Zwischen 1997 und 2001 brachte das auf First-Person Renderadventures spezialisierte Entwicklerstudio Cryo seine durchaus erfolgreiche 'Atlantis'-Trilogie auf den Markt. Nach dem Ende von Cryo dachten viele Spieler nie wieder ein Abenteuer im 'Atlantis'-Universum erleben zu können, bis sich die eigens gegründete Firma Atlantis Interactive Entertainment entschloss Cryos Erbe anzutreten und mit ‚Atlantis Evolution’ den Auftakt einer neuen Trilogie zu entwickeln. Ob es ihnen gelungen ist einen würdigen Nachfolger zu erschaffen, erfahrt ihr in unserem Testbericht.

Schiffbruch
Juni 1904. Nach einer erfolgreichen Patagonien-Reise entspannt sich der Fotograf Curtis Hewitt mit zahlreichen Bildern im Gepäck auf dem Deck des Schiffes Lemura, beobachtet die Sterne und freut sich über seine baldige Rückkehr nach New York, als plötzlich ein gewaltiger Sturm aufzieht und der Idylle ein jähes Ende bereitet. Curtis schafft es gerade noch mit seiner Kamera in ein Beiboot zu springen, bevor das etwas altersschwache Schiff in den Fluten des Meeres versinkt. Als scheinbar einziger Überlebender des Unwetters treibt Hewitt schließlich ohne nennenswerte Vorräte auf dem atlantischen Ozean dahin.
Doch wer nun denkt, die Situation wäre bereits aussichtslos genug, der sieht sich schnell eines Besseren belehrt: Wie aus heiterem Himmel erscheint nämlich ein Raumschiff und befördert unseren Helden samt Beiboot direkt in die sagenumwobene Welt von Atlantis, deren Einwohner von einer Handvoll Götter zu willenlosen Arbeitssklaven gemacht wurden.
Hewitt muss schnell feststellen, dass nicht nur sein eigenes Leben, sondern das Schicksal aller Atlanter in seinen Händen liegt… 'Atlantis Evolution' ist der vierte Teil der bekannten 'Atlantis'-Serie und soll den Beginn einer neuen Trilogie stellen. Anders als bei der ersten drei Teilen ist aber nicht mehr Cryo für die Entwicklung des Spiels zuständig, sondern das eigens gegründete Entwicklerstudio Atlantis Interactive Entertainment, das zwar die Tradition der alten Spiele beibehalten aber auch einige Neuerungen einbauen wollte.
Solide Präsentation mit einigen Schwächen
Die Grafik von 'Atlantis Evolution' ist eine Mixtur aus First-Person Spielgrafik mit 360° Umsicht und vorgerenderten 3rd-Person Videos, die vor allen bei Zwischensequenzen und Gesprächen zum Einsatz kommen. Während die Videos, trotz merkwürdiger Proportionen der menschlichen Charaktere, sehr schön gerendert sind und einen hochwertigen Eindruck hinterlassen, wirkt die First-Person Spielgrafik im Vergleich zu konkurrierenden Titeln wie etwa 'Myst IV' etwas altbacken und gelegentlich verwaschen.
Hinzu kommt noch, dass die Animationen innerhalb der 360° Ansicht nicht durchgängig die gleiche Qualität und Quantität haben. So wird an einigen Stellen des Spiels etwa durch Rauchanimationen oder umherfliegende Vögel eine sehr schöne und belebte Atmosphäre geschaffen, während beispielsweise das Ozeanwasser zu Beginn des Spiels vollkommen bewegungslos daherkommt. Hier wäre etwas mehr Kontinuität seitens der Entwickler wünschenswert gewesen.
Dafür lassen Musik und Hintergrundsgeräusche wenig Grund zur Kritik. Das Team, das schon für die Vertonung von 'Atlantis' und 'Atlantis II' verantwortlich war, schafft es mit einem Spektrum, das von Sphärenklängen bis hin zu elektronischer Musik reicht, eine stimmungsvolle Atmosphäre zu erzeugen. Auch die Synchronisation ist weitestgehend gelungen, auch wenn hier und da schon mal eine Betonung nicht hundertprozentig stimmt oder es gelegentlich Schwächen bei der Einbindung der Sprache gibt. An einer Stelle redet Hewitt beispielsweise mit einem Charakter, dessen Stimme durchgängig mit einem Halleffekt versehen ist, in einem Satz aber plötzlich vollkommen unbearbeitet ertönt. Auch die nicht vorhandene Lippensynchronität sollte heutzutage eigentlich als Standard bei Computerspielen vorhanden sein und hätte mit zur Atmosphäre beitragen können.
Einfache Steuerung
Die Steuerung von 'Atlantis Evolution' ist denkbar einfach gehalten. Der Spieler klickt sich per Maus von Bild zu Bild und kann in einer 360°-Umsicht die Umgebung erkunden. Sobald man mit einem Gegenstand oder einer Person interagieren kann, verändert sich der Mauszeiger. Ein Rechtsklick mit der Maus friert das Bild ein und öffnet das Inventar, in dem man alle Gegenstände in einer Nahaufnahme genauer betrachten kann. Ein erneuter Rechtsklick führt wieder zur 360°-Umsicht.
Bei Gesprächen mit anderen Personen wird dem Spieler eine Liste mit Icons, die verschiedene Gesprächsthemen symbolisieren, vorgesetzt. Bereits geführte Gesprächspunkte färben sich grau, können aber nochmals angehört werden. Allerdings laufen die Gespräche im Wesentlichen linear ab. Der Spieler kann nur die Reihenfolge der verschiedenen Themen beeinflussen.
Revival der Achtziger Jahre Spiele
Anders als z.B. bei den 'Myst'-Spielen erwarten den Spieler in 'Atlantis Evolution' keine komplexen Schalterrätsel. Stattdessen gilt es neben einigen Inventar-Kombinations-Rätseln vor allem in zahlreichen Minispielen zu bestehen. Diese umfassen fast die komplette Palette erfolgreicher Konsolenspiele der Achtziger Jahre: Von 'Sokoban' über 'Frogger' und 'Tron' bis hin zu 'Pong' ist alles dabei.
Trotz ihres nach wie vor hohen Unterhaltungswertes wirken die Minispiele fast immer sehr aufgesetzt. Eine logische Erklärung, warum man beispielsweise an den Zahlencode einer Panzertür durch eine Partie 'Frogger' kommen soll, fehlt fast vollständig. Hinzu kommt noch, dass sich Hewitt fast ausnahmslos auf der Flucht vor den Atlantis-Wächtern befindet und dabei unter Zeitdruck durch große unbekannte Landschaften laufen muss. Der Spieler steht hier oftmals auf verlorenem Posten und weiß nur selten, wo er überhaupt hin soll oder welche Gegenstände man für die Flucht finden muss. Noch bevor eine grobe Orientierung möglich ist, ertönt meistens ein "Halt, Abweichler!" aus den Lautsprecherboxen und verkündet das erneute Ableben unseres Protagonisten. Man wird nun an einen früheren Zeitpunkt zurückversetzt, zu dem das Spiel noch lösbar ist. Auf der Flucht aufgesammelte Gegenstände bleiben dabei glücklicherweise erhalten, so dass man sich beim nächsten Versuch wenigstens einige Umwege sparen kann. Dennoch wirkt dieses Spielelement ziemlich nervig und bereitet einige frustrierende Spielmomente.
Insgesamt betrachtet ist 'Atlantis Evolution' ein solides Spiel, das dank der ausgefallenen Story und der weitestgehend gelungenen Präsentation etwa acht Stunden recht gute Unterhaltung bietet. Leider sind aber die Schwächen bei den Rätseln unverkennbar. Die Labyrinth-Rätsel unter Zeitdruck können den Spieler schnell frustrieren, während die Minispiele zwar Spaß machen, aber nicht unbedingt in ein Adventurespiel gehören. Fans der 'Atlantis'-Reihe können getrost sofort zugreifen, andere Spieler sollten eher auf eine Budget-Version oder ein anderes Spiel warten.
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Atlantis 4: Atlantis Evolution
- Entwickler
- Atlantis Interactive Entertainment
- Publisher
- The Adventure Company
- Release
- 8. November 2004
- Spielzeit
- 8 Stunden
- Trailer
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