Streng genommen geistert das Indie-Adventure 'The Stanley Parable' schon seit 2011 umher. Zunächst war es lediglich als 'Half Life 2'-Mod downloadbar. Ähnlich wie 'Dear Esther' war das First-Person-Spiel jedoch so ungemein beliebt, dass im Herbst 2013 eine überarbeitete Stand-Alone-Fassung für PC und Mac erschien, mit einigen neuen Storyelementen. Wir haben für Euch einen Blick darauf geworfen.

Der normale Büroalltag?
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In den typischen Räumen eines Bürogebäudes beginnt alles... |
'The Stanley Parable' beginnt zunächst sehr unscheinbar. Kalte Räumlichkeiten eines gewöhnlichen Bürogebäudes umgeben uns. Geleitet von einem nett klingenden Erzähler, machen wir uns in Ruhe mit dem Setting vertraut, ganz so, wie wir es immer in Spielen tun. Diesmal verkörpern wir Stanley, einen typischen Büro-Arbeiter, der tagein tagaus Daten auf dem Computer verarbeitet und Knöpfe zu drücken hat. Diese Tätigkeit verrichtet er brav und ohne sie zu hinterfragen. Eines Tages wird diese eiserne Routine schlagartig durchbrochen, denn auf dem Bildschirm herrscht blanker Leerlauf. Stanley ist ratlos und seine Ratlosigkeit wird drastisch verstärkt, als er sich auf die Suche nach seinen Kollegen begibt. Im Büro ist alles menschenleer und mit dieser Ausgangslage starten wir hinein in ein höchst ungewöhnliches Abenteuer...
Fragen über Fragen
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Wir entdecken höchst unterschiedliche Räumlichkeiten, die Fragen aufwerfen. |
Die offiziellen Informationen zu diesem Indie-Abenteuer muten zunächst kryptisch an: Demnach gibt es Entscheidungen und es gibt keine Entscheidungen. Es hat ein Ende und doch endet es nie. Wir spielen Stanley und auch wieder nicht. Widersprüchlich? Eigentlich nein und bereits nach wenigen Minuten macht diese Ansage erstaunlich viel Sinn. Eine Sache sei an dieser Stelle jedoch angemerkt: Je weniger vorab zu 'The Stanley Parable' bekannt ist, desto effektiver funktioniert die Geschichte. Erwarten darf man sich aber ein kurzes Indie-Adventure, das auf einer Metaebene nicht nur den für viele Menschen typisch gewordenen Routine-Arbeitsalltag kritisch hinterfragt, sondern zugleich eine erstaunlich bissige Sicht zu Spielen an sich liefert und geschickt durch das Gameplay untermauert. Zwar dauert das Vergnügen etwa ein, zwei Stunden und vielleicht sogar mehr. Je nachdem wie gründlich wir alle Wege abklappern. Mehrere Varianten stehen uns hier offen, die jeweils binnen weniger Minuten zu einem gänzlich anderen Finale führen. Die zentrale Aussage wird aber sehr früh deutlich und sie verleitet unweigerlich zum Grübeln: Was hilft uns die Flucht in eine andere Welt? Belügen wir uns nicht selbst, wenn wir uns einbilden, hier bedeutungsvolle Entscheidungen treffen zu können, wichtig zu sein? Es geht also um grundlegende philosophische Fragen und der geschickte Umgang mit von interaktiven Medien üblicherweise gemiedenen Themen, macht 'The Stanley Parable', selbst aus heutiger Sicht, zu einem grandiosen Werk.
Technisch altbacken
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Selbst bei einem Rätsel, rückt das Rätsel in den Hintergrund... |
So toll es inhaltlich sein mag, grafisch gesehen reicht das explorative Indie-Adventure leider nicht über ein halbwegs akzeptables Durchschnittsniveau hinaus. Dass die 'Half Life 2'-Engine rund zehn Jahre auf dem Buckel hat, sieht man der First-Person-3D-Optik allzu deutlich an. Immerhin kann das Spiel von Glactic Cafe gerade auf akustischer Ebene einiges kompensieren: Neben dem atmosphärischen Soundtrack, fühlt man sich nämlich flugs vom grandiosen Erzähler in den Bann gezogen, der auf verbaler Ebene die volle schauspielerische Bandbreite beherrscht und binnen Sekunden mit Leichtigkeit ausspielt. Mit einer satten Portion Zynismus kommentiert er Stanleys Aktionen und hat ein paar starke Pointen auf Lager.
Eine deutsche Vertonung fehlt zwar, dafür gibt es Untertitel. Auf interaktiver Ebene lässt 'The Stanley Parable', abseits von einiger Exploration, nicht viel Spielraum (vergleichbar mit 'Dear Esther' gibt es keine Rätsel und auf jegliche Actioneinlagen wird verzichtet), doch selbst dieses vermeindliche Defizit macht im narrativen Kontext erstaunlich viel Sinn und verleiht der Botschaft sogar noch mehr Kraft. Langeweile kommt in jedem Fall wahrscheinlich nicht so bald auf, was allerdings nur dann gilt, sofern man sich für die philosophische Metaebene interessiert und mit kurzen Spielen kein Problem hat.

Abseits der veralteten Technik, kann ich 'The Stanley Parable' kaum etwas vorwerfen. Die unverbrauchte Story-Idee ist grandios und das Gameplay nutzt seine Limitationen gekonnt, um die philosophische Botschaft zu untermauern. Noch mehr Interaktivität wäre in diesem besonderen Fall sogar kontraproduktiv. Mir hat es jedenfalls verdammt viel Freude bereitet, die verschiedenen Wege auszuprobieren, die stets zu sehr unterschiedlichen Szenarien führen. Und selbst wenn man die Botschaft früh verstanden hat, so gibt es immer wieder eine Überraschung, einen packenden Moment. Ein besonders langes Vergnügen sollte man sich eher nicht erwarten, doch es lohnt sich! Am Ende des außergewöhnlichen Trips will man jedoch vermutlich nur noch eine Sache... den Computer abschalten und eine vernünftige Entscheidung im realen Leben treffen...
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The Stanley Parable
- Entwickler
- Galactic Cafe
- Publisher
- Galactic Cafe
- Release
- 17. Oktober 2013
- Auszeichnungen
- Adventure Corner Award
- Trailer
- Hier ansehen • Bei Youtube ansehen
- Webseite
- http://www.stanleyparable.com/
- Art
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Independent
- Sprachen
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- Systeme
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- Stichwörter
- The Stanley Parable im Humble Store kaufen (Affiliate-Link)
- The Stanley Parable im Epic Store kaufen (Affiliate-Link)
2 Kommentare
"Spiel" würde ich es aber nicht unbedingt nennen... eher vielleicht "creative art experience"
Allzuviel Zeit kann man tatsächlich nicht damit verbringen, denn auch wenn man alle Möglichkeiten ausprobiert, ist man recht schnell damit durch. Mehr als 1 Stunde ist es aber schon... bei mir waren es ungefähr 3 Stunden. Hat der Tester vielleicht nicht alle Varianten gefunden?
Anyway, den (kleinen) Preis ist Stanley Parable mehr als wert!