Bereits für das dritte Quartal 2009 war das DECK13-Adventure 'Haunted' angekündigt. Zwei Insolvenzen der zuständigen Publisher kamen dazwischen und so dauerte es zwei Jahre, ehe das Adventure nun in der kommenden Woche erscheinen soll. Die Geschichte des 3D-Titels der Macher von 'Ankh' und 'Jack Keane' verspricht viel: Das Straßenmädchen Mary ist auf der Suche nach ihrer toten Schwester Emily. Dabei ist sie auf die Hilfe einer ganzen Bande unterschiedlicher Geister angewiesen, die allesamt unterschiedliche Fähigkeiten haben. Zusätzlich versprechen uns die Entwickler optionale Nebenquests – alternative Aufgaben, die man nicht unbedingt ausführen muss. Ob das Experiment aufgeht und sich die lange Wartezeit gelohnt hat, verraten wir in unserem Test.

Hilf mir, Mary!
Das kleine Waisenmädchen Mary gibt sich die Schuld an dem tragischen Tod ihrer kleinen Schwester Emily. Seitdem schlägt sie sich als Straßenmädchen durch die Straßen Londons des 18. Jahrhundert und ist ihren Eltern nicht mehr unter die Augen getreten. Eines Nachts hört sie die Stimme ihrer verschwundenen Schwester: „Hilf mir Mary“. Sie geht der Stimme nach, stolpert durch die finstere Nacht und schließlich über ein Hindernis. Der Sturz hat für Mary fatale Folgen, denn wenig später sehen wir das junge Mädchen auf dem Seziertisch eines pathologischen Instituts liegen. In dem Moment als die Professorin Dr. Ashcroft und ihr Lakai Ethan sich an die Autopsie machen wollen, schlägt Mary die Augen auf. Wir erfahren noch, dass die Professorin dringend eine Leiche benötigt und ihrem Assistenten Unfähigkeit vorwirft, dann dürfen wir die Steuerung übernehmen und mit Mary das Labor erkunden. Was es mit den ganzen Instrumenten auf sich hat, steht schnell fest: Die Professorin benötigt die Energie von Toten, um eine gigantische Maschine zu betreiben. Und zusammen mit Ethan schmiedet sie auch schon einen Plan, wie man an die Leiche kommen und gleichzeitig die unangenehme Zeugin Mary loswerden kann.Die Aufgabe ist klar: Mary muss zusehen, dass sie unbeschadet aus dem Labor entkommt. Bei ihrer Flucht findet sie nicht nur einige Gegenstände aus dem Besitz ihrer verschwundenen Schwester sondern trifft auch auf Oskar, einen Geisterpiraten. Auch wenn Mary anfangs so gar nichts mit Geistern anfangen kann und will, entdeckt sie schnell, dass Oskar ein paar einzigartige Eigenschaften besitzt, die ihr bei der nun gemeinsamen Flucht helfen. In der Folge stellt sich Oskar als fester Begleiter von Mary vor und er bleibt nicht der Einzige. Zu der Geisterschar gesellen sich nach und nach unter anderem der schottische Freiheitskämpfer William Wallace, ein chinesischer Flaschengeist mit Namen Konfuzius oder eine Meerjungfrau. Zusammen mit ihren neuen Begleitern stellt Mary zuerst einige Nachforschungen in London an, ehe die Reise nach Schottland und Rumänien geht – immer auf der Suche nach dem Geist ihrer verstorbenen Schwester – oder ist Emily am Ende gar nicht tot?
Geisterhafte Geschichte
'Haunted' versucht, die tragisch-traurige Geschichte um die Schwestern Emily und Mary mit einer eher humorigen Geistergeschichte unter einen Hut zu bringen. Das schafft es jedoch nur sehr selten. Der Grund ist schnell gefunden: Die überwiegende Spielzeit verbringt man mit den Geistern und ihren Späßen, so dass kaum Platz für Mary und ihre Gefühle bleibt. Um nur ein Beispiel zu nennen: Mary hat im Laufe des Spiels Gelegenheit, eine Beichte abzulegen, in der sie von dem tragischen Unglück berichtet, dass zum Tod ihrer Schwester geführt hat. Danach ist Mary sichtlich deprimiert. Direkt bei der nächsten Aktion hat sie aber schon wieder gute Laune und witzelt mit den Geistern herum. Überhaupt nehmen die Geister und die Suche nach ihnen den Hauptteil der Geschichte ein. Mary und ihre Geschichte bleiben eher im Hintergrund. Selbst das Intro nimmt sich nicht weiter Zeit den Charakter einzuführen. Sehr viel besser lernt der Spieler im Verlauf des Abenteuers die Geister kennen. Dadurch ergibt sich die etwas paradoxe Situation, dass man mehr an den eigentlichen Nebencharakteren hängt als am eigentlichen Protagonisten der Story.
Der Humor hingegen weiß stellenweise wirklich zu überzeugen. Speziell dann, wenn die Geister ins Spiel kommen und sich untereinander kappeln oder für Slapstick-Einlagen zum Einsatz kommen, bleibt ein Schmunzeln nicht aus. Dabei gilt: Je mehr Geister zusammen kommen, umso spaßiger wird es, der Gruppe zu lauschen.
Geistreiche Rätsel
Die Geister sind es auch, die einen Großteil der Rätsel ausmachen. Jeder der Spukgesellen hat besondere Fähigkeiten, so kann der starke William Wallace etwa jeden noch so schweren Gegenstand tragen oder bewegen, sofern dieser Gegenstand „von der Hand des Todes berührt wurde“. Geisterpirat Oskar hingegen fasst gern Gegenstände an, die besonders heiß oder kalt sind. Somit ist Oskar auch die richtige Wahl, wenn es zum Beispiel darum geht, Kohlen aus dem Feuer zu holen. Mitunter müssen die Geisterfähigkeiten auch kombiniert werden. Etwa dann, wenn es darum geht, eine Gaslaterne zu verdunkeln. Die hängt nämlich für Mary unerreichbar weit oben an einem Haus. Wie gut, dass direkt davor eine Leichenkutsche herumsteht. Mary klettert darauf, lässt die Kutsche von William hochheben und setzt Oskar in die Laterne – Aufgabe gelöst. Immer wieder werden so die Geisterfähigkeiten eingesetzt, um ans Ziel zu kommen. Die übrigen Rätsel bestehen darin, die richtigen Gegenstände am richtigen Ort einzusetzen. Dabei sind mitunter auch Inventarkombinationen gefragt. Der Schwierigkeitsgrad der Rätsel bewegt sich auf einem eher niedrigen Niveau. Das liegt vor allem daran, dass es in keinem der sechs Kapitel übermäßig viele Objekte gibt. Auch die starre Linearität trägt ihren Teil dazu bei – mehr als zwei Aufgaben gleichzeitig hat Mary nie auf dem Zettel. Leider spart das Spiel an Hinweisen, was eigentlich zu machen ist. Das führt dann dazu, dass man als Spieler manches Mal nicht weiß, was Mary eigentlich noch erledigen soll und dann beginnt, alles mit jedem zu kombinieren. Das dauert zwar nie wirklich lange, da Mary ja nie viele Gegenstände dabei hat, wäre aber vermeidbar gewesen. Ein Nebeneffekt dieser Spielweise ist, dass einige Aufgaben erledigt sind, bevor Mary überhaupt davon wissen kann.
Eine Lösung für dieses Problem wäre gewesen, dass Mary einmal eingesackte Gegenstände hätte ansehen können. Leider fehlt diese Funktion in 'Haunted'. Pro Gegenstand oder Charakter ist nur genau eine Funktion durchführbar, die durch ein entsprechendes Symbol angezeigt wird. Mit Personen (oder Geistern) kann Mary beispielsweise nur reden. Nähere Informationen über das Gegenüber erhalten wir nicht. Ähnlich verhält es sich mit Gegenständen. Das ist schade, denn dadurch erfahren die Spieler recht wenig über die interessante Welt von Mary und ihren Geistergefährten.
Für das ganze Spiel wird folglich nur die linke Maustaste benötigt, alle Interaktionen werden per Klick ausgelöst. Ein Doppelklick auf den Hintergrund lässt Mary laufen oder direkt zum nächsten Raum wechseln.
Bonusaufgaben
Entwickler DECK13 hatte für 'Haunted' etwas ganz Neues angekündigt: Das Spiel sollte verschiedene Nebenquests beinhalten, die man nicht ausführen muss, um zum Ziel zu kommen. Damit wollte man die Spieler ermuntern, das Spiel öfter zu spielen und darüber hinaus auch die bei anderen Genre-Vertretern übliche starre Linearität durchbrechen. Und so steht Mary tatsächlich irgendwann vor der schweren Wahl, noch ein paar zusätzliche Aufgaben auszuführen oder weiter nach ihrer Schwester zu suchen. Diese an und für sich wirklich schöne Idee führt dann zu einem Problem für den Spieler: Marys über allem stehendes Ziel ist es, herauszufinden, was mit ihrer Schwester passiert ist. Noch dazu ist sie auf der Flucht vor der Professorin und ihrem Helfer. Wie wahrscheinlich ist es da, dass sie sich für jemanden auf eine Art Schatzsuche begibt? Sicher kann der Spieler in diesem Fall frei entscheiden, was Mary machen soll – besonders glaubwürdig ist die Entscheidung für den Nebenquest jedoch nicht. Dazu kommt, dass man ihn während des normalen Spiels nicht beenden kann, denn für die letzte Aufgabe fehlt die Spezialfähigkeit eines Geistes, mit dem Mary sich in London nicht mehr frei bewegen kann. Das Spiel bietet nach dem Abspann die Möglichkeit, den Nebenquest wieder aufzunehmen und so ein siebentes Bonuskapitel freizuschalten. Den Nebenquest sollte man dennoch mitnehmen, da sich so die recht kurze Spielzeit von knapp sechs Stunden noch ein wenig ausbauen lässt und dem Spieler ein erweitertes Ende präsentiert wird, in dem man etwas mehr über Mary und ihre Eltern erfährt.
Stimmungsvolles London
'Haunted' erkennt man den typischen DECK13-Stil gleich an. Wie auch schon in 'Ankh' oder 'Jack Keane' setzen die Entwickler auf einen comicartigen Stil, der dank der spaßigen Geister auch gut zu der eher düsteren Geschichte passt. Punkten kann das Spiel vor allem mit seinen stimmungsvollen und toll ausgeleuchteten Hintergründen. Egal ob es sich um die im Bau befindliche Tower-Bridge, einen Theatervorplatz oder ein buntes Zigeunerlager handelt – überall wird die passende Stimmung erzeugt. Kleine Animationen wie vorbeifahrende Schiffe oder herumstehende Passanten sorgen für den Eindruck einer lebendigen Welt. Effekte wie z.B. Wasser sehen ebenfalls sehr gut aus. Hier hat 'Haunted' ganz klar von den für das Rollenspiel 'Venetica' entwickelten Features für die Grafikengine 'Ogre' profitiert.
Das Adventure ist in allen gängigen Auflösungen spielbar, im Menü können zusätzliche hardwarehungrige Optionen wie Kantenglättung oder Details an den eigenen Rechner angepasst werden, um eine bessere Performance zu erhalten.
Mary und die übrigen Charaktere sind ebenfalls schick modelliert, leiden aber unter zu wenigen verschiedenen Animationen. Besonders in Gesprächen fällt auf, dass sich die Bewegungen zu oft wiederholen. Speziell in den Nahaufnahmen während der Gespräche fallen hin und wieder verwaschene oder grobkörnige Texturen negativ auf. Das wird durch eine sehr gute Vertonung aber mehr als Wett gemacht. Für alle Charaktere wurden sehr gute Sprecher gewählt, die es schaffen, ihren Rollen Leben einzuhauchen (sofern man bei Geistern davon reden mag).
Die drei Schwierigkeitsgrade
Damit auch Anfänger mit 'Haunted' zurechtkommen, hat man dem Spiel drei unterschiedliche Schwierigkeitsgrade spendiert. So lässt sich zu Beginn auswählen, ob man auf eine (manchmal ungenaue) Hotspot-Anzeige verzichten möchte und ob die spielinterne Hilfe abgeschaltet werden soll. An den Aufgaben ändert sich hingegen nichts. Die Hilfefunktion wird verfügbar, sobald Mary den Geist Oskar in ihr Geisterinventar aufgenommen hat. In der Folge kann sie ihn fragen, wenn sie nicht weiter weiß. Oskar versorgt den Spieler dann mit kleinen Hinweisen, die aber nie die gesamte Lösung verraten. Leider hilft diese Funktion aber manchmal auch überhaupt nicht weiter. Dann nämlich, wenn der Spieler wie oben schon erwähnt, nicht weiß, was nun eigentlich als Nächstes zu tun ist. Beide Hilfsfunktionen lassen sich auch noch während des Spiels hinzuschalten.
Leider nicht fehlerfrei
In unsere Testversion von 'Haunted' haben sich leider einige Fehler eingeschlichen. In zwei Kapiteln fehlten beispielsweise alle Texturen, was zu einfarbigen Umgebungen führte. Auch traten recht häufig Clippingfehler auf, die Mary zum Teil im Boden versinken oder durch die Luft schweben ließen. Kleinere Probleme gab es auch mit der Hilfefunktion, die bereits abgehandelte Themen aus vergangenen Kapiteln anbot oder mit der Sprachausgabe, die stellenweise für ein Aussetzen der Musik sorgte. Auch kam es hin und wieder zum Verschwinden des Mauszeigers, so dass keine Aktionen mehr möglich waren und das Spiel neu gestartet werden musste. Einige dieser Fehler sollen mit einem Patch behoben werden, der am Tag der Veröffentlichung verfügbar sein soll. Dieser Patch sollte unbedingt installiert werden, denn zumindest die fehlenden Texturen gehören damit der Vergangenheit an.
Trotz unfreiwillig langer Entwicklungszeit wirkt 'Haunted' nicht ganz ausgereift, was nicht nur an den Fehlern unserer Version lag. Der Mix aus der tragischen Geschichte um das Straßenkind Mary und den doch eher witzigen Geistern funktioniert nicht so ganz. Vor allem, weil man bis ans Spielende kaum etwas über Mary erfährt und die Geistertruppe ihr die Show stiehlt. Den Rätseln hätte etwas mehr Feintuning auch gut getan, denn während die Lösung stellenweise auf der Hand lag, ging es in anderen Abschnitten nur über stupides Ausprobieren weiter. Innovationen wie die Nebenquests oder das Geisterinventar lockern die lineare Rätselei zwar auf und machen auch Spaß. Leider wird davon aber zu wenig Gebrauch gemacht, mehr Kombinationen der Geisterfähigkeiten wären wirklich wünschenswert gewesen. Dem gegenüber stehen eine erstklassige Vertonung, stimmungsvolle 3D-Grafik und eine lustige Geisterschar. Dem bislang schicksten DECK13-Adventure bleibt daher leider ein Platz im Adventure-Olymp versagt.
-
Haunted
- Entwickler
- Deck13 Interactive
- Publisher
- dtp - digital tainment pool
- Release
- 19. August 2011
- Spielzeit
- 6 Stunden
- Trailer
- Hier ansehen • Bei Youtube ansehen
- Webseite
- http://www.haunted-game.com/
- Sprachen
-
- Systeme
-
- Stichwörter
- Haunted bei Amazon kaufen (Affiliate-Link)
3 Kommentare
Lieder bleibt Mary so als Hauptprotagonistin wirklich etwas blass... Das ist einfach schade, bei einer derarten tiefgründigen Story die versprochen wird. Da hätte man wohl mehr rausholen müssen.
Ich kaufs mir trotzdem!
@Gast: Schön, dass Dir die Demo gefallen hat und Du Dir das Spiel kaufen möchtest. Haunted ist ja auch kein schlechtes Spiel, es ist nur leider kein absoluter Toptitel geworden. Spaß haben kann man damit trotzdem.