Im April 2009 erschien das Spiel 'The Book of Unwritten Tales', das die Geschichte um vier Charaktere in einem Fantasy-Universum erzählte. Vier Charaktere, wie sie unterschiedlicher kaum sein konnten. Der kleine Gnom, die sexy Elfe, der menschliche Abenteurer und ein seltsames lila Plüsch-Ding mit dem Namen Vieh. Das eigentlich nur als Nebencharakter gedachte Vieh eroberte im Handumdrehen die Herzen der Fans, die sofort nach mehr Vieh verlangten. Der Bremer Entwickler KING Art war auch schnell davon überzeugt und kündigte mit dem damaligen Publisher HMH das Prequel 'Die Vieh Chroniken' an. Zwei Jahre und ebenso viele Publisher Insolvenzen später erscheinen 'Die Vieh Chroniken' nun in Zusammenarbeit mit Crimson Cow. Wir haben uns mit Nate und dem Vieh in die Nordlande begeben und verraten in unserem Test, ob das Adventure an den Vorgänger herankommt.
Auf der Flucht
Das Spiel startet anders, als es der Name vielleicht vermuten lässt, nicht etwa mit dem lila-plüschigen Vieh sondern mit dem Abenteurer Nate, der mit seiner neuesten Errungenschaft, dem Luftschiff Mary endlich einmal sein Leben genießen will. In Ruhe irgendwo im Süden. Doch aus seinen Plänen wird nichts, denn der Vorbesitzer der Mary, der rote Pirat, ist alles andere als glücklich über seinen Verlust und hat eine Belohnung auf die Ergreifung von Nate und die Wiederbeschaffung des Luftschiffs ausgesetzt. So kommt es, dass sich die Kopfgeldjägerin Ma‘Zaz an Nates Fersen heftet. Einen Luftkampf später ist Nate vorerst zwar Ma’Zaz los, leider aber auch sein Luftschiff. Selbiges liegt in Trümmern mitten in der unwirtlichen Eiswüste der Nordlande. Zu allem Überfluss wird er hier auch noch von einem Yeti auf Nahrungssuche gefangen genommen, der in Nate einen leckeren Braten sieht. Mitten in dieser misslichen Lage taucht plötzlich ein seltsames, pelziges Ding auf… Könnte das etwa Nates Rettung sein?
Kurz zuvor…
Das Vieh ist mit einigen seiner Artgenossen ebenfalls im ewigen Eis gestrandet. Dort sind sie an den bösen Hexenmeister Munkus geraten, der den Viechern das Herz entrissen hat - Einen mächtigen Edelstein, mit dem die Viecher ihre Heimreise antreten könnten. Munkus, der von dem technischen Können der Viecher begeistert ist, will das Herz nur dann wieder rausrücken, wenn er dafür von den Pelzwesen eine mächtige Kriegsmaschine bekommt. Genau daran arbeiten die Viecher konzentriert. Zumindest fast alle, denn das Vieh ist mit seinen Gedanken und mindestens einem der Glubschaugen bei der für Vieh-Verhältnisse wohl recht attraktiven Layla. Und wie es immer so ist, wenn man nicht ganz bei der Sache ist, geht beim Bau der Maschine etwas schief und das Vieh bekommt die Schuld am Schlamassel. Dadurch sinken auch die Chancen bei der Angebeteten rapide, denn Laylas Vater ist der Anführer der Vieh-Gruppe und nach den Vorfällen erst recht nicht mehr gut auf den jungen Verehrer zu sprechen. Als dann auch noch Munkus eine noch stärkere Waffe fordert, ist das Desaster perfekt. Da kann nur noch ein Wunder helfen. Oder ein Held. So ein Held würde bestimmt auch gute Chancen bei Layla haben. Also macht sich das Vieh auf, Hilfe zu finden. Just in diesem Moment stürzt ein Luftschiff ab und der seltsame Mensch wird von einem Yeti gefangen genommen. Vielleicht ist das ja die Hilfe…
Das dynamische Duo
Fortan durchstreifen Nate und das Vieh zusammen die Nordlande, um das Herz zurückzuholen und den Viechern zu helfen. Das ungleiche Team bleibt dann auch bis zum Ende des Spiels zusammen, nur selten trifft man auf Passagen, in denen nur ein Charakter gesteuert werden kann. Das ist beispielsweise dann der Fall, wenn Nate beispielsweise Ma’Zaz ablenken muss, während das Vieh eine Falle für die Kopfgeldjägerin vorbereitet. Unterschiede machen sich aber auch in den Rätseln bemerkbar. An einer Stelle muss eine von Munkus Wachen abgelenkt werden. Zu diesem Zweck könnte ein Pinguin genutzt werden. Für Nate ausgeschlossen, schließlich will er das arme Tier nicht quälen. Das Vieh hingegen hat damit keine Probleme und führt die Aufgabe ohne Murren durch. Fast alle übrigen Rätsel können aber mit jedem der beiden Charaktere gelöst werden. Aufgrund der sprachlichen Beschränkungen, unter denen das Vieh leidet, empfiehlt es sich aber, alle Hotspots auch einmal mit Nate zu untersuchen. So geht man sicher, auch alle Tipps zu bekommen.
Zwei Schwierigkeitsgrade
Einer der Kritikpunkte an 'The Book of Unwritten Tales' war der zu niedrige Schwierigkeitsgrad. Das hat Entwickler KING Art dazu bewogen, im Prequel zwei Schwierigkeitsgrade einzubauen, zwischen denen zu Beginn des Spiels gewählt werden kann. Im schweren Modus sind die Rätselketten länger, Nebencharaktere geben zum Teil deutlich weniger Hinweise und die Hotspothilfe ist standardmäßig abgeschaltet. Während letztere jederzeit über das Spielmenü ein- und ausgeschaltet werden kann, darf der Schwierigkeitsgrad im laufenden Spiel nicht geändert werden. Dies geht nur, wenn das Kapitel über das Hauptmenü neu gestartet wird. Eine aufgrund der veränderten Rätsel notwendige Entscheidung. In beiden Schwierigkeitsgraden werden die Aufgaben zunehmend anspruchsvoller, so dass speziell in den letzten beiden Kapiteln schon einmal um die Ecke gedacht werden muss.
Ein Kritikpunkt, der sich aus den beiden Schwierigkeitsgraden ergibt und den wir bereits in unserer Vorschau angesprochen hatten, findet sich übrigens noch immer im Spiel: Man kann Aktionen durchführen, die nicht unbedingt für den Schwierigkeitsgrad erforderlich sind. Im ersten Kapitel holt Nate so zum Beispiel recht umständlich ein Stück Kohle aus einem Ofen, das er im folgenden Spiel nicht benötigt und es daher auch nicht einstecken will. Gut, das ist Nörgelei auf einem recht hohen Niveau. Nicht so schön ist hingegen, dass man einige Aufgaben auch schon durch Zufall lösen kann, ehe man überhaupt von ihnen weiß, einfach durch Try & Error. Das Vieh kann beispielsweise recht früh im zweiten Kapitel eine Alarmleuchte einstecken und auf eine Holzkiste legen. Warum es das macht, bleibt dem Spieler vorerst verborgen. Erst später stellt sich heraus, dass mithilfe der Leuchte ein künstlicher Sternenhimmel erzeugt werden kann.
Try & Error ist jedoch eine sehr effektive Methode, um schnell weiterzukommen, wenn man mal irgendwo festhängt: Je Kapitel gibt es nicht sonderlich viele Räume, daher hält sich auch die Anzahl möglicher Kombinationen im Rahmen. Da sich der Cursor bei möglichen Kombinationen orange einfärbt und noch dazu die mögliche Kombination als Text eingeblendet wird, gibt es in der Regel nur richtige Kombinationen. Oder eine (noch) nicht richtige, die uns dafür mit einer spaßigen Sequenz belohnt.
Neben den üblichen Inventar- und Objekträtseln warten in 'Die Vieh Chroniken' auch einige Dialogrätsel (die besonders mit dem Vieh viel Spaß machen) und Minispiele auf den Abenteurer. Alle Rätsel sind gut in die Geschichte integriert. Egal, ob ein Schloss zu knacken oder ein Bild zu malen ist: Alles macht im Spiel an der Stelle Sinn.
Hübsch wie der Vorgänger
Schon 2009 gehörte 'The Book of Unwritten Tales' zu den hübschesten Adventures. 'Die Vieh Chroniken' sehen weiterhin hervorragend aus, im Vergleich zum Vorgänger finden sich die Verbesserungen vor allem im Detail. So gibt es jetzt eine verbesserte Beleuchtung der Figuren, mehr Hintergrundanimationen und Kamerazooms, die in Gesprächen für mehr Dynamik sorgen und in verschiedenen Räumen das Geschehen besser zeigen. Im Gegensatz dazu fallen die Figuren leider etwas ab und bewegen sich nicht immer natürlich. Das wird aber durch die rundum gelungenen Zwischensequenzen mehr als wett gemacht. Einziges größeres Manko der Grafik: Auf 16:9 Monitoren müssen Spieler mit schwarzen Balken leben.
Nicht vor der Grafik verstecken muss sich der Soundtrack von Komponist Benny Oschmann, der mit orchestralen Klängen jeweils eine passende Stimmung erzeugt. Aufgrund der wenigen Locations wiederholen sich einige Stücke zwar öfter, langweilig oder gar nervend werden sie aber nie. Getoppt wird der Soundtrack nur durch die hervorragenden Sprecher. Während Nate und die anderen schon bekannten Charaktere wieder von denselben Sprechern wie in 'BoUT' vertont wurden, hat man auch für die neuen Begleiter passende Stimmen gefunden. Leider klingen einige der Aufnahmen sehr nach Tonstudio und bei ganz wenigen Sätzen passt die Betonung nicht so ganz. Aber auch hier ist das Nörgeln auf sehr hohem Niveau.
Was die Steuerung angeht, ist keine Umgewöhnung notwendig: Wer 'The Book of Unwritten Tales' gespielt hat, wird sich auf Anhieb wieder zurecht finden, denn an der Steuerung hat sich nichts geändert. Adventuretypisch wird für das gesamte Spiel nur die Maus benötigt, dementsprechend leicht geht die Steuerung von der Hand. Lediglich für die Hotspot-Anzeige oder zum Aufrufen des Menüs wird noch die Tastatur benötigt.
'Die Vieh Chroniken' ist mehr als nur ein würdiger Nachfolger für eines der besten Adventures der letzten Jahre, mit dem KING Art seinen Platz unter den besten Entwicklern bestätigt hat. Wie schon im Vorgänger, wissen auch der Humor und die unzähligen Anspielungen auf Filme oder andere Spiele zu zünden. Für Punktabzug sorgen lediglich die angesprochenen Probleme bei den Rätseln, die zum Teil einfach zu früh gelöst werden können und die sehr starre Linearität. Auch ist die Anzahl der Nebencharaktere und Orte etwas zu gering ausgefallen und bietet somit nicht ganz so viel Abwechslung wie der Vorgänger. Dafür, dass es dennoch nicht langweilig wird, sorgen die abwechslungsreichen Aufgaben und die zwei Schwierigkeitsgrade, die erstmals seit langem wirklichen Wiederspielwert bieten. Wer den Vorgänger gern gespielt hat, kommt um 'Die Vieh Chroniken' nicht herum. Und wer 'The Book of Unwritten Tales' noch nicht kennt, sollte über den Kauf der Collection nachdenken, die beide Spiele enthält, denn beide Titel gehören in jede Adventure-Sammlung.
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Book of Unwritten Tales: Die Vieh Chroniken
- Entwickler
- KING Art
- Publisher
- Crimson Cow
- Release
- 6. Oktober 2011
- Auszeichnungen
- Adventure Corner Award
- Trailer
- Hier ansehen • Bei Youtube ansehen
- Webseite
- http://www.vieh-chroniken.de/
- Sprachen
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- Systeme
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- Stichwörter
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