In der zweiten Episode des Fantasy-Adventures 'Dreamfall Chapters' begleiten wir Kian Alvane durch die Gassen von Marcuria und Zoë Castillo sucht in Propast weiter nach ihrer wahren Bestimmung. Sowohl in der Welt der Magie, als auch in der Welt der Wissenschaft nimmt die Unterdrückung drastisch zu und der Ruf nach Revolution ist spätestens jetzt nicht mehr zu überhören. Welche Rolle die beiden Hauptakteure hier einnehmen, wird sich allerdings erst erweisen. Unsere Meinung zu diesem Abschnitt der Geschichte verraten wir Euch wie gewohnt im Test. Eine Wertung folgt, sobald die noch fehlenden drei Kapitel erschienen sind.

Der Ruf der Rebellion
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Kian soll den Rebellen helfen und sich gegen ehemalige Verbündete stellen... |
'Rebels' bietet Gelegenheit, den ehemaligen Azadi-Kämpfer Kian Alvane besser kennenzulernen und zu Beginn mit seinen neuen "Freunden" zu plaudern. Azadi werden in diesem Fantasy-Universum jene Menschen genannt, die das magische Volk von Marcuria regieren und unterdrücken. Umso seltsamer, dass ausgerechnet Kian von den Rebellen vor dem sicher scheinenden Galgen gerettet wurde. Die Gründe dafür gelangen erst langsam an die Oberfläche und ehe er vollends in den Dienst der magischen Untergrundbewegung treten darf, gilt es ganz klassisch drei Prüfungen zu bestehen. Das wiederum bringt uns ein Wiedersehen mit der Fantasy-Stadt Marcuria, die viele von Euch bestimmt aus 'The Longest Journey' und 'Dreamfall' kennen.
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... und Zoë hat seltsame Träume, die sie noch nicht versteht |
Zoë Castillo, also die weibliche Protagonistin unseres Abenteuers, beschäftigt in der „realen“ Welt derweil ihr Gedächtnisverlust. In jeder Nacht wird sie von surrealen Träumen heimgesucht, die sie nicht versteht und selbst ihre Therapiesitzungen bringen kaum Licht ins Dunkel. Sie spürt deutlich, dass sie nicht dort ist, wo sie hingehört. Sie spürt auch, dass sie gewissermaßen immer noch schläft. Und dieses Gefühl verschärft sich exponentiell, wenn es plötzlich darum geht, den Verdacht auf Unstimmigkeiten in der eigenen Partei zu untersuchen. Viel steht auf dem Spiel, denn immerhin hatte sie dafür zuletzt die meiste Zeit und Energie geopfert. War all das umsonst? Abhängig von den zuvor von uns getroffenen Entscheidungen, kann zu allem Überdruss auch noch ihre Beziehung auf der Kippe stehen.
Der Titel der zweiten Episode ('Rebels') umschreibt grob gesagt das, was sowohl Kian, als auch Zoë in ihrer Welt symbolisieren – wenngleich zumindest letztere sich ihrer wahren Rolle längst noch nicht bewusst ist. Während in Marcuria der Widerstand wächst, flüchten sich die meisten Bewohner von Propast dank der Dreamer lieber in die Welt der Träume. Das macht die Situation bestimmt nicht einfacher. Auch am Ende dieses narrativen Abschnittes steht hinter vielem ein fettes Fragezeichen, doch bleibt kaum ein Stein auf dem anderen.
Hinein ins kalte Wasser
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Angesichts der langen Wartezeit fühlt man sich zu Beginn womöglich verloren |
Inhaltlich tut sich einiges, auf eine kurze Rekapitulation der vergangenen Ereignisse hofft man zu Beginn vergeblich. Trotz fünfmonatiger Wartezeit wird offenbar vorausgesetzt, dass wir noch voll in der Geschichte stecken. Wer konzentriert den ersten Dialogen folgt, wird an manches beiläufig erinnert, doch diese Art von Einstieg ist auf Dauer suboptimal für eine umfangreiche Erzählung mit satter Vorgeschichte und wachsender Komplexität. Es wäre kein Beinbruch gewesen, stattdessen ein kurzes, knackiges „Was-bisher-geschah“ als Einstieg zu wählen, wie man es - aus gutem Grund - von Telltale Games kennt.
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Oft irrt man durch verwinkelte Gassen... |
Erfreulicher fällt der Blick auf den Umfang aus und mit schätzungsweise sechs Stunden darf man rechnen. Allerdings hat Red Thread Games diese Quantität mit sehr zähen Laufwegen gespickt. Noch dazu macht es weniger Spaß, wenn man das allzu vertraute Propast erneut durchkämmen muss, um den passenden Kanaldeckel ausfindig zu machen. Lästig ist die Herumlauferei auch deshalb, weil wir uns sowohl in Marcuria, als auch in Propast wieder auf die quer über den Ort verteilten Karten verlassen müssen. So nett diese Idee auf den ersten Blick sein mag, sie funktioniert auf Dauer einfach nicht sonderlich gut. Angesichts der verwinkelten Gassen und Treppen kann man sich leicht verlaufen, was Frust erzeugen kann.
Entscheidungen...
Red Thread Games zeigt sich bemüht, auf die in der ersten Episode getroffenen Entscheidungen Bezug zu nehmen. Abhängig von der Wahl der Essensmahlzeit für Zoës Freund, kann selbst dieser banal scheinende Botengang drastische Konsequenzen zur Folge haben. Zuweilen hat man das Gefühl, dass die Entwickler emotionale Reaktionen erzwingen wollen (z.B. Schuld). Manches wirkt übertrieben und konstruiert. Störend kann das dann werden, wenn die narrative Linearität zu offensichtlich nur darauf abzielt, einer Entscheidung mehr Gewicht zu verleihen, obwohl es rational gesehen wenig Sinn macht. Um besser zu verstehen, was ich damit meine, werde ich ein Beispiel geben.
Zwar versuche ich in diesem Absatz, das eben angeschnittene Problem zu umschreiben, aber womöglich wird dennoch klar, was damit gemeint ist. Ihr solltet diesen Absatz also nur lesen, wenn ihr kein Problem mit einem potentiellen Spoiler habt. Einmal angenommen, ich möchte jemanden einen Kuchen verkaufen, ohne viel über die Zutaten zu wissen. Auch nicht, ob etwas darin sein könnte, was für den Käufer gefährlich ist. Das Spiel lässt uns jedoch erst dann mehr über diesen Kuchen erfahren, NACHDEM ich den Kuchen schon gekauft habe. Die Bäckerei hat nämlich noch eine Stunde geschlossen. Jeder vernünftige Mensch würde vermutlich warten, die Information einholen und dann die Entscheidung treffen. Doch das ist nicht möglich und hinterher gibt es keine Möglichkeit für eine nachträgliche Warnung und das obwohl es keinen Grund dafür gibt.
... und ein paar Rätsel
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Während dieser Rede sammeln wir Informationen, um damit später einen Verräter zu enttarnen... |
Positiv ist dafür anzumerken, dass es diesmal klassisch geartete Rätsel gibt, wenn auch nicht viele. Wären damit nicht derart lange Laufwege verbunden und wäre die Umgebung reicher an Interaktionspunkten (die Lösung drängt sich auf, hat man alles von Bedeutung gefunden), 'Dreamfall Chapters' würde sich wie ein echtes Adventure anfühlen. In klassischer Manier lenken wir also Soldaten ab, basteln Sprengladungen und dergleichen. Als eher unhandlich erweist sich bislang die Inventar-Handhabung per Controller. Insbesondere dort, wo Timing gefragt ist, kann sie unnötige Fehlschläge zur Folge haben und die Geduld etwas strapazieren.
Interessant ist zum Beispiel die Suche nach einem Verräter. Während einer geheimen Versammlung sammeln wir Informationen von allen teilnehmenden Personen (Geruch, Verhalten), deren Gesicht wir nicht zu sehen bekommen. Später behalten wir den Marktplatz im Augen und versuchen jene Person zu finden, die dazu passt. Nachdem wir jede Person auswählen können, ist übrigens auch eine falsche Lösung möglich. Im Zentrum des Spiels stehen aber immer noch eher Entscheidungen, die zu sehr typischen Situationen führen: Foltere ich oder versuche ich ihn durch Drohung zum Reden zu bringen? Lasse ich meinen Gesprächspartner reden, oder breche ich das Gespräch ab? Wem vertraue ich eine delikate Information an? Mit den Folgen unseres Handelns werden wir hinterher konfrontiert... spätestens in der nächsten Episode.
Erst seit dem Engine-Wechsel bessere Performance
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Die Performance hatte beim Release einige Probleme |
Mit Bugs hatten wir nicht zu kämpfen, aber bis zum Wechsel auf die Unity 5-Engine (dieser erfolgte nach dem Release der dritten Episode) lag die Framerate selbst bei mittleren Einstellungen oft deutlich unter 20 Bildern pro Sekunde. Anzumerken ist, dass der Performance-Hunger sich oft nicht in der visuellen Qualität niederschlug. Verglichen mit den eindrucksvollen Abschnitten rund um Zoë, sahen sämtliche Schauplätzen mit Kian schwächer aus. Marcuria wirkte weniger lebendig und war gröber visualisiert. Vor allem in dieser Fantasy-Welt lief das Spiel weniger flüssig. Seit dem Engine-Wechsel hält sich die Framerate meist in einem akzeptablen Bereich. Frei von Problemen ist 'Dreamfall Chapters' hier allerdings immer noch nicht.
Die deutsche Sprachausgabe war zum Zeitpunkt des Tests noch nicht verfügbar und die deutschen Untertitel wiesen einige Fehler auf. Aktuelle Aufgaben im Spiel konnte man sich zum Beispiel anzeigen lassen, doch sobald die deutsche Übersetzung aktiviert wurde, blieb die Anzeige oft leer. Zumindest das dürfte bald per Patch behoben werden. Auffällig ist ansonsten das Speichersystem. So gibt es derzeit leider nur einen Speicherstand und wer andere Spielverläufe probieren möchte, kann das vorläufig noch nicht tun, ohne die bisherigen Entscheidungen zu überschreiben (dazu müsste man die bisherigen Speicherstände manuell an einem anderen Ort sichern und später wieder austauschen). Gespeichert wird primär dann, wenn eine für ein Rätsel wichtige Aktion gesetzt wurde. Das bedeutet zwar, dass man sich beim Neustart manchmal komplett neu orientieren muss - weil man nicht weiß, wo man gelandet ist -, doch abgesehen davon hält sich der Ärger in Grenzen. Abzuwarten bleibt, ob Red Thread Games das Speichersystem so belässt oder mit einem Update Abhilfe schafft.
-> Hier geht es zum Test der ersten Episode
-> Hier geht es zum Test der dritten Episode
-> Hier geht es zum Test der vierten Episode
> Hier geht es zum Test der finalen Episode (mit Wertung)
Auf die langen Laufwege hätte ich liebend gern verzichtet, vor allem in Propast, das ohnehin kaum Neues zu bieten hat. Dafür gibt es diesmal sogar klassisch geartete Rätsel. Allerdings war ich noch nie ein Freund davon, riesige 3D-Areale für ein paar magere Hotspots abzuklappern. Man sollte meinen, dass es manche Utensilien an mehreren Orten zu finden gibt (z.B. ein Seil), nicht nur an einem. Unglücklich war ich auch darüber, dass Red Thread Games zwar offiziell ein Episodenformat wählt, zu Beginn jedoch auf eine Rekapitulation der bisherigen Ereignisse verzichtet. An der Story und den Charakteren gibt es bislang aber wenig auszusetzen - außer vielleicht, dass manches ausschweifend ist. Sie gewinnt kontinuierlich an Komplexität und die englischen Sprecher machen erneut einen fantastischen Job. Wir stehen allerdings noch sehr am Anfang und das Ende der Episode entspricht etwa dem Ende des ersten Aktes bei einem Film. 'Dreamfall Chapters' kann man momentan nur so weit beurteilen, als man vom ersten Drittel eines Filmes auf den Rest schließen kann. Vielversprechend ist die Geschichte und mit starken Charakteren. Aus spielerischer Sicht läuft das Rad allerdings noch gar nicht rund. Wer warten kann, bis alle Episoden erschienen sind, sollte das in jedem Fall tun.
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Dreamfall Chapters
- Entwickler
- Red Thread Games
- Publisher
- EuroVideo
- Release
- 17. Juni 2016
- Trailer
- Hier ansehen • Bei Youtube ansehen
- Webseite
- http://redthreadgames.com/games/chapters/
- Art
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Crowdfunding
- Sprachen
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- Systeme
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- Stichwörter
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