Als vor einem knappen Jahr City Interactive ihr Adventure-Debüt 'Die Kunst des Mordens: Geheimakte F.B.I.' veröffentlichten, attestierten wir dem Spiel trotz aller Mängel immerhin einen gewissen Unterhaltungswert und durchaus ungenutztes Potential für künftige Titel. Und nur knappe 12 Monate später, steht nach dem Vorgänger und 'Testament of Sin' mittlerweile schon das dritte Adventure des selben Teams ins Haus, was bei so einigen das Gefühl schüren dürfte, es hier mit einer Praxis von liebloser Massenabfertigung zu tun zu haben, die mit so wenig Aufwand wie möglich, netter Grafik und relativ günstigem Preis einen Teil des kleinen Adventurekuchens abbekommen möchte. Zu bewundern war dieses Prinzip auch schon bei City Interactives Gehversuchen in anderen Genres, wie etwa grottenschlechten Ego-Shooter-Klonen. Wir haben 'Die Kunst des Mordens: Der Marionettenspieler' genauer unter die Lupe genommen und auch auf mittlerweile entstandene Befürchtungen untersucht.

Nicole Bonnet kehrt zurück
Wer Teil 1 gespielt hat, wird sich an Hauptfigur Nicole Bonnet, die mehr oder minder smarte FBI-Agentin erinnern. Dummerweise haben wir im ersten Teil nie mehr über sie erfahren, als dass sie FBI-Agentin ist, da der Entwickler komplett auf so unwichtige Dinge wie Charakterausarbeitung verzichtet hat und leider weiß ich nach Beendigung des zweiten Teils über Nicole Bonnet immer noch nicht mehr, außer, dass sie… na ja, eben FBI-Agentin ist. Aber ok, lassen wir uns davon erstmal nicht aufhalten. Jedenfalls werden wir zu Beginn des Spiels Zeuge, wie Nicole nach Paris geschickt wird, um im Falle eines Serienmörders zu ermitteln, den es scheinbar aus den USA nach Frankreich verschlagen hat. Da die hiesigen Cops ,herrlich klischeefrei, leider ein Haufen ignoranter, inkompetenter und gleichzeitig unfreundlicher Zeitgenossen sind, sieht sich Nicole auf sich allein gestellt und beginnt sich auf eigene Faust auf die Spur des Mörders zu begeben, der bei seinen Opfern stets eine altmodische Puppe hinterlässt. Wahrscheinlich aus dem Grund, dass die Grafikengine sich neben finsteren Pariser Nacht-Kulissen auch ganz gut für farbenfrohere, wärmere Gefilde eignet, und man neben den Käufern von 'Still Life' gerne auch die von 'Geheimakte Tunguska' einsacken möchte, beginnt ein weiteres Mal eine Verfolgung quer über den Globus. Dabei scheint der Killer Nicole stets einen Schritt voraus zu sein. Anscheinend steht die Motivation des Marionettenspielers dabei in Verbindung mit Geschehnissen zu Zeiten der französischen Revolution (auch wenn die Erklärungsansätze im ganzen Spiel mit ein paar wenigen Sätzen erzählt sind). So stolpern wir in einem beeindruckenden Netzwerk aus zum Teil erneut haarsträubenden Logikfehlern durch Kuba, Spanien, Frankreich und fragen uns, ob City Interactivebei ihrem Adventure-Department nicht auch irgendwann mal – wo wir schon bei der französischen Revolution sind- die Guillotine anlegen sollte.
Die Steuerung
Die Handhabung entspricht komplett der des ersten Teils: Rechts unten am Bildrand befinden sich Tagebuch, Handy (das während des Spiels so gut wie nie benötigt wird), die Hotspot-Anzeige und das Optionsmenü. Ebenfalls am unteren Bildschirmrand finden wir unser Inventar, indem wir manche Gegenstände per Linksklick manipulieren können, z.B. dann, wenn es darum geht, eine Dose in unserem Gepäck zu öffnen. Per rechter Maustaste können wir uns die Nahansicht eines Gegenstands anzeigen lassen, in der Nicole meist einen kurzen Einzeiler serviert. Um Gegenstände kombinieren zu können, dürften wir uns allerdings nicht in der Nahansicht befinden, warum… das weiß kein Mensch. Nicole dirigieren wir per Linksklick durch die Gegend, nach doppeltem Klick legt die Dame einen Zahn zu. Fahren wir mit dem Maussymbol über einen Gegenstand, wird uns angezeigt in welcher Form wir mit ihm interagieren können. Können wir ihn betrachten, zeigt sich uns ein Augen-Symbol, woraufhin wir mit der rechten Maustaste das Item inspizieren. Können wir einen Gegenstand nehmen, oder versuchen zu nehmen, wird uns dies per Hand-Symbol gezeigt, woraufhin wir die linke Maustaste betätigen, gleiches gilt für weitere Interaktionsmöglichkeiten, wie z.B. dem Öffnen eines Schrankes.
Das geht so nicht
Ein Baustein der Sparsamkeit, die der City Interactive- Veröffentlichungspolitik zugrunde liegen dürfte: Wie auch im Vorgänger, wurde sowenig Text und Sprache wie nur irgendwie möglich zusammengestellt, was dazu führt, dass wir im Laufe des Spiels gefühlte Hunderte Male eine Reihe von Standardsätzen wie „Das geht so nicht“, „Denk nach Nicole“, „Wir brauchen eine andere Lösung“ hören werden. Da es hier extrem linear vor sich geht, ist es von unablässiger Wichtigkeit, wirklich jeden noch so unscheinbaren Hotspot anzuklicken, denn es kann gerne mal ein winziges Detail oder eine teils ebenso winzige Erkenntnis sein, die uns unseren nächsten Schritt ermöglicht. Aufgrund der Tatsache, dass wir viele Items erst nehmen können, wenn wir sie wirklich benötigen, müssen wir bereits angeklickte Hotspots im Laufe des Spiels wieder und wieder (teilweise rein auf Verdacht) frequentieren.
Und da das Spiel, eben aufgrund dieser starken Linearität samt den erst später einsackbaren Items und den Trial and Error-Versuchen, die gerne mal aus den nicht immer sehr erhellenden Rätseln entstehen, zur wilden, unmotivierten Bildschirm-Abklickerei werden kann , fühlt man sich doch gelegentlich vom Wunsch beseelt, die an und für sich gelungene Sprachausgabe abzustellen und nicht zum x. Mal innerhalb von wenigen Minuten die selben Standardphrasen zu hören.
Gameplay
Wir sammeln also Beweisstücke, klappern sämtliche Hotspots wieder und wieder ab, da Ereignis X Begebenheit Y ausgelöst haben könnte, und ein vorher nutzloser Hotspot plötzlich eine Bedeutung bekommt. Ansonsten wenden wir heiter Inventargegenstände auf unsere Umwelt an, kombinieren diese untereinander im Mc Gyver-Gedächtnisstil zu neuen Gegenständen, die nicht gerade immer im Vorhinein einleuchtend sind. Praktisch ist dabei, dass nach einzelnen Abschnitten unwichtig gewordene Inventargegenstände automatisch entfernt werden, so dass potentielle Inventarkombinationen stets recht überschaubar bleiben. Was Inventarrätsel generell angeht, lässt sich festhalten, dass man so ziemlich jedes (der zumeist sehr konstruierten) Rätsel so - oder fast genau so- bereits in einem anderen Spiel oder im Vorgänger gesehen hat, im Falle der anderen Spiele aber zumeist besser und weniger ideenlos aneinandergesetzt. So frage ich mich zB. , wie viele undichte Reifenschläuche ich in meinem Adventureleben eigentlich noch umständlich zusammenflicken muss, bei einem Spiel, in dem auch noch der inhaltliche Motor so laut stottert wie hier, ein sehr demotivierendes Ärgernis.
Zum Verständnis, wie dieses Beispiel und sein Vorlauf in der Praxis aussieht: Wir finden das nächste potentielle Opfer des Marionettenspielers in Spanien. Bis wir ihn aber endlich überzeugt haben, dass er in Gefahr ist, bewegen wir uns im fließenden Wechsel zwischen zwei verschiedenen Schauplätzen fort (kurzzeitig kommt ein dritter dazu), erledigen am einen Ort einen Schritt, müssen zum letzten Ort zurückkehren, dort eine neue Dialogzeile durchnudeln, wieder zum letzten Ort, holen uns dort eine neue Erkenntnis, wieder zurück, erledigen dort noch einen Schritt, wieder zurück, etc. Anschließen wollen wir uns mit dem potentiellen Opfer aus dem Staub machen, sollen aber vorher noch das Motorrad eines Verwandten wieder in Gang bekommen. Und hier kommt nun unter anderem das Flicken des Schlauchs zum Einsatz. Bis wir den fahrbaren Untersatz wieder zum Laufen bekommen haben, sind wir erneut zigmal zwischen denselben beiden Orten, wie eben beschrieben, hin und her gerannt um die zu absolvierende Rätselkette zu bewältigen. Klingt nervig? Ist es auch! Glücklicherweise werden nicht alle Rätsel zu solchen Geduldsprüfungen und einige altbekannte Inventar-Knobeleien sind bei aller Inspirationslosigkeit durchaus recht unterhaltsam. Hinzu kommen ein paar Auflockerungen wie das simple Ableiten eines Codes oder ein Schiebepuzzle.
In der Summe aber, sind es neben den benutzerunfreundlichen Verwirrungen, die aus der extremen Linearität entstehen, teils eigentlich unwichtige Kleinigkeiten, die sich in der Summe negativ auf den Gesamteindruck auswirken. Wähle ich beispielsweise einen Gegenstand im Inventar aus, den ich meinem Gegenüber geben muss, und benutzte ihn mit der Person, bekomme ich als Antwort eine der Standardzeilen a la „Das geht so nicht“. Spreche ich die Person an, finde ich auf einmal eine Dialogzeile, durch die ich den Gegenstand an den Mann bringen kann. Anderes Beispiel: In der Nahansicht eines Kamins bauen wir uns mit Brettern und Stangen eine Treppe, können diese aber erst hochklettern, nachdem wir die Nahansicht der Leiter verlassen haben und sie aus der eigentlichen Spielperspektive anklicken. Auch die ohnehin sehr schwach bis peinlich geschriebenen, kurzen Texte (inklusive diverser Übersetzungsfehler) bzw. Holzhammer-Monologe/Dialoge glänzen nicht gerade vor Ideenreichtum. In einem Falle sehen wir uns eine stinknormale Schublade in einer ebenso stinknormalen Wohnung an und Nicole kommentiert das Ganze mit den Worten „Vielleicht gibt es hier irgendwo ein Geheimfach“, und oh Wunder, es gibt tatsächlich eines. Nicht schlecht, Frau Bonnet, aber vielleicht wären sie als Hellseherin am Ende doch besser aufgehoben gewesen.
Grafik
Ganz nett anzusehen sind die Locations des Spiels in der einzigen möglichen Auflösung 1024x 768 ohne Frage, egal ob es das düstere Paris bei Nacht, oder ein kubanischer Landstrich samt einiger recht netter Schatteneffekte ist. Allerdings wirkt das ganze durch seine Leblosigkeit sehr künstlich, auch wenn es immer wieder einzelne belebende Elemente gibt, wie zb. in Nicoles Hotelzimmer eine im Sturm wackelnde Tür, oder die Reflektion des Scheinwerfers eines durch die Straßen brausenden Autos an den Zimmerscheiben. Letzten Endes hätten es pro Bild aber mehr als maximal 1-2 solcher Details, auf die einzelnen Screens verteilt, sein müssen, um am Ende nicht eine oberflächlich schöne, aber völlig sterile Optik anzubieten. Darüber hinaus trifft einen auch schnell die Erkenntnis, dass ein paar düstere Screens nicht ausreichen, um erfolgreich auch nur einen Bruchteil der Atmosphäre des Microids-Werkes 'Still Life' hinzubekommen, zu fahrlässig präsentiert sich das Spiel auf zu vielen Gebieten und die oberflächlich schöne In-Game Grafik bringt wunderbar eines der Grundmotive des Spiels auf den Punkt: 'Die Kunst des Mordens 2' nimmt sich selbst unheimlich ernst, was ihm eine sensationell unfreiwillig komische Note verpasst, schmeißt bekannte Bausteine aus dem Adventurebaukasten zusammen, ohne einen davon so weitgehend auszubauen, dass man das Wort „Oberflächlich“ auch nur im Ansatz abstreifen kann.
Ein gutes Beispiel hierfür sind auch die Cutscenes. Es ist keine Frage, dass man schon weitaus schönere, weitaus detailliertere Adventure-Cutscenes zu sehen bekommen hat als in diesem Falle, dennoch bietet das Spiel etliche davon, und das auch auf zumindest auf gelungenem Niveau. Nur, dass sie selten das tun, was sie eigentlich tun sollten, eine Geschichte erzählen. Viele der Zwischensequenzen sind so kurz, dass sie nicht mehr als ein optisches Gimmick bilden, welches oft repetitive Gameplaypassagen miteinander verbindet. Wie wenig die Story hier wirklich von Belangen ist, lässt sich eben der Kürze dieser Szenen ansehen, alles wirkt völlig überhastet und schlichtweg lieblos zusammengeschustert, was mich erneut auf den eben genannten Adventurebaukasten bringt, den der Entwickler ganz einfach nicht im richtigen Maße zu benutzen versteht. Schade ist, dass zumindest die grafische Abteilung eigentlich mehr bewerkstelligen könnte, denn in einer längeren Cutscene, in der Nicole von Havanna aufs kubanische Land fährt, wird dann auf einmal geradezu geprotzt, während wir die Agentin in ihrem Cabrio die idyllische Gegend durchfahren sehen. Gespart wurde darüber hinaus erneut bei Animationen jeglicher Art, seien es angedeutete Animationen beim Aufnehmen eines Gegenstandes oder auch die kargen In-Game Gesichtsanimationen. Auf die Gefahr hin mich zu wiederholen: Verschenktes Potential, welches dem Veröffentlichungsrhythmus von City Interactive zugrunde liegt.
Sound
Musikalisch geht es in Paris mit einem sehr gelungenen, finsteren Stück los, welches sich allerdings, wenn es eine Stunde später, im Wechsel mit einem anderen Stück, immer noch recycelt wird, leider etwas abnutzt. Qualitativ geht die Musik der Paris-Passagen dennoch absolut in Ordnung, nur wäre hier mehr definitiv nicht weniger gewesen.
Nach dem Motto : Andere Länder, andere Sitten, bekommen wir in den weiteren Ländern, die wir auf unserer Reise besuchen, jeweils andere Musikstücke geboten, die dann aber ebenso wie in Paris beschrieben, permanent wiederholt werden. Anders als die Pariser Musikuntermalung, handelt es sich bei den weiteren Stücken allerdings auch um reine Durchschnittsware, die man kaum zur Kenntnis nimmt. Ein gutes Bild zeichnet sich allerdings, wie auch in der ersten 'Kunst des Mordens', in Punkto Synchronisation. Besonders die deutsche Stimme von Nicole (die nach wie vor dieselbe ist) überzeugt durch charismatisch-charmante Intonierungen, die Bonnet im Nachhinein etwas an Profil verschaffen, dass ihr sonst leider niemand bei City Interactive geben wollte oder konnte. Auch die anderen Sprecherleistungen bieten keinerlei Grund zur Klage. Leider scheint das Wort "Lippensynchronität" dem Entwickler allerdings ein Fremdwort zu sein. Verschmerzbar ist die Tatsache, dass es hin und wieder mal zu größeren Lautstärkeunregelmäßigkeiten bei der Sprachausgabe kommt, Nicole also plötzlich viel leiser zu hören ist, als noch Sekunden zuvor.
Wer schon immer einmal wissen wollte, wie lieblose Massenproduktion vom Fließband in Sachen Adventures aussieht, wird bei der 'Kunst des Mordens 2' leider bestens bedient. Auch wenn Teil 2 Fehler begeht, die schon der Vorgänger beging, ist dies mittlerweile nicht mehr wirklich verzeihbar. Wie oft hatte ich neben dem Gefühl einen billigen 'Still Life' und 'Tunguska'-Klon zu spielen, zu allem Übel auch noch den Eindruck, einen Klon des ersten Teils zu spielen. Dies führt dazu, dass einen das Gefühl beschleicht, manche Situationen und Rätsel so schon exakt im Vorgänger gesehen zu haben. Auf die Dauer ist dies einfach zu wenig und fügt sich wunderbar in das Gesamtbild ein, es hier mit einem in jeder Hinsicht zweitklassigem Titel zutun zu haben, der mit möglichst wenig Aufwand an Tag XY im Regal stehen sollte. Die Story ist ein Rohrkrepierer, in der Plotpunkte einfach nur im Schnellverfahren grob umrissen und abgehandelt werden. Persönlichkeit besitzt nicht einer der Charaktere. Dazu kommen Logiklöcher und haarsträubende Situationen, die beinahe so unglaublich sind, dass man sich fragt, wo die Schreiber eigentlich das Empfinden hernehmen, in der Lage zu sein, mehr als einen Einkaufszettel schreiben zu können. Klar, das Ganze sieht etwas besser aus als der Vorgänger (wenn auch sehr leblos) und ist auch einen Ticken umfangreicher, doch wird gerade letzter Punkt zum Eigentor, da die oftmals uninspirierten, teilweise schlichtweg nervigen und konstruierten Rätsel, sowie alle Umständlichkeiten, die sich aus der strengen Linearität ergeben, die zähe und oberflächliche Handlung nur unnötig wie Kaugummi in die Länge ziehen. Wer den Vorgänger mochte, oder jedes Jahr etliche neue Adventure-Veröffentlichungen kauft, kann sicher zugreifen, alle anderen sollten sich gut überlegen, ob sie die sehr zweifelhafte und seelenlose Fließbandproduktion von City Interactive – in Zeiten eines mehr als kriselnden, nicht wachsenden Adventure-Marktes- unterstützen wollen und ihr Geld nicht lieber in einen Konkurrenztitel wie 'Memento Mori' investieren, der in allen Belangen um Längen besser und letztlich auch kundenfreundlicher ist!
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Die Kunst des Mordens 2: Der Marionettenspieler
- Entwickler
- City Interactive
- Publisher
- dtp - digital tainment pool
- Release
- 13. Februar 2009
- Trailer
- Hier ansehen • Bei Youtube ansehen
- Webseite
- http://www.artofmurdergame.com/aom2/
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