2004 erschien das Taktik-Rollenspiel 'The Fall: Last Days of Gaia', heimste gute Wertungen ein und fand auch schnell Fans. Logisch, dass es nicht lange dauern sollte, bis Entwickler Silver Style einen Nachfolger ankündigte. Das war dann auch so ziemlich das letzte Mal, dass man etwas über das Stand-Alone-Addon 'The Fall: Mutant City' hörte. Bis Ende Oktober eine Pressemitteilung des Münchener Distributors 'F+F Publishing' darüber informierte, dass das Spiel Ende November des vergangenen Jahres erscheinen sollte - als klassisches Adventure. Was die Entwickler können, hatten sie bereits mit Spielen wie 'Everlight' (85% in unserem Test) bewiesen. Warum man aber von 'The Fall: Mutant City' seit 2005 nicht mehr viel gehört haben könnte, verrät unser Test.

Eine Reise durch die Welt in 50 Jahren
Fünfzig Jahre in der Zukunft sieht die Welt anders aus als heute. Nach einem atomaren Fallout leben die Menschen in hermetisch abgeriegelten Biosphären, die von Wüsten umgeben und von Mutanten bedroht sind. Hier treffen wir auf den Helden von 'The Fall: Mutant City'. Der tätowierte Keinhaarträger steht vor einigen Problemen. Nachdem er eine Wüste durchwandert hat, leidet er nicht nur an schrecklichem Durst, sondern auch an einer heimtückischen Wüstenseuche. Da der Tod durch Verdursten noch vor dem Ende durch die Wüstenseuche eintreten könnte, geht es nun also erst einmal daran, Wasser zu beschaffen. Wie gerufen steht direkt neben unserem Helden ein Truck, der auch mit einiger Anstrengung geknackt werden kann. Und neben dem zum Skelett verwesten Beifahrer findet sich auch eine Ration Wasser. Nun fehlt nur noch Medizin gegen die Wüstenseuche. In der nahegelegenen Stadt dürfte es so etwas sicherlich geben. Wie aber soll man da reinkommen, wenn doch eine Art Glaskuppel die Stadt umschließt? Durch eine offizielle Tür traut sich unser Held nicht, man könnte ihn gefangen nehmen oder Schlimmeres. Also wird der Truck fahrbereit gemacht, das Gaspedal mit Skelett-Teilen verkeilt und der Truck so gegen die Kuppelwand gefahren. Das verursacht sicher weniger Aufsehen. Und tatsächlich steht unser Held auch bald im Zelt - Pardon, in der Stadt. Dort trifft er auf einen zwielichtigen Händler, der die dringend benötigte Medizin besorgen will, im Tausch aber einige Gefälligkeiten von uns erwartet. Also machen wir uns auf den Weg durch die Stadt, erfüllen Aufträge, treffen dabei auf zwei bis drei weitere Einwohner, verschiedene Mutanten, die die Stadt übernommen haben und „nebenbei“ beseitigt werden müssen. Bald stehen wir vor dem Mutantenführer, der seine Schaar Anhänger eher wie eine Art Sekte führt und auf der Medizin sitzt, denn der Händler hat uns natürlich nur ausgenutzt. Ob es unser Held schaffen wird, die Mutanten zu besiegen und an die Medizin zu kommen? Und welches Geheimnis steckt hinter dem Mutantenführer?
Eine verdammt kurze Reise…
Das alles wissen geübte Adventurespieler nach rund 90 Minuten. Dann nämlich läuft der Abspann über den Bildschirm. Bis es soweit ist, haben wir exakt elf (11!) Bildschirme durchlaufen und mit einer Handvoll anderer Charaktere gesprochen. Unser namensloser Held fällt dabei mehr als einmal unangenehm durch brutales Vorgehen (wir schlachten wehrlose Hörnchen ab, weil der Held sie nicht mag), zu derbe Sprüche oder -vornehm ausgedrückt - rüpelhaftes Verhalten auf. So manches Mal fragt man sich, ob die Wüstenseuche vielleicht doch die bessere Alternative wäre. Zugegeben: Unsympathische Hauptcharaktere gab es schon öfter und zu einem Antihelden, der ohne Wasser allein durch Wüsten läuft, gehört sicher auch eine gewisse Härte dazu. Dass man sich aber nicht einmal die Mühe macht, dem Kerl einen Namen zu geben, sagt eigentlich alles aus.
Dabei hätte es so schön sein können, denn man merkt dem Spiel sein Potential an. Die Charaktere sind durchaus interessant, nur leider wird nicht wirklich viel über sie oder die Welt, in der sie leben, verraten. Wer den Rollenspielvorgänger nicht kennt, erfährt nahezu nichts über das Jahr 2062. Mit einem Intro oder einem kurzen Film, in dem die Vorgänge zusammengefasst werden - ja selbst mit einem etwas längeren Text im Handbuch hätte man dieses Problem umgehen können. Nur leider suchen wir diese Informationen vergebens. Weder liegt dem Spiel ein ausführliches Handbuch bei, noch gibt es ein Intro. Das Spiel beginnt und wir stehen einfach in der Wüste herum.
Der Keilriemen
Die Rätsel fügen sich passend in das Gesamtbild ein: Neben einigen logischen Aufgaben, die gut in die postapokalyptische Welt passen und deren Lösungen nachvollziehbar sind, gibt es leider auch welche, bei denen man sich fragt, wie sie wohl ihren Weg in das Spiel gefunden haben. Gerade im Vergleich zu den guten Rätseln fällt die Organisation eines Keilriemens besonders auf: Ein Treffen mit Rebellen, bei dem man geheime Informationen über den Mutantenführer bekommen soll, scheitert. Stattdessen findet unser Held ein Abzeichen der Mutanten. Damit wiederum lässt sich ein Geheimfach in einer Art Mutanten-Kathedrale öffnen. Wer nun glaubt, dass sich hier die erhofften Informationen finden, irrt. Wir finden einen Keilriemen. Diesen benötigen wir zwar auch dringend, aber irgendwie fragt man sich dann doch, warum ausgerechnet so etwas simples wie ein Keilriemen derart versteckt wird und warum der Held nicht einfach den Motor des eingangs schon erwähnten Trucks plündert. Das man diesen Keilriemen nun ausgerechnet dort benötigt, wo man das Abzeichen gefunden hat, ist nicht weiter schlimm. Wären es nicht die so ziemlich am weitesten auseinander gelegenen Screens und gäbe es die Möglichkeit, den Helden rennen zu lassen oder eine Karte mit Reisefunktion. Dann aber wäre das Spiel vermutlich bereits nach 45 Minuten vorbei.
Im Gegensatz zu den Rätseln leistet sich die Synchronisation keine Schwächen. Zwar passen nicht alle Sprecher zu ihren Rollen. Darüber kann man aber schon deswegen hinwegsehen, weil sie ihre Aufgabe wirklich gut machen. Für die zum Teil recht seltsamen Dialoge können sie ja schließlich nichts. Irgendwann wundert es auch nicht mehr, dass eine Frau, deren Bekannten wir soeben umgebracht haben, nur einen Wimpernschlag später eine Zusammenarbeit vorschlägt und im weiteren Spiel scheinbar Gefühle für den Helden entwickelt. Natürlich ebenfalls nur wenige Minuten später.
Ein letztes Adventure von Silver Style
Das Entwicklerstudio Silver Style wurde in Folge der Insolvenz von The Games Company in ein anderes Entwicklerteam eingegliedert und arbeitete an keinen Adventures mehr. 'The Fall: Mutant City' kann man die Herkunft dennoch anmerken. Nicht nur die Charaktere weisen eine gewisse Ähnlichkeit mit dem typischen Silver Style-Stil auf, auch die aus den anderen Produktionen bekannten Features finden sich im Spiel. Neben einer Hotspotanzeige, die wahlweise auf Ausgänge oder Gegenstände hinweist, gibt es auch das bereits aus 'Everlight' bekannte mehrstufige Hilfesystem, das von der aktuellen Aufgabe über einen einfachen Tipp bis zur Komplettlösung alles bereithält. Diese Hilfefunktion, "Survival Guide" genannt, ist schon allein deswegen ein treuer Begleiter beim Spielen, da immer mal wieder nicht klar ist, was wir eigentlich machen sollen.
Die in der ersten Pressemitteilung angekündigten und ebenfalls aus Spielen wie 'Everlight' bekannten Tag- und Nachtwechsel sucht man übrigens vergebens, auf der offiziellen Homepage von 'The Fall: Mutant City' ist davon inzwischen auch keine Rede mehr. Aufgrund der extrem kurzen Gesamtspielzeit bleibt auch nicht viel vom nicht-linearen Rätseldesign übrig, allerdings darf man sich aussuchen, in welcher Reihenfolge man einige der Aufgaben angeht.
Die trostlose Atmosphäre, die nach dem Fallout herrscht, wird durch die detaillierten Hintergründe gut wiedergegeben. Leider bleiben diese relativ statisch, nur hin und wieder sorgen kleine Animationen für Leben. Den Charakteren hätte ebenfalls etwas mehr Bewegung gut getan, sind die meisten Animationen doch sehr steif und nicht immer der Situation angemessen. Auf die Nahaufnahmen während der Gespräche hätte man auch besser verzichtet, denn dadurch fallen die unpassenden Lippenbewegungen noch mehr auf.
'The Fall: Mutant City' ist schneller vorbei, als man glauben mag. Die postapokalyptische Atmosphäre beginnt zu wirken und auch die Story wartet noch gerade mit einigen interessanten Wendungen auf. Auch die Charaktere sind nicht so uninteressant, als das man sie nicht näher kennenlernen möchte. Doch kaum hat der Spieler diesen Punkt erreicht, an dem er mit dem Spiel etwas warm geworden ist, läuft der Abspann über den Monitor. Zwar bleiben keine Fragen offen, es wurden allerdings auch kaum welche gestellt. Man hat daher den Eindruck, dass hier ein Spiel veröffentlich wurde, bei dem nur der Prolog fertig war. Immerhin hat das Spiel mit rund 90 Minuten gerade einmal die Länge eines durchschnittlichen Kapitels aus 'Everlight'. Dass auch wenigstens eine der einst angepriesenen Funktionen fehlt, bestätigt diesen Eindruck. So bleibt am Ende ein Spiel, das deutlich hinter seinen Möglichkeiten zurückbleibt und dem der Beigeschmack einer Mogelpackung anhaftet, denn für rund 20 Euro wird hier zu wenig Spiel geboten.
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The Fall: Mutant City
- Entwickler
- Silver Style Entertainment
- Publisher
- F+F Publishing
- Release
- 25. November 2011
- Webseite
- http://thefallmutantcity.com/
- Sprachen
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- Systeme
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- Stichwörter
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