Bisher zeichnete sich der deutsche Entwickler Deck 13 eher für humoristische Adventures aus und machte sich mit Titeln wie 'Ankh' und 'Jack Keane' einen Namen. Im letzten Jahr wurde mit 'Venetica' sogar das Action-Rollenspiel-Genre recht erfolgreich erkundet, bevor man sich nun erneut den klassischen Adventures zuwendet. Statt abermals mit dem Ägypter Assil ein witziges und skurriles Abenteuer zu erleben, sollen durch das düster gehaltene 'Black Sails: Das Geisterschiff' erstmals Fans von ernsteren Adventures angesprochen werden. Ob das Frankfurter Unternehmen auch in diesen Gefilden überzeugen und ein spannendes Abenteuer auf die Beine stellen kann, haben wir uns etwas näher angesehen.

Unglück auf hoher See
Die Geschichte beginnt als gezeichnetes Intro im Jahr 1884 mit einem darin thematisierten, schweren Schiffsunglück. Die junge Journalistin Anna befindet sich hinsichtlich einer Story auf dem Weg von New York nach Portugal, bis auf stürmischer und rauer See ihr Reiseschiff unvorhersehbar mit irgendetwas kollidiert. In tiefdunkler Nacht beginnt das Schiff sehr rasch zu sinken, doch anstatt mit in die Tiefen gerissen zu werden, landet sie mit einem weiteren Passagier im unruhigen Wasser, wo sich die beiden an ein Stück Holz klammern können. Nach einiger Zeit treibend auf dem Meer, nimmt der starke Wellengang langsam ab und das Wasser wirkt plötzlich beängstigend still. Just in diesem Moment nähert sich in der Ferne ein zweimastiges Segelschiff, das aufgrund der mittlerweile schwindenden Kräfte die vielleicht letzte Rettungsmöglichkeit darstellt. Obwohl auf die Hilferufe keinerlei Reaktion seitens der Besatzung folgt, beschließen die beiden Schiffbrüchigen, einen Weg an Bord zu finden. Mit letzter Kraft gelingt es ihnen, an der Seite des Schiffes hoch und durch ein Fenster hineinzuklettern. Sodann befinden sich die beiden Protagonisten in der Kapitänskajüte, doch ist erneut weit und breit keine Menschenseele zu sehen. Und auch die Kabine selbst hat die besten Zeiten wohl schon längst hinter sich. Nach der ersten unsanften Konversation mit dem ungehobelten Einzelgänger Lex, der andere Überlebende des Schiffsunglücks, stellen sich für Anna hier nur zwei Fragen: Wo befinden sich die beiden und noch viel wichtiger - wo befindet sich die Besatzung des Schiffes? Um dies herauszufinden, macht sie sich an die Arbeit, aus der verschlossenen Kapitänskajüte zu entkommen und dem Schiff sein mysteriöses Geheimnis zu entlocken.
In Dunkelheit gehüllt
Auch in 'Black Sails' kommt die bewährte OGRE-Engine zum Einsatz, die schon den Deck 13-Spielen 'Ankh', 'Jack Keane' oder dem Action-Rollenspiel 'Venetica' ihr Gesicht verlieh. Doch statt erneut auf bunte Farben und ein witziges Ambiente zu setzen, begibt sich der Spieler auf eine düstere und geheimnisvolle Abenteuerreise durch die Mary Celeste, ein ehemals real existierendes Segelschiff, dass 1872 verlassen auf dem Meer treibend aufgefunden wurde. Seitdem ranken sich Mythen und Geschichten um die bis heute ungeklärten Ereignisse auf dem Geisterschiff. 'Black Sails' erzählt die eigene fiktive Version des Schiffes, bei der die verwendete Engine weitaus realistischere Grafiken darstellen muss, als dies bei den bisherigen Adventures des Entwicklerstudios nötig gewesen ist. Dazu werden uns Auflösungen von minimal 1024x768 bis die auf unserem Testrechner maximal mögliche Einstellung von 1920x1080 Bildpunkten zur Auswahl angeboten, inklusive derer zur Benutzung bei Widescreen-Monitoren. Nicht von der Hand zu weisen ist jedoch, dass die Engine schon einige Jahre auf dem Buckel hat.
So wirkt die Umgebungsgrafik altbacken und längst nicht mehr auf dem neuesten Stand der Technik. Bei näherer Betrachtung sind die Texturen stark verwaschen und eigentlich rundliche Objekte dann doch eher eckig. Zwar sind Adventure-Spieler nicht, wie etwa die aus anderen Genres, unbedingt dafür bekannt, Grafikverwöhnt zu sein, dennoch wird gerade in einem realistischeren Setting wie hier deutlich, dass die Aufmachung der heutigen technischen Entwicklung ein wenig hinterher hinkt. Einen etwas besseren Eindruck hinterlässt zumindest die stimmige Ausleuchtung, welche gleichzeitig die gröbsten Unschönheiten zu überdecken weiß. Wirkliche Gruselstimmung bleibt dennoch weitestgehend auf der Strecke und auch das Warten auf zumindest punktuelle Schockmomente bleibt vergebene Mühe. Zudem beschränkt sich der Handlungsspielraum ausnahmslos auf die überschaubare Brigantine, die in weiten Teilen auf zusätzliche Hintergrundanimationen verzichten muss. Dem Erkundungsdrang durch womöglich mehrere abwechslungsreiche Abschnitte wird durch die wenigen Räumlichkeiten recht schnell Einhalt geboten.
Such mich doch!
Zum Entdecken gibt es trotz der geringen Ausmaße des Geisterschiffs dennoch das ein oder andere. Allen voran können sowohl den, über das ganze Schiff verstreuten, herausgerissenen Tagebuchseiten und Notizblättern als auch der großen Ansammlung an anklickbaren Objekten etwas mehr Hintergrundinformationen entlockt werden. Einige der Hotspot-unterlegten Objekte eignen sich ausschließlich zur Betrachtung, nämlich dann, wenn der Mauszeiger bei Berührung die Form einer Lupe annimmt. Anna gibt daraufhin einen kurzen Kommentar ab, der gelegentlich sogar ein paar hilfreiche Hinweise für die Lösung der nächsten Aufgabe bereit hält. Sind hingegen Interaktionen möglich, so wird dies bei Objekten mit einem Zahnrad und bei Dialogen mit einer Sprechblase signalisiert. Adventure-typisch müssen auch einige Objekte ins Inventar wandern, dies unabhängig von ihrer Größe oder Form, wenn der Standard-Mauszeiger dem Symbol einer greifenden Hand weicht. Im Inventar können die Gegenstände durch das Ziehen selbiger auf eine Lupe am linken Inventarrand zusätzlich näher untersucht werden, was zuweilen Dinge zum Vorschein bringt, die für den weiteren Verlauf von entscheidender Bedeutung sind. Eine weitere mögliche Option ist die Kombination der Gegenstände untereinander beziehungsweise mit der restlichen Spielumgebung. Daraus setzen sich dann auch größtenteils die Rätsel in 'Black Sails' zusammen. Benötigt wird übrigens durchgehend nur die linke Maustaste, da alle Aktionen der Einfachheit halber ausschließlich mir ihr ausgeführt werden. Selbst Anfänger sollten keine allzu große Mühe mit der Bewältigung von Rätselhürden haben, was unter Anderem auch den manchmal mehr, manchmal weniger hilfreichen Kommentaren von Anna geschuldet ist. In der Summe sind die Rätsel zwar logisch, aber schlussendlich für Rätselprofis zu einfach und im Vorbeigehen erledigt.
Interessant ist hingegen der Ansatz, die Geschehnisse des Abenteuers durch verschiedene Dialogoptionen oder Lösungsmöglichkeiten bei einem Rätsel leicht beeinflussen zu können. Beispielsweise kann ein festgebundenes Seil entweder mit einem Messer losgeschnitten oder aber der Knoten, der das Seil festhält, kann von Hand gelöst werden. Bekommt das Messer seinen Einsatz, ist es - warum auch immer - daraufhin aus dem Inventar verschwunden und kann nicht mehr verwendet werden. Als Alternative könnte Anna auch Lex dazu überreden, mit seinen Knotenkenntnissen für das gleiche Ergebnis zu sorgen. Im Gegenzug verbleibt das Messer in ihrem Besitz, wobei eventuell ein anderer Gegenstand geopfert werden muss, um Lex auch einen Anreiz zu geben, diese Aktion durchzuführen. Wie die Entscheidung auch ausfällt, die Auswirkungen der Handlungsweisen sind überaus gering, da die verlorenen Gegenstände im weiteren Verlauf nicht mehr eingesetzt werden müssen. Gleiche Wahlmöglichkeiten sind ebenfalls in den Dialogen vorzufinden und beeinflussen das zwischenmenschliche Miteinander der Protagonisten. Wenn Anna wieder einmal von Lex angeraunzt wird und in gleichem Tonfall entgegnet, werden die beiden wohl nicht mehr die dicksten Kumpels. Besinnt sich Anna hingegen auf ihre guten Manieren, wird auch ihr schroffer Begleiter eine Spur freundlicher - wenn auch nur vorübergehend. Als Ergebnis verändern sich die Dialoge stellenweise zwar ein wenig, doch fehlt insgesamt die letzte Konsequenz, denn spielentscheidende Auswirkungen ergeben sich daraus, wie schon bei den Rätselalternativen, leider nicht.
Wohin des Weges?
Die größten Vorteile einer 3D-Umsetzung sind zweifelsfrei die zur Verfügung stehenden Kamerafahrten und die somit entstehende cinematische Inszenierung. 'Black Sails' macht dabei natürlich keine Ausnahme, so werden des Öfteren Kamerafahrten und -zooms dazu genutzt, um die vorliegende Situation zu erläutern oder sie noch bedrohlicher zu gestalten. Gleichzeitig birgt dies aber auch ein gewisses Risiko, wenn die Kameraführung und deren Positionierung in den spielbaren Momenten zu einem Ärgernis wird. Besonders die klassische Point&Click-Steuerung mit der Maus leidet unter der nicht fest positionierten Kamera. Gelegentlich kann sich Anna nur in kleinen Schritten in eine Richtung bewegen, bis sich die Sichtweise auf die Szene endlich ändert und ein größerer Bewegungsbereich zugänglich wird. Ebenso können leicht interaktive Objekte übersehen werden, wenn der Blickwinkel auf die Szenerie ungünstig ausfällt. Abhilfe schafft eine integrierte Hotspot-Anzeige, die entweder über Drücken der Leertaste oder Betätigen des Augensymbols am unteren linken Bildschirmrand aufgerufen wird. Ob beabsichtigt oder nicht, werden nicht immer alle Hotspots in einer Szene dann auch angezeigt. Die wichtigsten Objekte können aber auf diese Weise allesamt gefunden werden, sofern seitens des Spielers eine Abneigung gegen Hotspot-Suchorgien besteht. Doch auch bei den Hotspots kann die Kamera dem Klick-Vorhaben jäh einen Strich durch die Rechnung machen, denn stellenweise ist es nicht immer ganz einfach, das gewünschte Objekt mit dem Mauszeiger auch sauber zu treffen, weil es hinter anderen Gegenständen versteckt oder aus diesem Blickwinkel gar nicht erst anwählbar ist. Neben der Komfortfunktion zum Auffinden der Hotspots steht auch eine praktische Aufgabenliste zur Verfügung, die ebenfalls über das kleine Menü am unteren linken Bildschirmrand angewählt werden kann. Darin werden sowohl noch ausstehende als auch erledigte Aufgaben eingetragen. Die an dieser Stelle eingesetzte Handschrift, die auch in den herumliegenden Schriftstücken Verwendung findet, dürfte nicht jedem sofort liegen, da die Zeilen mitunter etwas schwieriger zu entziffern sind. Zumindest die Schriftstücke werden von Anna jedoch aufopferungsvoll wieder laut vorgelesen.
Ärgerlicherweise bleibt auch 'Black Sails' nicht von leichten bis teils schweren Bugs verschont. Obwohl der Kopierschutz mit einer simplen DVD-Überprüfung sehr human ausfällt, lauerte auf unserem Testrechner die erste Unschönheit schon vor dem eigentlichen Spielbeginn. Das Spiel startete oftmals erst beim zweiten oder dritten Versuch, da zuvor die Original-DVD nicht als solche erkannt wurde. Das Spiel selbst kann ebenso mit der ein oder anderen Macke aufwarten. Je nach Situation kann es vorkommen, dass ein wichtiger Gegenstand im späteren Spielverlauf einfach nicht vorhanden, ohne diesen allerdings ein Weiterkommen nicht möglich ist. Zudem kann es an einer bestimmten Stelle im Spiel zu einem Absturz kommen, wenn ein bereits zuvor aufgetretener Bug eine Handlungsmöglichkeit freischaltet, die zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht zugänglich sein sollte. So muss gleich zu Beginn des Spiels eine leere Gaskartusche aufgefüllt werden, um auf dem Schiff für ein wenig Helligkeit zu sorgen. Ein Anklicken der Flasche kann allerdings dazu führen, dass plötzlich derer zwei, eine bereits gefüllte und eine leere, ins Inventar wandern. Wird nun der volle Behälter direkt verwendet, findet eine kleine Sequenz nicht statt, die aber im späteren Verlauf durch den leeren Behälter, der sich noch im Besitz befindet, immer noch ausgelöst werden kann - aber besser nicht mehr sollte. Auf die Fehlerliste gesellen sich zudem Clipping-Fehler, falsche Animationen und unsichtbare oder an falschen Orten platzierte Charaktere. Diese Unzulänglichkeiten treten allerdings nicht zwingend auf. Während wir beim ersten Durchspielen problemlos und bugfrei bis zum Ende spielen konnten, war beim zweiten Durchlauf nach einer Kettenreaktion an Fehlern nach ungefähr der Hälfte Schluss und ein Weiterkommen nicht mehr möglich. Ein Patch für die gröbsten Fehler soll sich bereits in Arbeit befinden und in naher Zukunft erscheinen.
Nicht mehr als eine Kurzgeschichte
Wiederum überzeugend ist die atmosphärische Soundkulisse, die wunderbar zum schaurig düsteren Setting eines Geisterschiffes passt. Auf den Streifzügen durch die verlassenen Schiffsräume wird Annas Weg durch ein ständiges Knarren von Holz und das heulen des Windes begleitet. Dazu gesellt sich die gelegentlich einsetzende, bedrückende Musikuntermalung. Ebenso gut gelungen ist die erlesene Sprecherbesetzung, bei der sich speziell die beiden Protagonisten Anna und Lex über erstklassige Hollywood-Stimmen erfreuen dürfen. Da übermäßige Anstrengungen zum Lösen der Aufgaben nicht vonnöten sind, ist der Spaß dann aber selbst für unerfahrene Rätsler bereits nach 3-4 Stunden schon wieder vorbei, eine überaus kurze Spielzeit, die stark an ein einzelnes Kapitel eines Episoden-Adventures erinnert. Dadurch ist es auch kaum möglich, die wenigen Charaktere wirklich kennen oder gar schätzen zu lernen, so werden diese nach dem Abspann wohl auch schnell wieder in Vergessenheit geraten. Gleichermaßen bleibt der Geschichte einfach zu wenig Raum zur vollständigen Entfaltung. Zwar beinhalten die fiktive Handlung und die historischen Ereignisse um die Mary Celeste Potenzial für eine schaurige Geistergeschichte, doch kaum nimmt das Abenteuer endlich an Fahrt auf, ist es auch schon wieder vorbei. Dennoch siedelt sich das Geschehen auf einem guten Niveau an und weiß gleichermaßen für die dünne Spielzeit zu unterhalten. Das große Finale von Black Sails hält dann drei mögliche Enden bereit, über deren Eintreten aber erst kurz vorher entschieden wird und die sich wiederum nur geringfügig voneinander unterscheiden. Eine verschenkte Chance, denn wenn schon unterschiedliche Aktionen und Reaktionen während des Abenteuers zur Verfügung gestellt werden, so hätten diese ruhig einen kleinen Einfluss auf den Ausgang der Handlung nehmen können.
Von einem Abstecher des Deck 13-Entwicklerstudios in die Welt der geheimnisvollen und erwachseneren Geschichten hätte ich etwas mehr erwartet, als 'Black Sails' am Ende liefern kann. Bei dem Titel zwingt sich mir der Vergleich mit einem kleinen Mittagssnack auf: Ganz ordentlich im Geschmack, sättigt die Größe der Portion dann leider aber doch nicht und es wächst die Erkenntnis, dass eine richtige Mahlzeit wohl die bessere Wahl gewesen wäre. Für die äußerst knappe Spielzeit und dem dazu vergleichsweise hohen Preis weiß das Abenteuer zwar mit einer interessanten Geschichte über das mysteriöse Geisterschiff Mary Celeste zu unterhalten, hat gleichzeitig aber mit diversen Macken zu kämpfen und scheint auch bei den verschiedenen Handlungsoptionen nicht ganz bis zu Ende gedacht. Wer sich mit einer Geschichte anfreunden kann, die bereits nach einem Abend zu Ende erzählt ist, mag einen genaueren Blick riskieren. Geduldige Adventure-Freunde sollten vor dem Kauf aber vielleicht lieber eine Preissenkung abwarten.
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Black Sails: Das Geisterschiff
- Entwickler
- Deck13 Interactive
- Publisher
- rondomedia
- Release
- 22. April 2010
- Spielzeit
- 3 - 4 Stunden
- Trailer
- Hier ansehen • Bei Youtube ansehen
- Webseite
- http://www.blacksails-game.de/downloads.html
- Sprachen
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- Systeme
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- Stichwörter
- Black Sails bei Amazon kaufen (Affiliate-Link)
1 Kommentar
Spielzeit und Grafik leider etwas mau.
Dennoch: sehr gut!