle Themen können durchgesprochen werden, Wiederholen dürfen wir die Gespräche ebenfalls nicht. Man muss also aufpassen, was gesagt wird.
Zahnschmerzen
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Die Grafik ist ansehlich. |
Während die Grafik in ihren 320 × 200 Pixeln recht gut gelungen ist und insbesondere Gespräche Highlights darstellen, sorgt die Musik eher für Zahnschmerzen. Das Sci-Fi-Gedüdel schmerzt durch zum Teil schrille Töne zunächst in den Ohren und erinnert an den letzten Bohrversuch des Zahnarztes ohne Betäubung. Noch unerträglicher wird das Ganze dadurch, dass ausgerechnet die fiesen Klänge auch gern einmal lange als Dauerton abgespielt werden. Wie schön, dass man die Musik abschalten kann! Sprachausgabe gibt es auch bei der CD-Version nicht.
Verfügbarkeit und Kompatibilität
'Innocent until Caught' kann problemlos via DosBox gespielt werden, sofern man auf die digitalen Geräusche verzichtet. Da diese jedoch ohnehin fast nie vorkommen und man unter Umständen auch die Musik abschalten möchte (siehe oben), braucht man nicht an den Config-Dateien herumbasteln. Ansonsten wird ein spezieller Soundblaster-Treiber benötigt, der in die DosBox und das Spiel eingebunden werden muss. Neu kaufen kann man das Spiel derzeit nicht, wie so oft bleibt also nur der Gang zu eBay oder ähnlichen Portalen. Dort findet man das Spiel oft zu Mondpreisen, mit etwas Glück aber auch um die 30 € im Karton. Lesenswert ist übrigens das Handbuch, in dem Jack seine Geschichte und die interstellare Steuerpolitik erklärt.
Nein, so richtig gut gelungen ist es nicht, das erste Adventure von Divide by Zero. Zu den Löchern in der Handlung gesellen sich Pixel-Hunting, Steuerungsprobleme und eine Musik, die wirklich den letzten Nerv tötet - und das sind nur einige der Probleme von 'Innocent until Caught'. Dass man trotzdem dabei bleibt, liegt an der interessant gestaltet Sci-Fi-Welt und der zumindest im ersten Teil überraschend großen spielerischen Freiheit. Danach bleibt man dann dran, weil man es bald geschafft hat - und weil es einen zweiten Teil gibt, der an die Geschehnisse anknüpft.
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Innocent Until Caught
- Entwickler
- Divide by Zero Software Inc.
- Publisher
- Psygnosis
- Release
- 1993
- Sprachen
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- Systeme
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