Bis vor wenigen Jahren war das tschechische Studio Centauri Production in Deutschland noch weitestgehend unbekannt. Und dennoch konnten sich die Prager Entwickler 2008 bei einem Titel über reihenweise gute Wertungen seitens Fachpresse und Spieler freuen. Der Überraschungshit hieß 'Memento Mori' und kombinierte bekanntes Adventure-Gameplay mit einer beeindruckenden 3D-Engine, konnte aber allen voran durch eine filmreif inszenierte Mystery-Handlung überzeugen. Kein Wunder also, dass gerade einmal zwei Jahre später auf der gamescom bereits die Ankündigung zu einer Fortsetzung am Stand von dtp folgte. Als kleine Hürde gab der erfolgreiche Vorgänger jedoch mehrere unterschiedliche Spielenden mit auf den Weg, woraufhin sich Centauri dazu entschloss, in 'Memento Mori 2' lediglich an einen dieser Handlungsstränge anzuknüpfen. Ob dieses Vorhaben allerdings mit gleich hoher Qualität gelungen ist, verraten wir in unserem Test.

Geflittert wird später
Durch die schönen Landschaften und das sonnige Wetter wird Kapstadt von vielen gerne als Balsam für die gestresste Seele gesehen und ist damit nicht umsonst ein sehr beliebtes Reiseziel bei Touristen. Das gilt auch für Lara und Max, die nach den Strapazen aus dem vorangegangenen Abenteuer nun frisch vermählt ihre wohlverdienten Flitterwochen in Südafrika verbringen. Neben der gemeinsamen Zeit mit seiner Angetrauten freut sich Max ganz besonders auch auf die vielen Gelegenheiten, um seine malerischen Kunstwerke zu vollenden und sich gleichzeitig von den wiederkehrenden Albträumen und düsteren Visionen ein wenig abzulenken, die ihn im Alltag schon seit geraumer Zeit plagen. Doch auch hinter der sonnigen Kulisse von Kapstadt geht es nicht immer nur gesittet zu. Dies bekam in der letzten Nacht namentlich die örtliche Kunstgalerie zu spüren, aus der einige wertvolle Gegenstände entwendet wurden. Bei ihren Untersuchungen konnte die Polizei jedoch keine wirklichen Hinweise finden oder Zeugen ausfindig machen, weshalb die Ermittlungen mindestens genauso schnell wieder eingestellt wie aufgenommen wurden. Für den Galerie-Inhaber ein Schlag ins Gesicht, mit dem er sich nicht wirklich anfreunden will und somit unverzüglich seine Kontakte zu Interpol spielen lässt. Und wen könnte es da besser treffen als Lara, die ohnehin schon in Kapstadt weilt und direkt von ihrer ehemaligen Vorgesetzten Renier um Mithilfe gebeten wird? Mit wenig Begeisterung und etwas Unverständnis darüber, dass Lara trotz ihrer Zugehörigkeit zu SWoA, einer mittlerweile von Interpol unabhängigen Abteilung für Kunstraubermittlungen, immer noch nach Reniers Pfeife tanzt, schließt sich der ehemalige Kunstfälscher Max dennoch widerwillig den Ermittlungen an.
Vielleicht sorgt dieser kleine Ausflug zur Galerie zumindest für ein bisschen Ablenkung und bringt ihn eventuell sogar wieder ein wenig in die richtige Spur. Dabei müssen die beiden Durands gar nicht lange suchen, um auf Hinweise zu stoßen, die von der hiesigen Polizei recht schlampig übersehen wurden. Auch die gestohlenen Gegenstände selbst legen den Schluss nahe, dass hinter dem Diebstahl vielleicht kein gewöhnliches Verbrechen zu vermuten und der Auftraggeber im Umfeld von Kapstadt zu suchen ist. Doch die tagelange Recherche verkommt für Lara zur absoluten Nebensache, als Max auf den kurvigen und steilen Klippen Kapstadts schwer mit dem gemeinsamen Mietwagen verunglückt und daraufhin jede Spur von ihm fehlt. Die zuständigen Behörden sehen nur wenig Anlass zu glauben, dass irgendjemand diesen Unfall hätte überleben können. Lara hingegen klammert sich in ihrer Verzweiflung an jede noch so kleine Hoffnung und will ihren Partner nicht so einfach aufgeben, doch was will sie alleine und auf sich gestellt schon groß ausrichten? Aber einfach so weiterleben, als wäre nichts geschehen? Das kommt für Lara nicht in Frage, so dass bei ihrer Rückkehr in Lyon bereits der Entschluss feststeht, den Beruf als Ermittlerin endgültig an den Nagel zu hängen und dieses Kapitel ein für alle Mal zu schließen. Als jedoch in einem neuen Fall Hinweise auf eine Verbindung zu Max aufzutauchen scheinen, sagt ihr ein seltsames Gefühl, dass sie dieser kleinen Spur einfach nachgehen muss. Doch kann sie sich überhaupt noch auf ihr Gespür verlassen oder spielt ihr der Wunsch nach Erkenntnis lediglich einen fiesen Streich?
Die Wahrheit zwischen Glaube und Vernunft
Dieser Spagat zwischen dem mulmigen Gefühl in Laras Magengegend und ihrem sonst immer so rational arbeitenden Verstand rückt quasi unauffällig in das Zentrum der Handlung von 'Memento Mori 2'. Wie lassen sich die vergangenen und noch folgenden Ereignisse rational erklären? Hatte Max mit seinen verstörenden Visionen über den Todesengel vielleicht doch die ganze Zeit Recht? Obwohl die Handlung über die insgesamt sieben Kapitel strikt linear abläuft, muss der Spieler diesbezüglich wiederkehrend Entscheidungen treffen, wie etwa mit Hinweisen umzugehen ist, die eine Verbindung zu Max herstellen könnten, oder ob Lara bereit ist, sich mehr durch ihr Herz als durch ihren Verstand leiten zu lassen. Neben diesen Wahlmöglichkeiten an bestimmten Stellen des Spiels, die in Folge dessen auch in unterschiedlichen Enden gipfeln können, muss sich Lara aber ebenso durch eine Menge bodenständiger Ermittlungsarbeit kämpfen, die von vielen klassischen Kombinations- und Dialogrätseln geprägt wird.
Um somit etwa hin und wieder an zusätzliche Informationen zu gelangen, das Vertrauen bestimmter Personen zu gewinnen oder diese einfach nur vorübergehend abzulenken ohne deren Geduld überzustrapazieren, ist nicht nur Fingerspitzengefühl gefragt. Gelegentlich müssen auch einfach nur gefundene Informationen dazu verwendet werden, aufkommende Fragen punktgenau zu beantworten. Selbst wenn das einmal nicht gleich im ersten Anlauf gelingt, eine solche Aufgabe kann in der Regel mit unbegrenzt vielen weiteren Versuchen erneut angegangen werden. Auch die Objektkombinationen laufen wie gewohnt ab, so dass nützliche Objekte ins Inventar wandern und daraufhin an anderer Stelle eingesetzt werden können. Doch speziell für diesen Fall hat sich Centauri kleinere Besonderheiten einfallen lassen. So können manche Objekte zwar zur Benutzung im Inventar landen, aber daraufhin nur in einem bestimmten Umkreis verwendet werden, da sie fest mit der Umgebung verbunden sind. Zusätzlich kann jeder mitgeführte Gegenstand aus einer Nahansicht und aus verschiedenen Perspektiven betrachtet werden. Ist der Verwendungszweck eines Objekts einmal noch nicht direkt ersichtlich, so kann sich das bei näherem Hinsehen ganz schnell wieder ändern.
Darüber hinaus schieben die Entwickler immer mal wieder kleinere Minispiele ein, die allerdings von ziemlich schwankender Qualität sind. Ob es beispielsweise derart unoriginelle und eintönige Aufgaben gebraucht hätte, bei denen Lara stumpfsinnig mehrere Gasregler einstellen oder mit einem Gabelstapler Paletten umsetzen muss, darf getrost bezweifelt werden. Dagegen fordern wiederum andere Minispiel-Einlagen etwas mehr Grips und Kombinationsfähigkeit, um vergleichsweise den Öffnungsmechanismus eines Holzkästchens aus Hinweisen in der Umgebung richtig einzustellen oder den Verlauf eines Verbrechens Schritt für Schritt durch Beweisfotos und Zeugenaussagen zu rekonstruieren, die zuvor sorgfältig gesammelt und dokumentiert wurden. Zu Beginn gestalten sich derartige Nachforschungen noch recht gediegen, wenn in der eingangs erwähnten Kunstgalerie lediglich Fingerabdrücke möglicher Täter zu vergleichen sind. Über kurz oder lang müssen jedoch aus gefundenen Hinweisen auch komplette Tathergänge nachvollzogen werden, damit Lara der Lösung des Falls und somit der Wahrheit wieder einen Schritt näher kommt. Dabei lohnt es sich, die Augen stets weit offen zu halten, denn die Gewissenhaftigkeit von Laras Ermittlungen wird zusätzlich in einem prozentualen Punktesystem festgehalten, was zumindest den ermittlerischen Ehrgeiz - so man ihn denn hat - immer wieder aufs Neue herausfordert. Insgesamt fügen sich die meisten Minispiel-Einschübe aber immer sinnvoll in die Handlung ein und wirken dadurch auch nicht einfach nur plump aufgesetzt, wenngleich eine Wahlmöglichkeit zum Überspringen selbiger sicherlich ebenfalls nicht geschadet hätte. Doch auch ohne diese Option sind die gestellten Aufgaben, wie auch die meisten sonstigen Rätseleinlagen, nicht wirklich schwierig zu meistern. Zumindest sorgt aber ausreichend Abwechslung dafür, dass in den gut 10-14 Stunden Spielzeit so schnell keine Langeweile aufkommt.
Grafikpracht und Hörgenuss
Langweile ist auch hinsichtlich der Klänge aus den heimischen Boxen nicht zu erwarten. Alleine der Soundtrack zeigt sich bereits im Intro von der allerbesten Seite, aber auch darüber hinaus liefert 'Memento Mori 2' keine wirklichen musikalischen Ausreißer nach unten. Passend zur jeweiligen Szene hält sich die Soundkulisse meist dezent im Hintergrund, verschwindet gelegentlich ganz und setzt falls nötig schwungvoll wieder ein. Dazu gesellen sich ebenfalls hervorragende Sprecher, die nicht nur den drei spielbaren Charakteren Max, Lara und ihrer guten Freundin Keira gekonnt Leben einhauchen, sondern auch den zahlreichen Nebencharakteren durch die gelungene Vertonung Glaubwürdigkeit verleihen.
Unterstützt wird das im grafischen Bereich zusätzlich durch detaillierte Charaktermodelle, welche die Emotionen noch authentischer transportieren sollen. Das gelingt sicherlich nicht in einer gleich hohen Qualität wie etwa bei 'L.A. Noire', was auch daran liegt, dass die Mimik und Gesichtsanimation vereinzelt etwas ausdruckslos wirkt. Doch dessen ungeachtet versucht 'Memento Mori 2' nicht nur eine neue Grafikreferenz im Bereich der 3D-Adventures sein, diesen Stern darf sich der Titel fraglos gerne anheften, denn die abwechslungsreichen Umgebungen von Kapstadt, Lyon, San Francisco, Finnland und Mexiko werden einfach nur prachtvoll in Szene gesetzt. Einen Beitrag dazu leisten mitunter die fabelhaften Lichteffekte, so dass fast schon im Gleichschritt mit Laras wachsender Verzweiflung, den Mordfällen und der sich somit entwickelnden Handlung ein immer düster werdendes Bild gezeichnet wird. Um aber keine Abstriche bezüglich der tollen Optik in Kauf nehmen zu müssen, ist im Gegenzug für maximale Qualitätseinstellungen sowie eine hohe Auslösung allerdings ausreichend Rechenleistung notwendig. Doch auch falls diese nicht ganz so üppig ausfällt, macht die Grafik selbst mit weniger Details immer noch eine ausgezeichnete Figur. Um die längeren Ladezeiten bei Szenenwechseln ist jedoch auch dann kein Herumkommen, aber diesen Preis ist man fast schon gerne bereit zu zahlen.
Nicht nur schick, sondern auch komfortabel
Ungeachtet der opulenten 3D-Engine und den damit einher gehenden cineastischen Kameraschwenks zeigt sich die Steuerung dennoch unkompliziert. Das liegt unter anderem an der guten Positionierung der Kamera und den ebenfalls nur leichten Blickwinkeländerungen, wodurch hektische Klicksituationen in der Regel vermieden werden. So wird ein direkter Szenenwechsel mit einem Doppelklick auf den Bildaufgang angestoßen, wobei die jeweiligen Protagonisten durch gleiches Vorgehen innerhalb der Umgebung bereitwillig zu einem kurzen Sprint ansetzen - wenn auch etwas ungelenk, da zwischendurch immer mal wieder abrupt eine kleine Verschnaufpause eingelegt wird. Um zusätzlich ein wenig unter die Arme zu greifen, hilft eine optionale Hotspotanzeige dabei, alle notwendigen Hinweise zu finden, während Lara darüber hinaus in ihrem Tagebuch Notiz über alle wichtigen Ereignisse führt und ebenfalls nützliche Dokumente dort abheftet, um somit das Inventar nur mit den notwendigsten Gegenständen zu belasten. Damit auch der Zugriff auf selbiges leichter von Statten geht, kann auf Wunsch ganz bequem mit dem Mausrad durch die einzelnen Gegenstände gescrollt werden, was sich besonders mit zunehmender Spielzeit als angenehm erweist und über das sich nach jeder Interaktion schließende Inventar schnell hinweg tröstet.

Ein typisches Feel-Good-Spiel ist 'Memento Mori 2' mit Sicherheit nicht, auch wenn die Flitterwochen des frisch getrauten Ehepaars und die zu Beginn sonnigen Kulissen in Kapstadt zunächst Ähnliches vermuten lassen könnten. Schon recht bald ist diese anfänglich gezeichnete Idylle dahin und die Handlung driftet zu einem übersinnlichen und fesselnden Mystery-Thriller ab, bei dem die Spannung bis zum großen Finale förmlich greifbar ist. Die detailreichen 3D-Umgebungen sorgen dabei gemeinsam mit tollen Lichteffekten und hervorragenden Sprechern für eine stimmige Atmosphäre, so dass sich die Handlung und die Charaktere wie schon im Vorgänger glaubwürdig darin entfalten können. Einzig das Rätseldesign hinkt mit einigen öden Minispielen und dem mäßigen Schwierigkeitsgrad ein wenig hinterher, versucht dies jedoch mit sonst eher abwechslungsreichen Aufgaben wieder auszugleichen, in denen man sich gelegentlich sogar wie ein waschechter Ermittler fühlen darf. Wer mit kleineren Unzulänglichkeiten und den etwas längeren Ladezeiten leben kann, der darf sich getrost über ein grafisch opulentes, umfangreiches und filmreif inszeniertes Mystery-Abenteuer freuen.
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Memento Mori 2: Wächter der Unsterblichkeit
- Entwickler
- Centauri Production
- Publisher
- dtp - digital tainment pool
- Release
- 15. Juni 2012
- Auszeichnungen
- Adventure Corner Award • Die beste Grafik des Jahres
- Webseite
- http://www.mementomori2-game.de
- Sprachen
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- Systeme
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- Stichwörter
- Memento Mori 2 bei Amazon kaufen (Affiliate-Link)
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