Mehr als zwei Jahre lang beobachteten wir 'The Moment of Silence', verfolgten jede noch so kleine Neuigkeit und freuten uns über jeden vergangenen Tag, mit dem die Veröffentlichung des Spiels näherrückte. Nun ist es endlich da, das größte Adventureprojekt, das je in Deutschland entwickelt wurde. Und damit der endgültige Beweis, dass Lucas Arts heutzutage nicht benötigt wird, wenn es überall auf der Welt noch Entwickler gibt, die zwar nicht alles perfekt machen, aber mit Herzblut dabei sind und am Ende doch einen guten Vertreter unseres Genres auf die Beine stellen können. So wie House of Tales hierzulande...

Wir schreiben das Jahr 2044
Alle Staaten dieser Erde sind unter einer Weltregierung zusammengefasst und dieses System scheint perfekt zu funktionieren. So empfand es auch Peter Wright bis zu jenem Tag, an dem seine Frau sowie sein kleiner Sohn bei einem Flugzeugabsturz zu Tode gekommen sind. Als Folge dessen vegetiert der Kommunikationsdesigner vor sich hin und lebt ohne rechtes Ziel in den Tag hinein. Aus dem alten Haus der Familie ist er ausgezogen ohne etwas mitzunehmen, er hat den Alkohol als neuen Freund gefunden und seine einzigen sozialen Kontakte bestehen aus GlobalNet-Chats. Da passt es nur allzu gut ins Bild, dass Peters neue Existenz eines Abends erneut auf den Kopf gestellt wird - ein Sondereinsatzkommando der Polizei stürmt die Nachbarswohnung und verschleppt den Familienvater. Aus Mitleid beginnt unser Protagonist sich für diesen Vorfall zu interessieren und erfährt im Laufe seiner Ermittlungen unglaubliche Dinge, die sein bisheriges Weltbild gänzlich auf den Kopf stellen...
Der große Bruder sieht dich Die Story ist, ohne zu viel versprechen zu wollen, das eindeutige Highlight des Spiels. Im Hinblick auf geschichtliche Fakten wurde außerordentlich gut recherchiert und noch viel wichtiger: 'The Moment of Silence' fesselt über die gesamte Spielzeit hinweg an den Bildschirm. Begünstigt wird dies unter anderem durch das recht rasche Vorankommen im Spielverlauf, was einerseits für reichlich Motivation sorgt, andererseits aber ein Zeichen von einem nicht gänzlich ausgewogenen Rätseldesign ist.
Nur um das klarzustellen: An sich ist jede einzelne Aufgabe logisch und es gibt zu keiner Zeit ein Rätsel, das aufgesetzt scheint und nicht ins Spiel passt. Das eigentliche Problem besteht eher darin, zu erkennen, was als Nächstes zu tun ist. Zwar ist die endgültige Lösung eines übergeordneten Rätels meist recht offensichtlich, die zuvor benötigten Zwischenknobeleien muss der Spieler sich jedoch oftmals vollständig allein erarbeiten. An einigen Stellen hätte ich mir persönlich deshalb einige zusätzliche, kleine Hinweise gewünscht.
Kalt ist das System, und kalt bin auch ich
Ganz ehrlich: Wie viele Zukunftsvisionen haben wir im Laufe der Jahre nun schon gesehen, egal ob im Bereich der Videospiele oder in Filmen? Vermutlich ist diese Zahl recht hoch und die meisten dieser Machwerke sind wahrscheinlich auch sehr unbekannt. Wenn solch eine Produktion jedoch mal Erfolg hat, dann liegt das zumindest in vielen Fällen daran, dass das Szenenario trotz einiger kühner Ideen realistisch bleibt. So auch 'The Moment of Silence'.
Das New York in der Mitte des 21.Jahrhunderts ist nicht vollkommen abgedreht. Es laufen keine Aliens durch die Parks und die Menschheit muss sich auch nicht alle Nase lang gegen Angriffe feindlicher Spezies zur Wehr setzen. Nein, das New York anno 2044, entstanden im Kopf von Martin Ganteföhr, stützt sich in weiten Teilen auf die Gegenwart. Lediglich die Technik ist deutlich weiter entwickelt und vor allem eines scheint den Bürgern im Jahr 2044 noch wichtiger zu sein, als heutzutage: Sicherheit. Der perfekte Ansatzpunkt, um eine Geschichte voller Verschwörungen und einem System der totalen Überwachung zu erzählen... Diese Atmoshpäre gilt es dann natürlich auch grafisch gut umzusetzen, damit das ganze Spiel in sich stimmig wirkt. Und diese Aufgabe wurde in der Tat nicht in der totalen Perfektion, aber dennoch mit Bravour gemeistert. Dabei stechen vor allem die zahlreichen Animationen in den ohnehin schon detaillierten Hintergründen hervor, die man in dieser Größe so noch nie zuvor in einem Adventure gesehen hat: Wassertropfen zerplatzen realitätsnah auf den Bürgersteigen, Echtzeitspiegelungen in Regenpfützen laden zum einfach nur Dastehen und Staunen ein und allerlei kleinere Spielereien, die zur Belebung der gesamten Umgebung beitragen. Zwar wäre etwas mehr Bewegung der Statisten wünschenswert gewesen (wie viele Flüge wohl beim JFK-Airport tagtäglich ausfallen, dass einige Personen dort tagelang herumsitzen?), allerdings ist es überhaupt schon mal erfreulich, dass so viele Charaktere eingesetzt wurden. Und wo wir grad schon bei den Wünschen für das nächste Spiel sind: Etwas detaillierter dürften Peter, Deborah und Co. schon sein. Im Vergleich zu 'Black Mirror' hat 'The Moment of Silence' in puncto Charakterdesign jedoch die Nase vorn.
Vollends überzeugen können in jedem Fall die vorgerenderten Zwischensequenzen. Der Schnitt ist perfekt, die Qualität sowieso und auch der Inhalt verbindet die einzelnen Spielabschnitte auf die bestmöglichste Art und Weise. Schön auch, dass House of Tales das Versprechen, Action fände nur in den Filmsequenzen statt, eingehalten hat.
Moment der Stille? Ach was!
Bereits Wochen vor der Veröffentlichung verriet Publisher dtp die offizielle Sprecherliste des Spiels - und die las sich wie die Einladung zu einem Heldenkongress: Manfred Lehmann (Bruce Willis), Daniela Hoffmann (Julia Roberts), Norman Matt (Guybrush Threepwood) und Alexander Schottky (George Stobbart) - insgesamt sind's sogar über 20 professionelle Sprecher, die in 'The Moment of Silence' für alles andere als Stille sorgen. Natürlich wäre es jetzt tragisch, würde man von diesem hochwertigen Line-Up im eigentlichen Spiel nichts mitbekommen - dem ist glücklicherweise jedoch nicht so. Denn erst die Synchronisation haucht den einzelnen Charakteren wirklich Leben ein und läßt sie realistischer wirken, was einen ungemein großen Anteil an der Gesamtatmosphäre hat. Ablese-Orgien bleiben dem verwöhnten Adventurespieler aus diesem Grunde vollständig erspart.
Doch auch die anderen Töne, die aus den Boxen dröhnen, brauchen sich keineswegs verstecken. Angefangen beim Soundtrack, der so auch eins zu eins aus einem aktuellen Kinoblockbuster stammen könnte und auf jede einzelne Location perfekt zugeschnitten ist, bis hin zu den Soundeffekten, die zwar nicht herausragen, ihren Zweck aber voll und ganz erfüllen.
Aus zwei Metern Entfernung ein Scheunentor verfehlen... ...oder auch "Warum die Steuerung gewöhnungsbedürftig ist". Ihr alle kennt das: Ein Point & Click-Adventure funktioniert meist recht einfach - die linke Maustaste führt zur Interaktion mit der Umwelt, der rechte Gegenpart läßt unseren Helden in aller Stille einen Gegenstand begutachten. Das ist in 'The Moment of Silence' nicht wirklich anders. Dennoch werden auch erfahrene Spieler eine gewisse Zeit benötigen, um sich mit der Steuerung zu arrangieren. Oftmals ist es nämlich nicht ganz ersichtlich, an welche Stelle geklickt werden muss, damit der gewünschte Standort erreicht wird. So kann es unter Umständen schon eimal geschehen, dass Peter sich zu emanzipieren scheint und eine ganz andere Route einschlägt, als vom Spieler gewünscht. Um dies zu unterbinden solltet ihr euch einige Minuten lang mit den Eigenheiten der Wegfindung auseinandersetzen (Tipp: Wenn ihr beispielsweise in einen anderen Raum wollt, von diesem aber nicht den Boden seht, klickt auf die Wand darüber!), was den positiven Nebeneffekt von deutlicher weniger Frusterlebnissen in der Anfangsphase des Spiels mit sich bringt.
Das Inventar ist am unteren Bildschirmrand platziert und läßt sich ganz simpel von links nach rechts - oder wahlweise auch andersherum - durchklicken. Manche Objekte lassen sich ferner im Detail betrachten und erscheinen nach einem Rechtsklick mittig auf dem Bildschirm.
Durch einen Doppelblick beginnt Peter zu rennen. Auf eine andere Art lassen sich die Wege leider nicht abkürzen, was besonders bei recht langen Strecken etwas nervig sein kann. Glücklicherweise sind solche Situationen jedoch recht selten.
Großzügige Ausstattung
Nachdem sich bereits vor geraumer Zeit die DVD-Hülle als bevorzugte Verpackungsart von PC- und Videospielen etablierte, ist der dazugehörige Datenträger nun wohl auf auf dem selben Weg: Neben 'Myst IV' ist auch 'The Moment of Silence' ausschließlich auf DVD erhältlich. Um das Spiel in den Regalen dennoch ein wenig stärker hervorzuheben entschied man sich im Hause dtp dazu, die DVD-Hülle wie schon bei 'Black Mirror' noch einmal in einen kleinen Pappkarton zu stecken. Und der wiederum macht einen glänzenden Eindruck - im wahrsten Sinne des Wortes...
Während des Testens fielen uns einige sporadische Abstürze auf, die uns jedoch in den meisten Fällen lediglich nach Windows zurückwarfen - das Spiel konnte danach auch problemlos fortgesetzt werden. Ansonsten beschränkten sich die technischen Probleme auf einige kleinere Clippingfehler, über die man wohlwollend hinwegsehen kann.

Würden wir 'The Moment of Silence' auf Grafik, Story und Sound reduzieren, so hätten wir es hier womöglich mit dem Adventure des Jahres zu tun. Die Charaktere wirken lebendig und erzeugen in den richtigen Momenten Mitgefühl, die grafische Umgebung schafft ein realistisches Zukunftsflair und der Soundtrack könnte direkt aus Hollywood stammen. Schade allerdings, dass die Steuerung nicht ganz perfekt ist und man sich beim Rätseln des öfteren etwas zu ratlos fühlt.
Dennoch hat House of Tales ein Spiel geschaffen, das sich vor internationaler Konkurrenz keine Sekunde verstecken muss. Und wenn man den großen Fortschritt vom 'Geheimnis der Druiden' zu 'The Moment of Silence' berücksichtigt, dann würde ich mich jederzeit wieder mit Peter Wright ins Abenteuer stürzen.
-
The Moment of Silence
- Entwickler
- House of Tales
- Publisher
- dtp - digital tainment pool
- Release
- 4. Oktober 2004
- Auszeichnungen
- Adventure Corner Award
- Trailer
- Hier ansehen • Bei Youtube ansehen
- Webseite
- http://www.momentofsilence.de/
- Sprachen
-
- Systeme
-
- Stichwörter
- The Moment of Silence im Humble Store kaufen (Affiliate-Link)
- The Moment of Silence bei Amazon kaufen (Affiliate-Link)
4 Kommentare
ich wollte eigentlich nur mal kurz sagen, wie enttäuscht ich eigentlich von diesem Spiel bin.
House of Tales hat meiner Meinung nach nicht viel gelernt.
Bei dem "Geheimnis der Druiden" bin ich fast verzweifelt an den völlig unsinnigen Gespächsoptionen und ich finde: viel besser ist TMOS auch nicht.
Und ich kann auch nicht verstehen, wie jemand von der Grafik schwärmen kann.
Okay, meine Meinungsbildung kommt wahrscheinlich viel zu früh, weil ich's noch gar nicht durchhabe, aber selten war ich nach so kurzer Zeit schon so sehr enttäuscht.
Man rennt nur hin und her, labert hier und da - und wenn man mal zufällig auf ein wirkliches Rätsel trifft, dann kann man's nicht lösen, weil man die benötigten Gegenstände nicht finden kann, weil die so versteckt sind.
Außerdem weiß ich oft auch gar nicht, was ich jetzt eigentlich machen will - oder soll. So'n richtigen Faden gibt's (noch) nicht.
Die Sprecher sind super und die Geschichte klingt auch interessant, aber viel wichtiger sind mir knackige Rätsel, Spannung und Stimmung. Aber vor allem letzteres ist bei mir noch nicht aufgekommen.
Egal, ich werde es auf jeden Fall weiterspielen, aber an Black Mirror, Syberia (1+2) oder gar The Westener kommt dieses Spiel nicht mal annähernd heran!
Diese Spiele habe ich fast in einem Atemzug durchgespielt, so gespannt und gefangen war ich.
TMOS spiele ich, wenn ich mal nix anderes zu tun habe. Und das sagt mir persönlich alles...
Trotzdem nix für ungut!
Gruß
Melanie
Gruß
Melanie
Du kritisierst aber ja grundsätzlich das Herumgerenne und die Grafik. Rennen durfte man in Syberia auch ziemlich viel, wenn nicht gar viel mehr. Und was die Grafik betrifft: Mir scheint dieses "Ach, entspricht nicht meinen Erwartungen"-Getue etwas verwöhnt. Ich meine, vor allem Adventurespieler bemängeln (wie unsere Votings schon bestätigt haben) die Grafik erst nach Spielspass und Atmosphäre, weil diese Elemente das Genre nunmal bestärken.
Dass die Rätsel in der ersten Hälfte seicht sind, stimmt nicht. Mir ist das erst (und vor allem) in der zweiten Hälfte aufgefallen. Ich fand das allerdings nicht weiter problematisch, da dies den Spielfluss förderte.
Was ich bezüglich der Grafik meinte, war, dass ich nicht verstehen kann, wie man die bei diesem Spiel so hochgelobt hat. Ich habe sie nicht direkt kritisiert, doch das von Dir eben angemeckerte "Getue" darum.
Für mich ist die Grafik Mittelmass. Da renne ich lieber in Syberia herum, als in diesem Spiel.
Der Plot des Spiels ist gut, er gefällt mir wirklich.
Rätsel habe ich bisher noch nicht gefunden, nur Gelaber und Raten, was wohl als nächstes zu tun ist. Mehr nicht.
Aber da die Geschichte wirklich spannend ist, werde ich es auch zu Ende spielen, das ist schon klar.
Ich wehre mich nur dagegeben, dem Spiel mehr Prozente zu zugestehen, als Black Mirror z.B. oder The Westener. Denn viel besser als "Geheimnis der Druiden" ist es wirklich nicht. Bessere Gesprächsoptionen und ein bißchen mehr "Leben" hätten dem Spiel gut getan.
Das ist halt meine Meinung.
Gruß
Melanie