In den letzten Jahren erfreuen sich Märchen, insbesondere im angloamerikanischen Raum, zunehmender Beliebtheit. So feiert zum Beispiel die ABC-Serie 'Once Upon a Time' Woche für Woche gute Quoten und hat inzwischen sogar ein Spin-Off bekommen. Sam Raimis Spielfilm 'Der Zauberer von Oz' wiederum konnte im Kino immerhin eine halbe Milliarde Dollar einspielen. Angesichts solcher und weiterer Erfolge verwundert es wenig, dass sich Telltale Games als Nachfolgeprojekt zu 'The Walking Dead' eine Adaption von Vertigos beliebter Comic-Reihe 'Fables' vorgenommen hat. Episode eins haben wir uns im Test gründlich angesehen. Sie trägt den klingenden Namen 'Faith'. Eine Staffel-Wertung folgt übrigens erst im Test der letzten Episode.

Märchen-Stars im Untergrund
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Bigby ist Gesetzeshüter für Märchenwesen. Mit der offiziellen Polizei hat er aber nichts zu tun. |
Eins sei vorweggenommen: Wer 'Fables' noch nicht kennt und im europäischen Raum wird dieses Problem wahrscheinlich auf einige zutreffen, der muss sich keine Sorgen machen. Einerseits spielt dieses Comic-Universum ohnehin vorwiegend mit allseits vertrauten Figuren aus der Märchenwelt und abgesehen davon setzt Telltales Adaptierung als Prequel vor dem eigentlichen Beginn der Reihe ein. Und wer kennt sie nicht: Schneewittchen, die Schöne und das Biest, den Großen Bösen Wolf? Diese und andere Figuren hat Bill Willingham in seiner recht jungen Comic-Reihe (die erste Ausgabe erschien 2002) ins New York City der Gegenwart versetzt. Dort sind sie aber nicht freiwillig gelandet, wurde doch ihre Welt versklavt. Von ihrer Existenz darf jedoch kein Normalsterblicher erfahren. Wer sich äußerlich von den Menschen unterscheidet, greift zu einem speziellen Zauber um nicht aufzufallen. Doch alles kostet Geld und das macht einigen schwer zu schaffen.
So hat sich in New York City eine geheime Subgesellschaft aus Fabelwesen gebildet, mit einem eigenen Oberhaupt und einer eigenen Rechtsprechung. Das Gesetz wird von einem Mann aufrechterhalten, genauer gesagt einem Wolf... dem großen bösen Wolf, auch Bigby genannt. Er ist der Protagonist dieser düster erwachsenen Geschichte. Wie in vielen Noir-Geschichten avanciert dieser launische Einzelkämpfer früh zum Kettenraucher. Zu Beginn führt uns sein Job zum Vermieter Mr. Toad. Was im Haus dieser Kröte zunächst nach einem simplen Konflikt aussieht, entpuppt sich spätestens dann als grobes Problem, wenn der Gesetzeshüter einen demonstrativ platzierten, abgetrennten Kopf vor der Tür zu seinem Haus findet. Doch es soll sogar noch schlimmer kommen, denn dieser brutale Mord an einem Fabelwesen markiert lediglich den blutigen Anfang.
Bigby: Der einsame Antiheld
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Schneewittchen hilft bei diesem ersten Fall ein wenig mit |
Das im Fables-Universum ausgerechnet der Wolf der Sheriff ist, mag zunächst überraschen. In vielen Märchen findet er Erwähnung und immer treibt er als Bösewicht sein Unwesen. In dieser fremden Welt haben sich die Voraussetzungen allerdings geändert. Die Märchenwesen sind zum kollektiven Überleben auf Zusammenhalt angewiesen. Zudem war Bigby immer ein einsamer Kämpfer und als solcher nicht nur eine gefürchtete Persönlichkeit, sondern unbestechlich und mit tollem Spürsinn ausgestattet. Vor allem aber hat er einiges gutzumachen, denn seine Vergangenheit ist mit viel Leid gepflastert! In diesem Sinne zählt er, ähnlich wie Lee Everett in 'The Walking Dead', womöglich zu jener Sorte Antiheld, die den Pfad der Erlösung sucht. Aber das wird sich im Laufe der folgenden Episoden noch klären.
Egal ob nun TV oder Computerspiel, der Pilot zu einer Serie ist immer eine besonders diffizile Angelegenheit. Hier bedarf es einer bedacht gewählten Mischung, um inhaltlich einerseits nicht zu überladen und dennoch das narrative Setting entsprechend zu etablieren. Die Autoren von 'Faith' gehen mit dieser Herausforderung klug um und decken stets nur soviel auf wie notwendig. In Episode eins lernen wir also Bigby kennen, seinen beruflichen Alltag und sein persönliches Umfeld. Und wir entwickeln ein Gefühl für diese geheime Märchen-Gesellschaft, in der viele Konflikte lauern. Hinterher haben wir also genug Informationen, um fröhlich Hypothesen für die kommenden Episoden zu schmieden, doch die wichtigen Fragen bleiben ganz bewusst offen. Obwohl die Geschichte erst am Anfang steht, legt sie doch recht viel Tempo an den Tag.
Das Telltale Games über starke Autoren verfügt, ist spätestens seit 'The Walking Dead' kein Geheimnis mehr. Die cinematische Adaption zu 'Fables' bildet hier keine Ausnahme. Insbesondere die Dialoge und Charakterkonstellationen sind sehr gut gelungen. Da wie gewohnt einige Entscheidungen frei sind und auch die Entwicklung mancher Charakteren zum Teil vom Spieler abhängig ist, ist die erste Episode von 'The Wolf Among Us', ähnlich wie die meisten Episoden der Zombie-Reihe und im Gegensatz zu Film und Fernsehen, nicht streng auf eine konkrete Botschaft zugeschnitten. Im inhaltlichen Zentrum steht zunächst ein Mord und die Suche nach Antworten. Dennoch funktioniert das Konzept von Telltale, auch weil man sich in Bigby erstaunlich gut hineinversetzen und seine Rolle relativ unterschiedlich ausleben kann. Ein kampffreudiger, aggressiver Bigby ist beispielsweise ebenso möglich, wie ein Vernünftiger. Abzuwarten bleibt jedoch, welche Rolle die gewählten Entscheidungen dann in den folgenden Episoden spielen werden.
Entscheidungen, Quicktime-Events und Rätsel
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Je nachdem, welchen Schauplatz wir nun zuerst besuchen, machen wir auch etwas andere Erfahrungen... |
Für diejenigen, denen schon 'The Walking Dead' zu viele Quicktime-Events, Stress und nicht genügend Rätsel enthielt, sei gesagt, dass auch 'The Wolf Among Us' genau so läuft. In den zwei Stunden sieht man sich mit deutlich mehr QT-Events konfrontiert, die stärker im Vordergrund stehen. Sehr früh im Spiel stolpert man in die erste eindrucksvolle QT-Schlägerei. In solchen Momenten kommt es obligatorisch darauf an, rechtzeitig jene Taste zu drücken, die vom Spiel verlangt wird. Zudem muss man den Cursor hin und wieder mitten im Kampf zu einem Angriffspunkt am Körper des Gegners bewegen. Wer solche Herausforderungen mag, dürfte Freude damit haben. Immerhin toleriert 'The Wolf Among Us' in solchen Situationen einige Fehler und auch ein sehr unroutinierter Tastenakrobat wird in der Regel ans Ziel kommen (wenn auch vielleicht mit mehr blauen Flecken im Gesicht...). Scheitern ist auch deshalb nicht so tragisch, da die Speicherstände sehr nahe beieinanderliegen.
Richtige Rätsel sucht man verglich. Zwar existiert wie gewohnt ein Inventar und im Spielverlauf können wir ein paar Objekte sammeln, doch spielt dieser Aspekt zumindest in 'Faith' keine spürbar entscheidende Rolle. Telltales Fokus ruht offensichtlich auf anderen Dingen. Vorwiegend in Gesprächen sieht man sich zum Nachdenken angehalten. Wer könnte es gewesen sein? Steckt in dem eben gehörten Satz ein Widerspruch? Glaube ich dieser Person und warum? Wie üblich bleibt in solchem Situationen wenig Zeit für eine Antwort, wodurch man als Spieler leicht Fehler begeht, was wohl aber den Reiz der Sache ausmacht, da eben nicht immer die rational naheliegende Variante gewählt wird. Stark gelungen in diesem Zusammenhang ist zum Beispiel eine Wohnungsdurchsuchung: dabei müssen Hinweise gefunden werden und der Verdächtige parallel dazu befragt werden, um Unstimmigkeiten in dessen Erklärungen aufzudecken. Wie gewohnt bleibt allerdings abzuwarten, wie sehr manche in 'Faith' getroffene Entscheidungen für die Fortsetzung relevant sein werden.
Technische Umsetzung
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Diesem Herren würde man gerne nette Worte an den Kopf werfen... |
Grafisch gelingt es Telltale wunderbar, den Stil der Graphic Novel mit der eigenen Handschrift zu vermengen. Das Resultat ist stimmungsvoll inszeniert und vermittelt eine interessante Noir-artige Atmosphäre. Auch musikalisch gibt es nichts auszusetzen. Der Soundtrack drängt sich nie unnötig in den Mittelpunkt und unterstreicht gekonnt die Stimmung. Hervorragend ist die Sprachausgabe. Ähnlich wie bei 'The Walking Dead' hat man stets das Gefühl, dass die stets passend gewählten Sprecher ein klares Bild von ihrer Figur haben und sich sehr gut in den jeweiligen Charakter hineinversetzen können. Leider gibt es derzeit nur eine englische Fassung und deutsche Untertitel werden wohl noch einige Zeit auf sich warten lassen. Abgesehen davon wäre es besser, wenn sich die englischen Untertitel optisch stärker vom Hintergrund abheben würden. Sie sind nicht immer so gut lesbar. Die Handhabung verhält sich grundsätzlich ident zur Zombie-Adaption. Das Spiel kann also mittels Gamepad oder auch via Maus und Tastatur gesteuert werden. Im Spiel bewegen wir Bigby in Point-and-Click-Manier voran und können ein paar Objekte in der Umgebung anklicken und Personen ansprechen. Gerade bei den Quicktime-Events bewegt sich der Cursor mit dem Gamepad jedoch etwas ungelenk. In solchen Situationen ist man mit der Maus manchmal besser unterwegs. Schaffbar ist es natürlich dennoch mit beiden Methoden der Steuerung.

Gäbe es etwas mehr spielerische und geistige Herausforderung, die erste Episode zu 'The Wolf Among Us' wäre ein heißer Kandidat für eine Auszeichnung. Die erwachsene Geschichte macht soweit einen richtig starken Eindruck und endet obendrein mit einer echten Überraschung. Visuell wie akustisch gibt es ebenfalls wenig auszusetzen. Die Quicktime-Events sind ihrerseits abwechslungsreich und bieten eine satte Portion Action, doch für Adventure-Fans vom alten Schlag sind sie wahrscheinlich zu stressig, zu geschicklichkeitsbetont und passieren letztlich zu oft. Besonders schade ist hingegen, dass die im Ansatz sehr interessanten investigativen Momente von Telltale so vereinfacht wurden. Trotz Mankos bietet 'Faith' zwei Stunden lang richtig gute Unterhaltung und ebnet gekonnt den Weg für ein vielversprechendes Comic-Abenteuer.
Fazit von Peter Färberböck:
Die Grafik, Geschichte und Amosphäre passen bei 'The Wolf Among Us' von Anfang an. Bereits die kurze erste Episode hat es geschafft mich in den Bann zu ziehen und nach den Preisen der Fables Graphic Novels zu suchen. Um in die obere Liga der Adventures aufzusteigen, fehlen aber Rätsel und etwas gemächlicherer Spielstil. Aber im Olymp der oberen Spiele ist es für mich ohnehin. Das lässt mich zwiegespalten. Einerseits ein hervorragendes Spiel, andererseits nicht das beste Adventure. Trotzdem können Charaktere überzeugen und man sympathisiert mit dem großen, bösen Wolf - Fast schon erschreckend! Es bleibt wohl dabei: Wem so eine Art Spiel gefällt, der findet kaum bessere Unterhaltung!
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The Wolf Among Us
- Entwickler
- Telltale Games
- Publisher
- Telltale Games
- Release
- 11. Oktober 2013
- Auszeichnungen
- Adventure Corner Award
- Trailer
- Hier ansehen • Bei Youtube ansehen
- Webseite
- http://www.telltalegames.com/thewolfamongus
- Sprachen
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- Systeme
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- Stichwörter
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2 Kommentare
band 1-10 erstmal bestellt