Waren das noch Zeiten, als 'Monkey Island', 'Day of the Tentacle' oder 'Sam & Max' den Spieler tagelang vor den Bildschirm fesselten und ordentlich die Lachmuskeln trainierten. Doch diese Zeiten sind schon seit Längerem vorbei und heutzutage trifft man eher selten ein Adventure an. Die italienischen Entwickler von Prograph Research fanden das wohl ähnlich schade wie wir alle, und schufen mit 'Tony Tough and the Night of the roasted Moths' eine grafische, als auch spielerische Hommage an die Klassiker der damaligen Zeit.

Dem Bösewicht auf der Spur
Halloween. Ein Fest zu dem sich - zumindest jenseits des großen Teichs - die Menschen in allerlei lächerliche Gewänder werfen und sich selbst unglaublich witzig finden. Dass sie dies jedoch nicht sind, fällt ihnen dank zahlreichen Alkoholika aber auch nicht wirklich auf. Allerdings gibt es auch bei unseren amerikanischen Freunden Halloween-Drückeberger, wie zum Beispiel Anthony C. Tough. Dem Hauptdarsteller dieses Spiels. Tony ist Privatdetektiv bei der alt-ehrwürdigen Detektei Wallen & Wallen. Jedoch kein sonderlich erfolgreicher, was sich wohl auf seine durch ständige Hänseleien ob seines Aussehens seit der Kindheit angekratzten Psyche zurückführen lässt. Denn Tony ist winzigklein, trägt Brillengläser so dick wie Flaschenböden, kann mit seinen Ohren ganze Berge hinuntersegeln und ist modisch alles andere als auf der Höhe der Zeit. Diese Schwächen gleicht unser kleine Schnüffler allerdings durch seinen überdurchschnittlich hohen IQ wieder aus - es gab wohl nie zuvor einen besserwisserischen und neunmalklügeren Adventure-Helden als Tony Tough.
Dass er seinen gesamten Hirnschmalz im gleichnamigen Spiel benötigt, wird direkt zu Anfang klar: Seit Jahren ist Tony auf der Jagd nach einem windigen Bösewicht, der kleinen Kindern regelmäßig ihre Süßigkeiten abnimmt. Im Prinzip kein sonderlich dramatischer Fall, doch für unseren kleinen Privatdetektiv steht fest, dass hinter all diesen Diebstählen eine riesige Alien-Verschwörung steckt. Kein Wunder also, dass eine Schublade in seinem spartanisch eingerichteten Kellerbüro die Aufschrift "X-Files" trägt. Und wie es sich für einen echten Detektiv gehört, steht auch Tony ein Assistent zur Seite: Ein dicker, violetter und Süßigkeiten verschlingender Tapir namens Pantagruel, den Tony fälschlicherweise für einen Hund hält. Das Problem, das sich unserem Protagonisten am Halloween-Abend gegenüberstellt, ist jedoch, dass eben dieses liebenswürdige Plüschtierchen entführt und Tony in einen geheimnisvollen Vergnügungspark gelockt wird. Dort hat er genau eine Nacht Zeit, seinen Freund aus den Klauen eines gar fürchterlichen Bösewichts zu befreien...
Die gute, alte Zeit Direkt nach dem Intro fühlt man sich direkt um ein Jahrzehnt zurückversetzt, so sehr erinnert 'Tony Tough' an die ganz Großen des Genres, wie zum Beispiel 'Sam & Max' oder 'Day of the Tentacle'. Grafisch natürlich etwas ausgereifter, ist das Spiel ein Adventure, wie es im Buche steht. Das fängt schon beim Gameplay an: Klassische Inventar-, Objekt-, Dialog- und ganz wenige Logik-Rätsel wechseln sich ab und wir entdecken selbst bei ganz genauem Hinsehen keinen Funken Action. In Tonys Taschen, die uns als Inventar dienen, könnten wir auch ein ganzes Einfamilien-Haus stecken und ausschweifende Dialoge sind en Masse enthalten. Nostalgie pur.
Ist das Spiel zu Beginn noch sehr darauf ausgerichtet, dass der gesamte Witz aus den Dialogen zwischen den abgedrehten Charakteren - da wären unter anderem ein nikotinsüchtigen Clown oder ein Biest, das für sein Leben gern Gedichte zitiert, aber beinahe sein gesamtes Leben in einem Käfig verbracht hat - entsteht, gingen die italienischen Entwickler im späteren Spielverlauf etwas andere Wege. Ganz im Stile von 'Day of the Tentacle' oder 'Toonstruck' mehren sich die Slapstick-Einlagen und der Humor wird uns schon mal per Holzhammerbehandlung eingeprügelt. Dem Spielspaß tut dies jedoch keinen Abbruch - eher im Gegenteil.
Die Dialoge laufen im Multiple-Choice-Verfahren ab, wobei euch damit die volle Kontrolle über das gegeben wird, was Tony von sich gibt. Das kann dann auch schon mal von "für's Spiel nützlich" bis hin zu "absolut unsinnig und einfach nur unterhaltsam" variieren. Mittels eines Mausklicks kann der ungeduldige Spieler die Gespräche überspringen und stattdessen auf die Untertitel zurückgreifen.
Zwei Schwierigkeitsgrade
Zu Beginn des Spiels habt ihr die Möglichkeit zwischen zwei Schwierigkeitsgraden zu wählen. Entscheidet ihr euch für die schwere Variante, werden einige Rätsel mit zusätzlichen Kopfnüssen erschwert, fällt eure Wahl hingegen auf die leichte Variante, so bereitet euch das Durchspielen von 'Tony Tough' weniger Probleme. Insgesamt ist aber festzuhalten, dass die Rätsel zum großen Teil fair und logisch gestaltet sind, lediglich gegen Ende des Spiels zieht der Schwierigkeitsgrad noch einmal etwas an, so dass ihr teilweise etwas länger über des Rätsels Lösung grübeln und auch einige etwas abstrusere Lösungsmöglichkeiten in Betracht ziehen müsst.
Gesteuert wird unser Titelheld ganz simpel via Point & Click. Dabei griffen die Entwickler von Prograph Research auf ein Coin-Interface, wie beispielsweise aus 'Monkey Island 3' bekannt, zurück. Mittels vier Befehlen spricht Tony mit anderen Charakteren oder betrachtet, benutzt und nimmt nützliche Gegenstände. Durch einen Klick auf Tonys Krawatte, die ebenfalls Bestandteil des Interfaces ist, stellt unser Held sich automatisch vor. Das Inventar, das wahlweise am oberen oder unteren Bildschirmrand platziert ist, bleibt stets übersichtlich, was allerdings zur Folge hat, dass die inventarbasierten Rätsel zu einer recht einfachen Übung werden. Zur leichteren Orientierung befindet sich in Tonys Taschen auch noch eine Übersichtskarte des Parks, wodurch die Orientierung zwischen all den Attraktionen deutlich leichter fällt.
Grafisch schon leicht angestaubt
Während der Spielwitz unbestritten zu dem Besten gehört, was das Genre in den letzten Jahren gesehen hat, entspricht die Grafik des Spiels dem exakten Gegenteil. Selbst im Jahr 2000, als 'Tony Tough' in Italien seinen Erst-Release feierte, war die Mischung aus verwaschenen, handgezeichneten 640x480 Hintergründen und pixeligen Charakteren alles andere als aktuell. Einige Zwischensequenzen beinhalten auch 3D-Animationen, die aber einen nicht minder veralteten Eindruck machen, als die restliche Grafik. In Kontrast dazu stehen jedoch die unzähligen, liebevoll gestalteten Animationen jeder einzelnen Spielfigur: Tony stopft sich lebensecht die Taschen seines Regenmantels voll, ein Papagei plappert uns realitätsnah die Ohren voll und ein kleiner Junge hüpft angespannt von einem Bein auf das andere, weil er vor einem besetzten Toilettenhäuschen wartet.
Ein besonderes Feature ist der im Optionsmenü anwählbare Graustufen-Modus. Dabei wird der gesamte Bildschirm in gelblich-graue Farben getaucht und plötzlich wirkt das Spiel, zumindest grafisch, wie ein guter Detektivfilm aus längst vergangenen Tagen. Das hat zwar keinerlei praktischen Nutzen, ist aber nett anzusehen.
Erstklassige Sounduntermalung Da 'Tony Tough and the Night of Roasted Moths' grundsätzlich von den unglaublich unterhaltsamen Dialogen der Charaktere lebt, war es wichtig, dass das Spiel eine vernünftige Synchronisation erhält. Und in diesem Punkt hat der amerikanische Publisher Got Game Entertainment mehr als nur erstklassige Arbeit geleistet. Die Stimmen sind durch die Bank perfekt gewählt, auch wenn einige der Figuren recht gewöhnungsbedürftig - das heißt, etwas sehr schief - klingen. Weiterhin hat Tony zu wirklich allem etwas zu sagen, auch wenn es nur dazu dient, den Spieler vorm Bildschirm ein klein wenig mit etlichen spitzen Sprüchen zu ärgern.
Die Hintergrundmusik tut genau das, was ihr Name uns bereits vermuten läßt: Sie hält sich dezent im Hintergrund. Es gibt weder Momente, an denen man die Musik am liebsten aus dem Spiel extrahieren, noch sie komplett ausschalten möchte. Je nach Location ändert sich die musikalische Untermalung, so dass in diesem Bereich für genügend Abwechslung gesorgt ist. In puncto Soundeffekte erwartet uns ebenfalls ein breites Spektrum an unterschiedlichen Geräuschen. Wasser plätschert und Türen knarren oder knallen je nach Zustand - auch hier wurde grundsolide Arbeit abgeliefert.
Sonstiges
Mit um die 20 Stunden Spielzeit und über 60 Locations ist 'Tony Tough' einer der längeren Vertreter des Genres. Insgesamt stehen dem Spieler für seine Aufgabe, Tonys kleinen Tapirfreund zu befreien, 95 Speicherplätze zur Verfügung, die ganz bequem über das Hauptmenü erreicht werden können. Die deutsche Version des Spiels soll bereits Mitte Oktober in den Händlerregalen stehen - und genau dann erwartet euch auch unser Nachtest, der sich vor allem mit den grafischen Änderungen und der deutschen Übersetzung und Synchronisation auseinandersetzen wird.
'Tony Tough' bietet wahrlich den Auftakt für einen heißen Adventure-Winter und gehört zweifellos zu den Toptiteln der diesjährigen Adventuresaison. Der lustige Zeitgenosse mit dem viel zu losen Mundwerk hat mich stundenlang vor den Rechner gefesselt und immer wieder zum Lachen gebracht, da verzeiht man auch die etwas schwächere Grafik. Bleibt nur zu hoffen, dass der deutsche Publisher dtp und das renommierte Hamburger Tonstudio Toneworx bei der Vertonung von Tony und seinen Freunden ein ähnlich gutes Händchen hatten, wie die amerikanischen Kollegen. Zusammen mit den Grafikverbesserungen könnte 'Tony Tough' dann tatsächlich DER Hit für kalte Herbstabende werden.
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Tony Tough: and the Night of Roasted Moths
- Entwickler
- Prograph Research
- Publisher
- dtp - digital tainment pool
- Release
- 24. November 2003
- Webseite
- http://www.tonytough-game.de
- Sprachen
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- Systeme
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- Stichwörter
- Tony Tough bei Amazon kaufen (Affiliate-Link)