Benoît Sokal ist zurück. Gut ein Jahr nach dem eher schwachen 'Paradise' schickt der Chefentwickler der White Birds Productions mit 'Sinking Island' ein Krimi-Adventure in den Ring. Ermittler Jack Norm wird auf die Insel Sagorah geschickt, um dort den Tod des eigenwilligen Milliardär Walter Jones zu untersuchen. War es Selbstmord, Mord oder ein Unfall? Diese Frage führt Jack Norm in ein Rennen gegen die Zeit, denn die Insel droht zu versinken. Wird es Jack Norm gelingen, den Fall rechtzeitig aufzuklären?

Wie starb Walter Jones?
Das ist die alles entscheidende Frage in 'Sinking Island – Mord im Paradies'. Das es sich bei der Todesursache weder um einen Unfall noch um einen Selbstmord handelt, wird spätestens beim Lesen des Untertitels deutlich. Obwohl Jack Norm die Verpackung des Spiels nicht kennt, wird auch ihm recht schnell klar, dass es sich bei dem Todesfall nur um Mord handeln kann. Und schon steht er mitten in den Ermittlungen und sieht sich zehn Verdächtigen gegenüber, die allesamt ein Geheimnis und ein Motiv zu haben scheinen. Da wäre zuallererst der Star-Anwalt des Verstorbenen, Hubert de Nolent. Er war der engste Vertraute von Walter Jones, dennoch steht fest: Niemand sonst vertraut ihm. Lorenzo Battaglieri ist der verantwortliche Architekt des Jones-Turm auf der Insel Sagorah. Der verstorbene Walter Jones beauftragte ihn, den Turm zu vergrößern, unter Missachtung sämtlicher Sicherheitsstandards. Jetzt machen alle den Architekten dafür verantwortlich, dass der Turm und mit ihm die Insel dem Untergang geweiht ist. Ein Motiv hätten auch die Inselbewohner Kolio Jumhu und seine Tochter Baina, in die Walter Jones verliebt war. Baina spricht seit einem schrecklichen Unfall, der auch Walter Jones an den Rollstuhl fesselte, kein Wort mehr. Kolio hingegen gehört die Insel, auf der Jones seinen riesigen Turm gebaut hat. Er wirft Jones vor, durch diesen Turm die Geister der Insel verärgert zu haben. Dann sind da noch die Enkel von Walter Jones, die ebenfalls in dem Turm weilten, als ihr Großvater starb. Sonia Abruzzi-Jones und ihr Mann Martin, die finanzielle Probleme haben, der Spieler Billy Jones und seine Frau Clara, die noch immer an das Gute in ihrem Mann glaubt, obwohl durch seine Spielschulden bereits die Firma ihres Vaters in den Ruin getrieben wurde und der Politiker Marco Jones mit seiner Freundin Cristina Bromski. Marco, der stark an einen gewissen US-Gouverneur österreichischer Abstammung erinnert, genoss die volle Unterstützung seines Großvaters im Wahlkampf, seit er jedoch eine russische Freundin hat, ist auch er in Ungnade gefallen.
Als wäre die schiere Anzahl von Verdächtigen nicht schon genug, gibt es noch ein weiteres Problem. Die Insel Sagorah droht in einem Unwetter zu versinken. Grund ist der gewaltige Jones-Turm, der für die Koralleninsel zu schwer ist und sie unaufhaltsam in die Tiefe drückt. Durch die Stürme während des Unwetters verschlechtert sich die Situation rapide und Jack Norm bleiben gerade einmal drei Tage, um das Verbrechen aufzuklären.
Urlaub im Paradies?
Nein, Urlaubsstimmung mag in 'Sinking Island' wahrlich nicht aufkommen. Es regnet in Strömen, ständig zucken Blitze am Himmel und die Palmen am Strand biegen sich im Sturm. Auch wenn das Wetter wirklich Mist ist, sah es am PC selten schöner aus. Die Palmen bewegen sich realistisch, Sand vom Strand wird aufgewirbelt und fliegt durch die Luft – die Grafiker schaffen ein wirklich realistisches Unwetter auf die heimischen PC-Monitore. Als absoluten Gegensatz zu der Inselwelt wirkt der monströse Turm, der nicht nur Jack beim ersten Betreten zum Staunen bringt. Man betritt eine ganz andere Welt und fühlt sich in einen New Yorker Wolkenkratzer aus den Sechziger Jahren versetzt. Der damalige Baustil war auch für den Architekten des Turms wegweisend. Im Turm selbst sind die Hintergründe nur wenig animiert, dafür aber sehr schön und mit Liebe zum Detail gestaltet. Durch die recht düstere Umgebung macht sich auch gleich eine beklemmende und unheimliche Stimmung breit und man mag Jack Norm glauben, wenn er lieber heute als morgen von dieser Insel verschwinden möchte. Dennoch strotzt der Turm vor Luxus, was die Szenarien interessant macht. Die Stimmung wird hervorragend durch Hintergrundgeräusche und den unauffälligen, aber sehr guten Soundtrack unterstützt. So schafft es 'Sinking Island', den Spieler schnell an den Monitor zu fesseln und so schnell nicht wieder loszulassen.
Bald kommt die Flut
Nicht nur der Turm droht zu versinken, auch Jack Norm und mit ihm der Spieler sieht sich einer schieren Flut von Hinweisen, Beweisen und Aussagen konfrontiert. Dass man dennoch die Übersicht behält, dafür sorgt der PPA, der Personal Police Assistant. In diesem Gerät werden alle wichtigen Aussagen, Dokumente, Fotos und Beweise gesammelt und automatisch sortiert. Die Aussagen werden den Personen zugeordnet und können jederzeit in einer Kurzzusammenfassung gelesen oder als ungeschnittene Aussage angehört werden. So entgeht Jack Norm nicht die kleinste Unstimmigkeit aus den Gesprächen. Alle Dokumente können gelesen werden. Und das sollten sie auch, denn dadurch erfährt man jede Menge Details der spannenden Geschichte. Fotos und Beweise können über einen Assistenten verglichen werden, um beispielsweise Fingerabdrücke einer Tatwaffe zuzuordnen. Eine weitere wichtige Funktion des PPAs besteht darin, Jack Norm die aktuell zu beantwortenden Fragen zu stellen. Insgesamt zwölf dieser Fragen müssen beantwortet werden, bis der Täter überführt und der Tod von Walter Jones aufgeklärt ist. Die erste Frage beantwortet sich noch sehr leicht, denn Jack Norm findet alles, was er dafür benötigt im ersten Bildschirm des Spiels, der zu diesem Zeitpunkt auch nicht verlassen werden kann. Bei der Beantwortung der Fragen hilft auch ein Statusbalken, der den Fortschritt bei der Lösung anzeigt. Wenn der Balken komplett gefüllt ist, müssen nur noch die entsprechenden Indizien und Aussagen richtig kombiniert werden. Ist eine Frage dann richtig beantwortet worden, ruft Jack seinen Vorgesetzten an und unterrichtet ihn über den Fortschritt der Ermittlungen. Aus diesen Gesprächen entwickeln sich dann immer die nächsten Fragen, deren Beantwortung sich unterschiedlich schwer gestaltet. Bereits nach der Beantwortung der ersten Frage, die als Tutorial gilt, stehen Jack jede Menge Räume und die ganze Insel als Umgebung zur Verfügung. Außerdem trifft Jack auch schon alle der zehn Verdächtigen und kann sie mit Fragen löchern. Die Anzahl der Locations und Personen sorgt beim Spieler schnell für Verwirrung und man verläuft sich auch schon einmal oder findet einfach den Ort nicht, an dem sich die Personen aufhalten sollen. Das ändert sich ab dem zweiten Tag. Zwar kommen dann auch wieder einige Räume hinzu, aber die Insel beginnt bereits zu sinken und alles steht einige Meter unter Wasser, von der Insel selbst ist nichts mehr zu sehen, auch die Eingangshalle des Turms ist nicht mehr erreichbar. Ab dem dritten Tag wird es dann sehr eng im eigentlich riesigen Turm. Das Wasser ist weiter gestiegen und auch der Lift, der die oberen Etagen mit dem Erdgeschoss verbunden hat, funktioniert nicht mehr. Das hat noch dazu den Vorteil, dass auch die Verdächtigen nicht mehr so weit verteilt sind. Diese führen nämlich ein Eigenleben und bewegen sich relativ frei auf der Insel und im Turm. Zum Glück zeigt Jacks PPA auch an, wo sich gerade wer aufhält. Leider aber ohne Karte vom Turm, so dass man zwar herausfindet, dass sich der gesuchte Gesprächspartner in der Bücherei aufhält. Wo aber die Bücherei ist, das wird dem Spieler nicht verraten. Jack Norm muss wohl oder übel den Turm samt Umgebung erkunden.
Die Zeit läuft
Wie schon angesprochen hat Jack Norm genau drei Tage Zeit, den Mordfall Walter Jones aufzuklären. Damit auch beim Spieler ein gewisser Zeitdruck aufkommt, darf man zu Beginn des Spiels zwischen verschiedenen Modi wählen. Im Spiel gegen die Zeit muss jedes der zwölf Rätsel bis zu einer bestimmten Uhrzeit gelöst worden sein. Schafft Jack das nicht, wird er entweder gefeuert, vom Fall abgezogen oder versinkt mit der Insel im Meer. Danach kann der Spieler eines der Savegames laden, die man pro Rätsel in beliebiger Anzahl anlegen kann und die das Spiel auch selbstständig beim Lösen eines der zwölf Rätsel anlegt. Hier kann man sich auch einen Hilfemodus einschalten, der die jeweils richtigen Antworten für die Lösung des Rätsels mit einem grünen Rahmen markiert. Vorausgesetzt, Jack hat den Beweis schon erhalten. Da die schiere Anzahl der Räume den Spieler beim ersten Spielen fast erdrückt, wird wohl kaum jemand diesen Modus für das erste Spiel wählen.
Aber auch im Abenteuermodus ist Jack nicht völlig frei von der Uhr. Der Zeitrahmen ist zwar sehr großzügig gesteckt, dennoch kann man sich für einige Untersuchungen nicht ewig Zeit lassen. Die Leiche von Walter Jones wird zum Beispiel nach einer gewissen Zeit abtransportiert. Bis dahin muss Jack alle Untersuchungen an dem Körper durchgeführt haben. Der Abtransport wird ihm jedoch früh genug per Handy mitgeteilt, man kann also noch einmal einen Blick auf den Toten werfen. Weitere zeitabhängige Aktionen bringen Jack immer mal wieder in den Speisesaal oder in sein Zimmer. Da diese Aktionen selbstständig und ohne Vorwarnung eintreten, kann es schon einmal vorkommen, dass man viele Screens weit gelaufen ist, um einen bestimmten Verdächtigen zu befragen. Kurz vor dem Gespräch bekommt Jack Hunger und man findet sich direkt im Speisesaal wieder, wo man Jack beim Verspeisen eines Baguettes beobachten kann. Danach muss man den Verdächtigen erneut suchen. Immerhin ist Jack so intelligent, selbst für Essen zu sorgen, Nahrung braucht man nicht zu suchen.
Alles mitnehmen!
Diesen Tipp muss man Adventurespielern eigentlich nicht geben. Dennoch ist er bei 'Sinking Island – Mord im Paradies' angebracht. Der Grund dafür liegt in der Art der Rätsel. Da Beweise nur im PPA aufgenommen werden können und das Inventar ausschließlich für Werkzeuge genutzt wird, die Jack für die Ermittlungsarbeit nutzt, können gewisse Gegenstände nicht sofort mitgenommen werden. Das schönste Beispiel in diesem Zusammenhang ist eine Flasche Leinöl, die Jack im Laufe der Ermittlungen findet. Klickt man diese Flasche an, bekommt man die Information, dass Walter Jones seine Waffen gut gepflegt hat. Diese Information hilft auch beim Finden der Tatwaffe. Wenn man jetzt denkt, dass diese Information alles war, täuscht sich. Der Fall kann nur gelöst werden, wenn Jack die Flasche Leinöl als Beweis eingesteckt hat. Dafür muss er sie vorher noch mit einem Stück aus dem Inventar kombinieren, was wiederum zu einem Beweisstück führt. Erst danach kann die Flasche endlich mitgenommen werden. Schöner wäre es gewesen, wenn die Flasche zuerst in das Inventar gewandert wäre, wo sie dann weiter untersucht werden kann, das hätte einige unnötige Wege vermeiden können.
Wer suchet, der findet
Leider verfügt 'Sinking Island' nicht über einen Hotspot-Finder. Da die Interessanten Gegenstände außerdem sehr gut in die Hintergründe integriert wurden, ist es oftmals gar nicht so einfach, alles zu finden. Immerhin beginnt der Mauszeiger zu leuchten, wenn man ihn in die Nähe eines interessanten Gegenstandes bewegt. Je nachdem, was Jack mit dem Gegenstand machen kann, verändert sich die Form. Jack kann Abdrücke fotografieren, Gegenstände untersuchen oder mitnehmen und Gegenstände aus dem Inventar darauf benutzen. Ein Doppelklick auf einen begehbaren Punkt oder auf einen Ausgang lässt Jack dorthin rennen. Er kann aber nicht direkt zum nächsten Raum wechseln, auch eine Karte fehlt, wie schon angesprochen. Da einige Screens nur zum Durchlaufen ins Spiel eingebaut wurden, wäre eine solche Funktion nicht schlecht gewesen.
Red mit mir!Ein sehr wichtiger Teil in den Ermittlungen sind natürlich die Gespräche mit den Verdächtigen und Zeugen. Bei den Dialogen werden Jack und sein Gesprächspartner eingeblendet und man sieht immer den jeweils sprechenden Charakter von vorn. Die einzelnen Gesprächsthemen werden in vier Kategorien eingeordnet. Jack hat die Wahl, über gesammelte Beweisstücke, Zeugenaussagen, Puzzleteile oder andere Personen zu reden. Es werden nur Themen angezeigt, die für Jack zurzeit wichtig sind und die noch nicht mit dem Gesprächspartner besprochen wurden.
Die Gespräche, in denen Jack auch jede Menge Hintergrundinformationen erfährt, bringt auch die anderen Personen sehr gut in das Spiel ein. Die Entwickler schaffen es, jeder Figur eine Persönlichkeit zu geben und bereits nach einigen Gesprächen empfindet der Spieler für die Figuren Sympathie oder tritt ihnen argwöhnisch entgegen. Es könnte alles wirklich schön sein, doch leider wird bei den Gesprächen auch ein großer Schwachpunkt des Spiels deutlich. In die Gesichtsanimationen hätten die Entwickler ruhig etwas mehr Zeit investieren dürfen, denn die Gesichter bewegen sich nur wenig. Dennoch laufen die Dialoge Lippensynchron ab. Für die etwas schwächere Animation entschädigen die sehr guten deutschen Synchronsprecher, auch die Übersetzung kommt ohne größere Schnitzer daher. Alles in allem sind es gerade die Gespräche, die 'Sinking Island' zu einem sehr guten Krimi-Adventure machen.
Insel-Technik
Die Grafik von 'Sinking Island' kann sich wirklich sehen lassen. Die wunderschön gezeichneten Hintergründe kommen in 1024x768 Bildpunkten und lassen sich für 16:9 beziehungsweise 16:10 Bildschirme entsprechend anpassen. Die dreidimensionalen Figuren fügen sich dank bis zu vierfachen Antialiasing nahtlos in die Umgebung ein. Schattenwurf, Wettereffekte, Dampf oder Rauch sehen ebenfalls hervorragend aus. Zwischensequenzen laufen größtenteils in Spielgrafik ab. Aber auch die Filme, die man immer mal wieder zu sehen bekommt, hinterlassen einen sehr guten Eindruck. Untertitel lassen sich auf Wunsch hinzuschalten, für Hintergrundgeräusche, Musik und Sprachausgabe gibt es eigene Lautstärkeregler, auch die Details lassen sich herunterregeln um das Spiel auf betagteren Rechnern flüssig spielen zu können.
Die Geschichte um den rätselhaften Mord wird nie langweilig und beschäftigt selbst erfahrene Spieler weit länger als zehn Stunden. Dadurch, dass immer mehrere Fragen zu lösen sind und sich die Figuren relativ frei bewegen, gibt es unterschiedliche Wege, zum Ziel zu kommen. Alle diese Wege führen jedoch zum selben Ende.

Mit 'Sinking Island – Mord im Paradies' haben uns Daedalic und Xider eines der besten Krimi-Adventures der letzten Zeit beschert. Mit den charismatischen Figuren, einer spannenden Geschichte und der ausgezeichneten Atmosphäre zieht es den Spieler in seinen Bann und lässt ihn so schnell nicht wieder los. Über kleinere Schwächen in der Animation sieht man dank der interessanten und gut synchronisierten Dialoge gern hinweg. Dank des nicht linearen Spielaufbaus und der Möglichkeit des „Gegen die Zeit“-Spiels als zusätzliche Option findet man auch für ein wiederholtes Spielen Motivation.
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Sinking Island
- Entwickler
- White Birds Productions
- Publisher
- Xider
- Release
- 5. Oktober 2007
- Auszeichnungen
- Adventure Corner Award
- Webseite
- http://www.sinkingisland.de
- Sprachen
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- Systeme
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- Stichwörter
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