Fast zehn Jahre sind verstrichen, seit die Arbeit am atmosphärischen 3D-SciFi-Adventure 'Prominence' begonnen hatte. Angesichts dieser Zahl möchte man fast meinen, dass es sich um einen AAA-Blockbuster handelt. Warum das von einer Rettungsmission im Weltraum handelnde Spiel erst jetzt fertig wurde, hängt vor allem aber damit zusammen, dass das sehr kleine Indie-Team von Digital Media Workshop die Brötchen mit anderen Aufträgen verdient. Deshalb wurde die Geduld jener Spieler, die schon lange darauf warten, immer wieder aufs Neue auf die Probe gestellt. Auch unsere Neugier hatte in den vergangenen Monaten ein hohes Level erreicht. Ob sich das Warten gelohnt hat, verraten wir Euch im Review.
Der Weltraum, unendliche Weiten
Wir erwachen zu Beginn in einer Krankenstation |
Das Intro von 'Prominence' stimmt zunächst auf die Vorgeschichte ein, auf der die kommenden sechs bis acht Stunden aufbauen. Im Zentrum steht die menschlich aussehende Bevölkerung der Letarri, die nach einigen Jahrzehnten auf der Flucht endlich einen bewohnbaren Planeten in einem anderen Sonnensystem erspähen. Die interstellare Mission zur Kolonialisierung dieser Welt verläuft dann jedoch nicht nach Plan. Was vorgefallen ist, darüber können wir zu Beginn nur spekulieren: Wir erwachen an Bord jenes Raumschiffs, das mit dieser überlebenswichtigen Mission betraut ist und beginnen bei Null. Statt einem freundlichen Gesicht, heißt uns eine sterile Krankenstation willkommen. Es hat keineswegs den Anschein, als würde die Ärztin bald auftauchen, oder irgendjemand zu Besuch kommen...
Viel mehr möchten wir nicht vom Inhalt vorwegnehmen. 'Prominence' ist eines jener Adventures, wo der besondere Reiz darin liegt, möglichst viel selbst herauszufinden. Die Geschichte ist nett gelungen, obgleich der letzte Akt in dramaturgischer Hinsicht ausgefeilter hätte sein können. Vom Start weg spürt man aber, dass die Macher sich ein sehr klares Bild von den Ereignissen vor dem Vorfall gemacht haben. In den vielen Räumlichkeiten des mehrstöckigen Raumschiffs wird das konsequent kommuniziert. Selbst zu manch versperrter Türe, oder kaputten Geräten gibt es eine Vorgeschichte. Das bringt Leben in die sterile Umgebung. Auch der künstlich intelligente Bordcomputer A.N.N.I.E. sorgt dafür, dass man sich bei 'Prominence' nicht zu alleine fühlt.
Klassisch orientierte Rätselkost
Ein paar Rätsel erfordern, dass wir Terminals per Tastatur mit den richtigen Befehlen füttern |
In spielerischer Hinsicht hat Digital Media Workshop sich bei 'Prominence' u.a. vom Grusel-Adventure 'Scratches' inspirieren lassen, ohne ein Grusel- oder gar Horror-Adventure anzupeilen. Im Gegensatz zu Spielen wie 'SOMA' oder 'Alien: Isolation' gibt es somit also keine blutigen Momente, Jump-Scares oder uns jagende Monster.
Die Fortbewegung und Interaktion funktioniert nahezu so, wie man es von 'Scratches' oder 'Serena' kennt. Die spielerische Ebene lebt deutlich mehr von klassisch gearteten Rätseln, als von Exploration. Ähnlich wie die Spiele von Agustín Cordes (dessen Name übrigens auch bei den Beta-Testern erscheint) kann man sich nicht frei im Raum bewegen. Stattdessen gibt es überall nur zwei, drei begehbare Bereiche. Visieren wir einen Bereich an und aus dem Cursor wird eine Pfeiltaste, dürfen wir dorthin gehen, wobei die folgende Gehbewegung als vorgerenderte Sequenz passiert. Wenn wir mit dem Cursor wiederum ein Objekt anvisieren, dass entweder betrachtet oder benutzt werden kann, dann verändert sich der Cursor in die entsprechende Richtung. Gegenstände können ansonsten auch im Inventar miteinander kombiniert werden.
Anhand von Aufzeichnungen werden die letzten Stunden vor dem Vorfall klarer |
Ein wesentlicher Aspekt dieses First-Person-Adventures ist die Suche nach Informationen zum Vorfall auf dem Schiff. Dazu sind an vielen Orten zum Beispiel Aufzeichnungen versteckt. Das trägt auch dazu bei, die Crew-Mitglieder ein wenig näher kennenzulernen, ist manchmal aber auch an ein Rätsel gekoppelt. Obgleich 'Prominence' somit immer wieder zur Exploration einlädt, beschreibt das nur einen kleinen Teil des Gameplays, das ansonsten sehr klassisch wirkt und an Adventure-Fans gerichtet ist, die sich gerne auf eine Knobelei einlassen: Geräte sind zu basteln, Maschinen sind zu bedienen, Fehler zu finden, Bauplänen zu simulieren, Codes herauszufinden und dergleichen. Die Palette ist bunt und beispielsweise vergleichbar mit 'J.U.L.I.A. - Among the Stars', das diesbezüglich allerdings noch besser und anspruchsvoller gelungen ist.
Im Inventar können wir gesammelte Objekte aus der Nähe ansehen und auch Aufzeichnungen erneut abrufen |
Diverse Aufzeichnungen geben uns bei 'Prominence' Hinweise, was uns bei der Erreichung eines Ziels helfen könnte. Als gestandener Adventure-Profi wird man einiges vermutlich auch so schaffen, denn bei fünf bis zehn Gegenständen im Inventar, kommt man zur Not mit Trial&Error weiter. Obgleich die Rätselkost gut gelungen ist, bewegt sich der Schwierigkeitsgrad eher nur im durchschnittlichen Bereich, was insbesondere daran liegen mag, dass die Ziele fast immer klar formuliert und sehr eng absteckt sind. Trotzdem kann es vorkommen, dass man in einem Abschnitt länger auf der Leitung steht, oder vergisst, dass es irgendwo eine verschlossene Tür gibt, die man vielleicht doch noch irgendwie öffnen könnte...
Ein Boardcomputer namens A.N.N.I.E. begleitet unsere Aktionen |
Das führt uns auch zu einer gravierenden Schwachstelle des Spiels: Während der Anfang noch sehr offen wirkt, und einem das Gefühl vermittelt, frei und flexibel agieren zu können, ändert sich das rasch, sobald A.N.N.I.E. nach geschätzt ein, zwei Stunden in unser Leben tritt. Die sympathisch klingende künstliche Intelligenz gibt uns fortan klare Anweisungen, was zu tun ist und wo das passieren soll und in der Regel herrscht immer nur ein Ziel vor, was die Angelegenheit bedeutend erleichtert – mehr als notwendig gewesen wäre. Lediglich am Ende gibt es die Möglichkeit, von der vorgeschlagenen Linie abzuweichen. Das ist etwas zu wenig, um das Narrativ zu einer richtig starken Aussage zu formen, was durchaus möglich gewesen wäre.
Mit längeren Laufwegen ist zu rechnen
Öfter mit dem Lift fährt man höchstens im ersten 'Mass Effect' |
Anfänglich sind im Raumschiff nur ein paar Räumlichkeiten betretbar. Auf diese Weise entwickelt man langsam ein gutes Gefühl der Orientierung. Das ist auch insofern wichtig, weil Bordcomputer A.N.N.I.E. bei der Bekanntgabe von neuen Zielen immer wieder erwähnt oder andeutet, um welchen Raum es geht. Man sollte sich schon gemerkt haben, wo sich denn die Kommunikationszentrale befindet und dergleichen. Ein Rätsel in einem Raum gelöst zu haben, bedeutet noch lange nicht, dass man hier nicht später noch einmal etwas zu erledigen hätte. Auch verschlossene Türen sollte man für den Fall der Fälle im Gedächtnis behalten, vor allem dann, wenn die Aufzeichnungen sich darauf beziehen. Eine Karte mit Schnellreisefunktion gibt es nicht und so ist der Spieler selbst gefragt, sich die Umgebung halbwegs gut einzuprägen. Für jene Personen, die öfter mal ein paar Tage Pause beim Spielen eines Adventures einlegen und in der Zwischenzeit vielleicht ein paar Details vergessen haben, könnte das von Nachteil sein. Ratlos das Raumschiff auf und ab gehen kann jedenfalls ein paar Minuten beanspruchen, was bestimmt nicht jedem gefallen wird.
Maus und Tastatur
Wer Probleme mit der Steuerung hat, sollte sich die Optionen ansehen |
Die Steuerung ist grundsätzlich solide gelungen und setzt über weite Strecken auf die Maus. Es ist im Kern also sehr wohl als richtiges Point&Click-Adventure zu verstehen. Trotzdem ist kritisierbar, dass manche Aktionen nur per Tastatur möglich sind. Das mag Sinn machen, wenn es darum geht, bei einem Computer-Terminal Befehle einzugeben. Es ist aber dennoch schade, dass Funktionen wie das Anzeigen von aktuellen Zielen, oder die Fähigkeit zur Nachtsicht, nicht auch vom Inventar aus geregelt werden können – v.a. wenn man sich gerne mal mit der Maus ein wenig zurücklehnt und die Tastatur nicht direkt davor liegt. Abgesehen davon bietet das Inventar die Möglichkeit, gefundene Gegenstände miteinander zu kombinieren und das mittlere Drehrad der Maus ist insofern nützlich, als man bei der Interaktion mit der Umgebung relativ schnell bestimmte Objekte aus dem Inventar auswählen kann. Wer über kein Drehrad verfügt, kann Objekte auch im Inventar auswählen und dann mit der Umgebung kombinieren, was aber schnell dazu führen kann, dass man sich verklickt und diesen Vorgang wiederholen muss. Bereits gefundene Notizen sind im User Interface übrigens jederzeit abrufbar, man muss also nicht nochmal herumirren, wenn einem ein vielleicht wichtiges Detail entfallen ist. Das User Interface bietet auch die Möglichkeit, Anzüge und dergleichen anzuziehen, was manchmal von Bedeutung ist.
Übrigens: Die Voreinstellungen zum Mauszeiger sind beim Start des Spiels noch nicht ideal gewählt, was dazu führen kann, dass der Mauszeiger viel zu hektisch ist. Im Optionsmenü kann man das jedoch recht problemlos ändern.
Technisch akzeptabel, aber nicht mehr ganz frisch
Im Gegensatz zur klaren In-Game-Grafik, sieht man bei den vorgerenderten Sequenzen ein Bildrauschen |
Dafür, dass das Spiel so viele Jahre in Entwicklung gewesen ist, sieht 'Prominence' immer noch sehr nett aus, auch wenn es aus heutiger Sicht bestenfalls Durchschnitt ist, so ehrlich muss man sein. Schade ist, dass die vorgerenderten Sequenzen, die wir vor allem dann zu sehen bekommen, wenn die Hauptfigur sich vorwärts bewegt, üblicherweise von einem Bildrauschen begleitet werden. Da der Stil der In-Game-Grafik sich ansonsten kaum von den vorgerenderten Sequenzen unterscheidet, fällt das aber nicht so sehr ins Gewicht, wie zum Beispiel bei 'Lost Horizon 2'. Die 3D-Grafik kann das dichte Alleine-im-Weltraum-Feeling jedenfalls gut vermitteln und ihr steriler Charakter kommt dem Raumschiff-Ambiente entgegen. Die Musik wählt ihrerseits einen atmosphärischen Zugang und wird bei diesem Unterfangen gut von den akustischen Effekten unterstützt. Vor allem letzteres trägt viel dazu bei, dass die Umgebung ein authentisches SciFi-Spielgefühl vermittelt.
Hervorheben möchte ich zuletzt auch die sehr engagiert und gut gesprochene Vertonung, die glaubhaft in die jeweilige Situation hineinversetzt. Davon hätte es ruhig noch mehr geben können, vielleicht auch mit mehr dramaturgischem Tiefgang. Neue explorative Spiele wie 'Everybody's Gone to the Rapture' sind wenigstens in diesem Punkt besser gelungen und die Latte wurde in den letzten paar Jahren deutlich angehoben. Zusätzlich zur englischen Sprachausgabe stehen schon bald deutsche Untertitel zur Verfügung, für die übrigens Ingmar Böke verantwortlich ist, den langjährige Leser vielleicht noch als Mitglied der Corner-Redaktion kennen.
Update 19.11: Inzwischen sind die deutschen Untertitel verfügbar. Die Lokalisation macht einen guten Eindruck und zeigt sich u.a. bemüht, auch den Charakter der verschiedenen Besatzungsmitglieder entsprechend zu vermitteln. Manchmal sind die deutschen Texte vielleicht ein bisschen zu kurz im Bild zu sehen, da sämtliche Texte aber ohnehin beliebig oft erneut abrufbar sind, sollte das kein gravierendes Problem darstellen.
Ich muss zugeben, dass ich mir ausgehend von der Preview-Fassung vor zwei Jahren noch ein bisschen mehr von der Geschichte erhofft hatte. Nicht dass sie schlecht wäre, aber sie hätte ruhig mehr in die Tiefe gehen, vor allem gegen Ende. Dennoch fühlte ich mich sieben Stunden lang gut unterhalten. Obwohl die Grafik längst nicht auf dem neuesten Stand ist, entfaltet 'Prominence' aus meiner Sicht eine sehr stimmige SciFi-Atmosphäre. Die Suche nach Antworten und die Rekonstruktion vergangener Ereignisse hält zudem bei Laune und die abwechslungsreichen Rätsel laden immer wieder zum Nachdenken ein. Gerade im Vergleich zu ähnlich gearteten Spielen wie 'J.U.L.I.A. - Among the Stars' muss man aus heutiger Sicht aber Abstriche machen und zwar sowohl in dramaturgischer, als auch in spielerischer Hinsicht. So gesehen fällt den Machern die sehr lange Entwicklungszeit doch ein bisschen auf den Kopf. Wäre 'Prominence' ein paar Jahre früher erschienen, wer weiß, vielleicht würde es dann frischer schmecken. Trotzdem hat Digital Media Workshop ein recht gutes Indie-Adventure der alten Schule auf die Beine gestellt, das man sich getrost ansehen kann.
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Prominence
- Entwickler
- Digital Media Workshop
- Publisher
- Digital Media Workshop
- Release
- 7. November 2015
- Trailer
- Hier ansehen • Bei Youtube ansehen
- Webseite
- http://www.prominencegame.com
- Sprachen
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- Systeme
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- Stichwörter
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