Ägypten, etwa 3000 Jahre v.Chr., 40°C im Schatten. Sicherlich nicht das ideale Setting für eine Party, wohl aber für Deck13s Erstlingswerk 'Ankh'. Kaum ein Spiel hat in den letzten Monaten für derartige Furore gesorgt wie 'Ankh', dass wie ein Wüstenwirbelwind durch die Medien fegte. Da wurde es angepriesen als "Nachfolger der klassichen Lucas Arts-Adventures" oder das Spiel, nach dem sich sogar Adventurelegenden wie Ron Gilbet die Finger lecken. Tja, war all der Wirbel zurecht? Oder ist 'Ankh' nur ein goldenes Kalb, ein blasser Abklatsch seiner glänzenden Vorbilder? Die große Frage stellt sich schnell: Möchte 'Ankh' nur in die großen Fußstapfen seiner Väter im Geiste treten? Oder lieber eigene Fußstapfen hinterlassen? Wir haben uns in bester Archäologen-Manier, aber ohne Peitsche und Fedora, dafür mit Pinselchen und Lupen daran gemacht, Grabkammern zu öffnen und den Geheimnissen des alten Ägypten auf die Spuren zu kommen.
Knobeln im Alten Ägypten
Und da sage nochmal jemand, die Ägypter hätten keine Ahnung vom Feiern gehabt... Gut, Assils Idee, mit seinen Freunden in eine alte Grabkammer einzusteigen und dort abzuhängen mag nicht zwingend die originellste sein, wohl aber die folgenreichste. Denn wie das mit alten Grabkammern so ist, in einem Moment noch ist man am Feiern und im nächsten Moment hat man einen tödlichen Fluch am Hals. Zu allem Überfluss zeigt sich auch noch Assils Vater, seines Zeichens Baumeister, alles andere als kooperativ und erteilt dem jungen Helden wider Willen erstmal Hausarrest. Nicht raus zu dürfen und möglicherweise nur noch wenige Stunden zu leben haben sind allerdings eine äußerst unglückliche Kombination und so liegt es nun am Spieler, Assil aus seiner Notlage zu befreien (und nein, das hat mit Selbstmord nichts zu tun). Klar, dass der Junge Hilfe braucht, professionelle Hilfe um genau zu sein. Und hier kommt ihr ins Spiel: Zwar braucht es weder einen ausgebildeten Psychologen noch einen Spezialisten für Altägypten, um Assils Probleme zu lösen, aber was für ein Adventure wäre 'Ankh', wären ihm nicht Steine in den Weg gelegt, die ihm diesen erschweren würden?
Die Waffen der Wahl: Maus und Tastatur. Aber keine Scheu, 'Ankh' ist ein klassisches Point&Click-Adventure. Assil wird mit einem Linksklick von A nach B beordert, Interaktionen werden mit der rechten Maustaste in die Wege geleitet. Ein bisschen gewöhnungsbedürftig wohlgemerkt, aber nichts, was nicht schnell in Fleisch und Blut übergehen würde und dem Spielspaß in keiner Weise im Weg stünde. Sehr lobenswert ist die Implementierung eines waschechten Point&Click-Interfaces in eine "echte" 3D- Umgebung, denn was beim 'Westerner' noch etwas hakelig lief, schafft 'Ankh' in ein sehr dynamisches und schönes 3rd-Person-Gameplay umzusetzen. Neben dem Klassiker ESC lässt sich mit der Tab-Taste Assils persönliche Papyrus-Todo-Liste aufrufen, die die jeweiligen "Missionsziele" anzeigt - bereits erledigte Aufträge verschwinden wie von Geisterhand. Und ganz ehrlich, das wahrscheinlich beste Verb, um deren Art zu beschreiben wäre: wahnwitzig, denn von der Aufklärung der Entführung der Tochter des Pharaos bis zum Suchen eines Karawanenführers, der scheinbar im Suff seine Karawane in Gizeh vergessen hat, ist alles dabei. Und da sich die Lösung dieser Aufgaben teilweise über mehrere Kapitel erstreckt, aber zur Aufklärung eines Rätsels im späteren Spielverlauf wichtig ist, ist diese für ein Adventure ja eher untypische "Notebook- Funktion" sogar durchaus sinnvoll.
(Beispiel gefällig? Kein Problem (Achtung Spoiler): Recht früh im Spiel bekommt Assil die Möglichkeit per Boot auf dem Nil die unglaublichen Sehenswürdigkeiten von Gizeh zu besuchen. Dort trifft er auf die oben erwähnte Karawane, die sich nicht weiter zu ziehen traut, weil sie ihren Führer verloren haben. Dieser befindet sich allerdings im Palast des Pharao, wo er nach einer langen Nacht noch immer in den Resten der Party seinen Rausch ausschläft. Bis Assil sich allerdings in den Palast des Pharao vorgearbeitet hat, vergeht noch einige (Spiel-)Zeit, und damit der Spieler also nicht in krampfhaftes Suchen ausartet, oder gar vergisst, dass er den armen Jungs noch helfen wollte (aus vollkommen uneigennützigen Motiven, versteht sich), bleibt der Auftrag so lange im Papyrus-Notebook verzeichnet, bis Assil den freien Händlern geholfen hat.)
Kombiniere Mumie mit...
Apropos Rätsel, denn genau hier werden sich vor allem Nostalgiker freuen, die sich voller Enthusiasmus zurück in jene Tage wünschen, in denen eine gewisse kalifornische Spieleschmiede das Genre fest im Griff hatte. Das Rätseldesign ist nämlich mehr als stark an die damals entwickelten "Standards" angelehnt. Hier dominieren Inventarrätsel im Sinne von kombiniere A mit B, um C zu beeinflussen, sowie Botengänge für genervte, desorientierte oder einfach nur semi- sadistische Gestalten zu erledigen. In gewohnter Manier ergeben sich solche Aufträge aus pointierten Dialogen zwischen Assil und einem der zahlreichen NPCs. Insgesamt also ein durchaus schönes, logisches und in erster Linie traditionsbewusstes Rätseldesign.
An dieser Stelle jedoch auch der Schnitt, denn zwar haben wir lange auf ein so klassisches und logisch designtes Abenteuer gewartet, aber im gleichen Atemzug fehlte auch das gewisse Etwas. Denn wo die schicke neue 3D-Engine einiges an Innovation erwarten ließ, blieb bei den Rätseln das neue, aufregende Element irgendwo auf der Strecke. Zwar spielt sich der Titel sehr flüssig und frustrationsfrei, andererseits wird es dem Adventureveteran nicht schwer fallen 'Ankh' in weniger als zehn Stunden durchgespielt zu haben. Novizen dürften sich dafür über den absolut ausgewogenen Schwierigkeitsgrad, der ein angenehmes Gameplay ermöglicht, durchaus freuen und einige humorvolle Stunden mehr damit verbringen. Insgesmat allerdings bleibt 'Ankh' besonders bei diesem elementaren Bestandteil ziemlich blass und eher ein Dinosaurier in der Landschaft des sich stetig wandelnden Genres.
Ins Gesicht!
Steril und grau war gestern, heute gibt's 'Ankh' und auf die Augen! Schluss mit langweiligen, unbewegten Hintergründen, Schluss mit tristem Grau in Grau oder Locations die wirken, als wäre dort schon vor längerer Zeit der letzte Mohikaner begraben worden! Die Jungs haben es tatsächlich geschafft, die Mumien auszuwickeln und dem Ägypten von vor 3000 Jahren neues Leben einzuhauchen. Seien es Blätter im Wind oder einfach ein paar gut platzierte Passanten, die Assil zwar beflissentlich ignorieren, der Szenerie jedoch enorm Leben einhauchen, so dass sich alles in ein harmonisches Bild einfügt. Die Open Source Engine OGRE macht denn auch im detailreichen Comicstil eine ziemlich gute Figur, lässt allerdings dennoch ein paar Wünsche offen. So hätte man sich beispielsweise Für Assil und seine NPC-Kollegen ein paar Polygone mehr gewünscht, denn diese wirken denn doch im Vergleich mit mehr oder weniger vergleichbaren Spielen ziemlich grob und klotzig.
Mit aktuellen Spielen anderer Genres kann sich 'Ankh' grafisch jedoch nicht messen und der Vergleich zum mittlerweile fünf Jahre alten 'Flucht von Monkey Island' drängt sich auf. Auch wenn die Kanten mittlerweile etwas runder geworden sind, möchte man doch teilweise beim Blick auf einige sehr grobkörnige Texturen lieber ganz schnell wieder vergessen, was man dort gesehen hat. Auch die Animationen wirken selbst angesichts des gewollt semi-realistischen Stils ziemlich hölzern, watschelig - das ist nicht wirklich schlimm, aber eben auch nicht so grandios, wie man sich das nach dem Hype der letzten Monate vielleicht gewünscht hätte.
Engine und Kinderkrankheiten
Was man der Grafik und vor allem der Engine allerdings sehr zugute halten muss, ist die dynamische Kameraführung, die, abgesehen von ein paar Hakern hier und da, einen sehr guten Eindruck macht. Bewegt sich Assil also z.B. auf den Straßen des Bazars, folgt ihm die Kamera und ermöglicht so einen erheblich flüssigeren Spielablauf als es festinstallierte Kameras könnten. Ähnlich schick hätte man allerdings auch die Zwischen- oder Gesprächssequenzen inszenieren können, denn die permanenten Frontansichten und Halbtotalen vermitteln nicht zwingend ein cineastisches Gameplay-Erlebnis und wirken dann vor allem im Vergleich zur bereits beschriebenen Ingame-Kameraführung ziemlich statisch und einfallslos. Auch sonst leidet 'Ankh' ein wenig an technischer Unausgegorenheit: Lange Ladezeiten und hier und da ein paar nicht sehr ins Gewicht fallende Kinderkrankheiten, die allerdings den Eindruck verstärken, dass das Ägypten-Adventure vielleicht ein bisschen länger hätte reifen können. Vor allem im Vergleich mit grafisch erheblich anspruchsvolleren Spielen muss sich 'Ankh' hier jedoch einige Kritik gefallen lassen, abschrecken braucht das allerdings niemanden. Einen Faux-Pas haben sich Deck13 jedoch noch geleistet, der eigentlich schon etwas weniger in die Kategorie Kinderkrankheiten als in die Kategorie Schlamperei gehört: Denn besonders angesichts der aufwendigen Lokalisation wirkt es äußerst peinlich, wenn die Gespräche dann nicht lippensynchron sind.
Auf die Ohren!
Großes wurde im Vorfeld versprochen was die grandiose Vertonung von 'Ankh' betraf: Professionelle, bekannte Sprecher wurden engagiert und kleine, feine Sound-Snippets verteilt. Nicht nur Oliver Rohrbeck, der prominente deutsche Sprecher einer der '???' oder von Ben Stiller, auch die anderen Sprecher verleihen Assil und Co. mehr als nur eine Stimme, vielfach sogar richtig Charakter. Vielleicht hätte man insgesamt ein paar Schauspieler mehr engagieren können, denn wenn ein Sprecher mit einer sehr eingängigen und bekannten Stimme dann gleich zwei bis drei Charaktere spricht, fällt das schon etwas auf, mehr vielleicht noch als die ein oder andere unglückliche Betonung.
Hat 'Ankh' dennoch gehalten, was dort ver- und vorgesprochen wurde? Ein klares "Ja, na klaaaar!", denn nicht nur die Sprecher machen eine gute Figur, nein, auch der durch die dezente und passige Hintergrundmusik gegebene akustische Gesamteindruck ist wirklich sehr schön. Schnörkellos und durchgängig klar, leicht und nicht nervig, eben so wie Hintergrundmusik sein sollte, wenn auch ein wenig insignifikant. Ein wenig wie ein Ritt auf einem fliegenden Teppich auf Gras ist der Song "This is Cairo", der den Spieler gleich im Intro auf sehr humoristische Art und Weise mit poppigem Sound und leichten Texten (über deren tieferen Sinn man sich sicherlich streiten kann) einlädt und in die Welt von 'Ankh' entführt.
'Ankh'! Dem begeisterten Adventurefreund braucht man kaum mehr als ein Schlagwort entgegen zu schleudern und schon ist der Fanboy-Modus aktiviert und jegliches Aufnahmevermögen bezüglich mehr oder weniger konstruktiver Kritik ist nicht mehr möglich. Nein, 'Ankh' braucht den Vergleich mit Spielen des ehemals heilig gesprochenen, jetzt meistgefluchtetsten kalifornischen Spieleherstellers nicht zu scheuen. Vor allem 'Flucht von Monkey Island' ist durchaus für einen direkten Vergleich tauglich, schon eine Menge Lob für ein noch junges Team aus Frankfurt, die sich selbst als absolute Fans bezeichnen. Allerdings muss sich 'Ankh' auch die bereits ausführlich besprochenen Kritikpunkte gefallen lassen, denn die Grafik ist beispielsweise wirklich alles andere als up to date. Natürlich sollte die Grafik gerade bei einem Adventure nicht ausschlaggebend für eine Wertung sein, und - das ist sie auch nicht. Aber sie passt so genau in das Bild, dass sich bezüglich 'Ankh' in mein Gedächtnis gebrannt hat: Nett, nicht weniger, aber wirklich auch nicht mehr. Nach den sehr, sehr kurzen acht Stunden Spielzeit blieb mir außer ein paar Schmunzlern nicht viel übrig. Zu oberflächlich waren die Charaktere, zu uninteressant die Story und zu sehr überrollten die lahmen, die wirklich treffenden, pointierten Witze. Es hat Spaß gemacht? Ja. Es war auch lustig? Ja. Aber hat es einen wirklich bleibenden Eindruck hinterlassen? Nein. Ein bisschen wie Popcorn-Kino, man wurde nett unterhalten, aber man geht unbeschwert und ohne eine Träne vergossen zu haben nach Hause und zurück ins Leben.
Trotzdem kann man guten Gewissens eine uneingeschränkte Kaufempfehlung aussprechen, denn um es nochmal zu betonen: Das Erstlingswerk von Deck13 macht Lust auf mehr, Lust auf Entwicklung und Innovation. Veteranen wie Novizen werden hier auf jeden Fall auf ihre Kosten kommen, wenn sie ihre rosarote Brille für einen Moment absetzen und sich unbeschwert über ein wirklich nettes Spiel freuen können.
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Ankh
- Entwickler
- Deck13 Interactive
- Publisher
- Rebel Games
- Release
- 4. November 2005
- Spielzeit
- 10 Stunden
- Trailer
- Hier ansehen • Bei Youtube ansehen
- Webseite
- http://www.ankh-game.de/
- Sprachen
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