Die Berliner Entwickler Silver Style Entertainment scheinen sich auf Fantasy-Adventures zu spezialisieren. Nachdem mit 'Simon the Sorcerer: Chaos ist das halbe Leben' bereits vor einigen Monaten eine Fortsetzung der bekannten Magier-Serie erschien, schickt man jetzt in 'Everlight: Elfen an die Macht' einen weiteren Teenager in eine Zauberwelt. Auf den ersten Blick könnte es sich also einfach um einen Abklatsch der Geschichte um Simon handeln. Warum 'Everlight' aber viel mehr ist, als 'Simon 5' verraten wir in unserem Review.

Von Hütchen und Kerzen
Der jugendliche Protagonist Melvin sucht vor einem Platzregen Schutz und betritt das nächstbeste Geschäft. Dabei handelt es sich um den Kerzenladen eines gewissen Mr. Teeth. Während Melvin sich noch darüber wundert, dass sich ein Geschäft allein vom Kerzenverkauf halten lässt, überredet ihn der skurrile Ladenbesitzer zu einem Hütchenspiel. Melvin soll eine magische Flamme unter einem von drei Bechern finden. Das Besondere an der Flamme ist, dass sie einfach so in der Luft brennt, ganz ohne Kerze oder andere Hilfsmittel. Und natürlich wäre diese Flamme nicht magisch, wenn sie es nicht Melvin ermöglichen würde, sie auch zu finden. Nachdem Melvin also eine erstaunlich hohe Trefferquote im Hütchenspiel bewiesen hat, macht ihm Mr. Teeth ein Angebot, das er nach kurzem Überlegen auch annimmt: Er wird von Mr. Teeth in die magische Stadt Tallen geschickt.
Und die Stadt Tallen hat wirklich alles, was eine magische Stadt benötigt: Fabelwesen, jede Menge seltsamer Einwohner und natürlich auch Fabelwesen. So ist auch die erste Einwohnerin auf die Melvin trifft, eine Elfe namens Fenny. Doch Fenny hat ein Problem: Sie wurde in einen Käfig gesperrt. Da sich Melvin Hoffnung auf drei freie Wünsche macht, wird die Fee flugs befreit. Doch weit gefehlt: Die Fee stellt sich als Melvins spirituelle Führerin vor und aus den drei Wünschen werden fünf Aufgaben, die Melvin zu bestehen hat und die ihn mit seinen schlimmsten Ängsten konfrontieren werden. Nebenbei erlernt Melvin die Magie. Doch das ist noch nicht alles. Natürlich gehört zu einer ordentlichen Fantasystadt auch ein Fluch. Tallen macht da keine Ausnahme, denn das ansonsten eher ruhige Städtchen entwickelt sich des Nachts zu einem Sündenpfuhl, in dem die Bewohner dazu gezwungen werden, ihren Lastern wie Trink- oder Spielsucht nachzugehen. Natürlich kann Melvin dem Treiben nicht Tatenlos zusehen und versucht, die Stadt von ihrem Fluch zu befreien. Im Laufe der Zeit lernt Melvin Tallens Einwohner besser kennen und findet sogar einige Freunde. Zur besten Freundin entwickelt sich aber Elfe Fenny, die Melvin nicht mehr von der Seite weicht. Sie ist es auch, die Melvin die magische Welt von Tallen erklärt und ihm so manches Mal unter die Arme greift.
Fabelhafte Fantasywelt Sicher, der Anfang von 'Everlight' wirkt ein wenig an den Haaren herbeigezogen, denn welcher Teenager würde sich schon ohne weiteres mal eben in eine völlig fremde Welt Teleportieren lassen, nur um den Einwohnern sofort bei der Fluchbekämpfung zu helfen? So scheint zumindest Anfangs jegliche Motivation für Melvin zu fehlen. Trotzdem weis die Geschichte zu fesseln, denn je mehr Melvin die Stadt und ihre skurrilen aber liebenswerten Bewohner kennen lernt, umso eher möchte man auch selbst den Fluch aufheben. Leider kommt das Ende dann doch recht plötzlich und kann somit auch nicht völlig überzeugen. Dafür ist der Hauptteil aber umso besser und motiviert zum Weiterspielen. Fans von bekannten Fantasywerken wie beispielsweise den Scheibenweltromanen werden übrigens einige Ähnlichkeiten erkennen, Silver Style Entertainment scheint sich bei den Größen den Genres einige Inspiration geholt zu haben. Kenner fühlen sich dadurch aber auch schnell zu Hause. Ähnlich wie in den Scheibenweltromanen gibt es in 'Everlight' auch jede Menge zu lachen. Besonders die Kommentare von Fenny sorgen für den einen oder anderen Schmunzler. Doch es geht auch Deftig zur Sache, einige der Witze oder Anspielungen gehen arg weit unter die Gürtellinie, was sicherlich nicht jedermanns Sache ist. Dazu wird auch auf aktuelles Geschehen angespielt, Günter Beckstein bekommt ebenso sein Fett weg, wie Partyblondine Paris Hilton.
Simon oder Harry?
Eine gewisse Ähnlichkeit mit dem wohl bekanntesten Zauberer der Neuzeit kann man Melvin nicht absprechen. Neben seinem Aussehen sorgt vor allem seine Stimme für Verwechslungen, denn er wird Timm Schwarzmaier gesprochen, der auch schon dem deutschen Harry Potter seine Stimme lieh. Dennoch eine gute Wahl, die Silver Style Entertainment getroffen hat – die Stimme passt einfach auf junge Nachwuchszauberer. Ebenso hochkarätige Sprecher sorgen auch bei allen anderen Charakteren dafür, dass die Qualität der Vertonung stimmt. Leider trifft das nicht auf die Lippenbewegungen zu. Meistens bewegen sich die Lippen sogar schon vor oder nach dem Satz, den die Figur sagt. Zum Ausgleich wurde darauf geachtet, möglichst realistische Kopfbewegungen einzubauen. Die Figuren sehen sich an, wenn sie miteinander reden, bewegen die Augen oder sehen vorbeigehenden Figuren hinterher, was ihnen mehr Leben einhaucht. Wenn auch manchmal etwas hölzern wirken die Bewegungen der dreidimensionalen Figuren durchaus flüssig und Hochwertig. Auf die Hintergrundgrafiken trifft das noch mehr zu als auf die Figuren. Die Welt von Tallen ist mit Liebe zum Detail gestaltet und gehören mit zu dem Besten, was zurzeit in Adventures bewundert werden darf. Zwar liegen sie nur in 1024x768 Pixeln vor, aber durch die zum Teil vorgerenderten Objekte, die mit Zeichnungen und Fotos kombiniert wurden, entsteht ein sehr plastisch wirkender Grafikstil. Auch die Nachtansichten der Hintergründe tut hier keinen Abbruch. So schön die Hintergrundgrafiken auch sind, eines fehlt ihnen dann doch. Die Welt von Tallen wirkt arg ruhig. Zwar ziehen Wolken vorbei, die auf den Böden ein Licht- und Schattenspiel veranstalten, aber viel mehr Hintergrundanimationen bekommt man auch nicht zu Gesicht. Dafür sehen die für den Effekt verantwortlichen Wolken für ein Computerspiel überraschend realistisch aus und fügen sich somit prima in die Hintergründe ein. Leider gibt es einfach zu wenige der tollen Hintergründe, das gesamte Spiel findet in der Stadt Tallen statt, was dann doch irgendwann zu dem Wunsch nach Abwechslung führt.
Mordballaden
Der Soundtrack zu 'Everlight' stammt aus bekannter Feder: Dem Komponisten der Band Organge Blue, Vince Bahrdt. Aus dessen Album 'Mordballaden' stammt der stimmungsvolle Theme, der hervorragend zum Spiel passt. Die Grundmelodie zieht sich durch alle Stücke und wird so immer der aktuellen Stimmung angepasst. Allerdings fehlt dem Spiel eine Loop-Funktion, die für eine Endlosbeschallung sorgt. So kommt es dazu, dass irgendwann die Musik zu ende ist und auch nicht wieder gestartet wird, bis man den Schauplatz wechselt.
Die vierte Dimension Ja, 'Everlight' geht über die inzwischen auch in Adventures üblichen drei Dimensionen hinaus und fügt mit der Zeit eine vierte Dimension ein. Diese dient jedoch nur der Rätsellösung. Viele Möglichkeiten entwickeln sich erst in der Nacht durch die umtriebigen Bewohner, müssen von Malvin aber bereits am Tage vorbereitet werden. Der Tag und Nachtwechsel funktioniert problemlos und beliebig oft über einen Knopf im Inventar. Trotz der zusätzlichen Möglichkeit mit den Nachträtseln wird die Problemstellung aber nie unfair. Den Spieler erwarten in 'Everlight' nämlich ausschließlich Kombinations- und Inventarrätsel, die fast durchweg logisch sind und größtenteils nicht linear sind. Dennoch lassen sich einige Rätsel nur in einer festgelegten Reihenfolge lösen, was dann doch verwundert. So kann es dazu kommen, dass man festhängt, obwohl man die Lösung eigentlich schon im Kopf hat.
Licht in der Dunkelheit
Sollte man dennoch einmal nicht weiterkommen, steht Fanny hilfreich zur Seite. In ihrem Tagebuch notiert die Elfe nicht nur erledigte Aufgaben und versieht diese mit lockeren Sprüchen. Sie führt ebenso Buch über noch nicht erledigte Aufgaben. Vergessen kann Melvin also selbst nach langen Spielpausen nichts. Zusätzlich gibt es noch die Möglichkeit, Kerzen zu entzünden. Bis zu drei Kerzen lassen sich pro Aufgabe entzünden, jede Kerze verrät etwas mehr von der Lösung. Damit man nun aber nicht immer Kerzen entzündet, kann man vor Spielbeginn durch die Wahl des Schwierigkeitsgrades entscheiden, wie viele Kerzen für das Spiel insgesamt zur Verfügung stehen. Zusätzliche Hilfe bringt die Hotspotanzeige, mit der man sich wahlweise alle Hotspots, nur Ausgänge oder nur Gegenstände anzeigen lassen kann.
Fantastische Bewegung
Bei der Steuerung hat man in 'Everlight' auf Bewährtes zurückgegriffen. Per Linksklick geht Melvin durch die Stadt, ein Doppelklick lässt ihn Laufen oder wechselt direkt zum nächsten Screen. Eine Karte sorgt zusätzlich für flinke Fortbewegung in Tallen. Gegenstände lassen sich per Rechtsklick ansehen, ein Klick mit der linken Maustaste führt die mögliche Aktion aus, von der es pro Gegenstand immer nur Eine gibt.

Auch wenn die Geschichte einige Schwachstellen aufweist, ist Silver Style Entertainment und TGC mit 'Everlight: Elfen an die Macht' ein wirklich tolles Adventure gelungen. Über die kleinen Schwächen in der Grafik und dem Sound sieht man gern hinweg, schon allein, weil es endlich mal wieder ein Spiel schafft, wirklich überzeugende und sympathische, nicht austauschbare Charaktere zu erschaffen. Das innovative Rätsel-Design mit dem Tag-Nacht-Wechsel und dem gelungenen Hilfesystem suchen bisher ihresgleichen. Unterm Strich bleibt die Feststellung, dass Melvin der bessere Simon ist. Jeder Spieler, der sich auch nur ein bisschen für Fantasy interessiert, darf bedenkenlos zugreifen!
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Everlight: Elfen an die Macht!
- Entwickler
- Silver Style Entertainment
- Publisher
- TGC - The Games Company
- Release
- 26. September 2007
- Auszeichnungen
- Adventure Corner Award
- Trailer
- Hier ansehen • Bei Youtube ansehen
- Webseite
- http://www.everlight-game.de/
- Sprachen
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- Systeme
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- Stichwörter
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