Hercule Poirot, Agatha Christies berühmter Detektiv, meldet sich mit einem neuen Adventure zurück. Nachdem wir mit ihm bereits den 'Mord im Orient-Express' aufklärten und 'Das Böse unter der Sonne' suchen durften, bekommt er diesmal Post von einem Herrn ABC. Während bei den inzwischen fast zehn Jahre alten Adventures noch die Entwickler von AWE Games zuständig waren, haben nun die Artefacts Studios im Auftrage von Microïds die Entwicklung übernommen. Wie gut sie mit dem bekannten Roman 'Die Morde des Herrn ABC' umgegangen sind und ob sich das Detektiv-Adventure lohnt, verraten wir im Test.

Die Post ist da!
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Ein Brief markiert den Beginn einer Mordserie |
Eines schönen Tages wundern sich der brilliante Detektiv Hercule Poirot und sein alter Freund Arthur Hastings über die Post - schließlich wird auch Detektiven nur selten ein Verbrechen vorab angekündigt. Doch diesmal sollte alles anders sein: Ein anonymer Briefeschreiber, der sich selbst ABC nennt, kündigt einen Mord an und fordert den eitlen Ermittler gleichzeitig zu einem Wettkampf heraus. Natürlich kann man ein solches Schreiben nicht unbedingt ernst nehmen und so warten Poirot und Hastings auf das, was da kommen mag. Und tatsächlich: Am angekündigten Tag bittet Inspector Japp von Scotland Yard um Poirots Hilfe bei der Aufklärung eines Verbrechens. Die Besitzerin eines Tabakladens wurde ermordet. Schnell steht für die Polizei fest, dass nur der gewalttätige Ehemann Franz Ascher - zu allem Überfluss auch noch ein Deutscher - hinter dem Mord stecken kann. Doch Poirot hat da so seine Zweifel. Zu viel Hinweise deuten am Tatort auf den Briefeschreiber. Und zu wenig passt das Verbrechen zum Ehemann der Verstorbenen. Nur wer ist der Mörder? Als wenig später ein zweiter Brief von ABC eintrifft, nimmt das mörderische Katz- und Mausspiel seinen Lauf...
Vom Meisterdetektiv an die Hand genommen
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Wir wissen immer genau, wie viele Spuren wir finden müssen. |
Ein Meisterdetektiv sollte seine Spuren schon selbst finden können, auch in einem Spiel. Das letzte 'Sherlock Holmes'-Adventure 'Crimes & Punishments' hat recht gut gezeigt, wie man die Spieler leitet, ihnen dabei aber das Gefühl gibt, die Indizien selbst gefunden zu haben. Ähnlich soll es auch bei 'The ABC Murders' sein. Wir kommen an einen neuen Ort und sehen uns zunächst einmal um: Der Cursor verändert sich, wenn wir einen interessanten Bereich finden und ein Klick bringt uns in eine Nahansicht. Hier müssen wir nun eine bestimmte Anzahl von Hinweisen oder Objekten finden. Übersehen können wir nichts, denn uns wird immer angezeigt, wie viele Spuren wir in diesem Bereich zu finden haben. Ob das vielleicht doch etwas zu einfach ist, fragen wir und spätestens dann, wenn es zum Beispiel in einem Schrank nicht mehr Gegenstände gibt, als wir finden sollen. Ähnlich gehen wir auch beim Beobachten von Gesprächspartnern vor, die Poirot so wie im Vorbild 'Crimes & Punishments' mit einem fokussierten Blick betrachtet. In der Praxis sieht das beispielsweise so aus: Poirot teilt uns mit, dass unser Gegenüber nervös ist. Wir fahren mit dem Cursor über die Person. Je näher wir einem Hinweis kommen, um so verschwommener wird der Rest des Bildes. Haben wir den richtigen Punkt (vielleicht zitternde Hände) gefunden, wird ein kurzer Text eingeblendet, der Poirots vorherige Beobachtung bestätigt. Haben wir alle Hinweise gefunden, wird automatisch in die vorherige Ansicht zurückgeschaltet. Durch die Vorgaben und den Fakt, dass wir so wirklich nichts übersehen können, fühlen wir uns beim Auffinden der Indizien an die Hand genommen. So, als ob Poirot uns, als seinem Lehrling sagt: Schau Dir das an und zeige mir drei Dinge, die meine Meinung bestätigen. Das ist schade, denn dadurch leidet das Gefühl, selbst etwas erreicht zu haben.
Erfolg und Ego-Punkte
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Richtige Schlussfolgerungen bringen Punkte ein |
Ein weiteres Spiel-Element ist Poirots Ego. Aktionen, die diesem schmeicheln, werden mit Ego-Punkten vergütet. Bis zu 600 davon kann man im Spiel sammeln. Es gibt sie u.a. für richtige Schlussfolgerungen, die Auswahl der besten Gesprächsoption oder auch für so simple Sachen, wie die regelmäßige Bartpflege. Dazu brauchen wir Poirot nur in einen Spiegel blicken zu lassen, was uns drei Ego-Punkte einbringt. Anfangs ist das noch recht spaßig, irgendwann wird es jedoch zur Routine: "Oh, noch ein Spiegel. Die drei Punkte nehme ich mal mit." Noch häufiger als Spiegel, sind Belohnungen in dem Spiel: Über 50 Errungenschaften können freigespielt werden, viele davon erhalten wir schon durch den normalen Spielablauf. Bei einer Gesamtspielzeit von gut sechs Stunden kann man sich ausrechnen, wie oft es eine neue Errungenschaft gibt.
Natürlich gibt es auch ein Inventar, in dem Poirot einige wenige Gegenstände sammelt. Diese können zum Teil verändert werden. Immer gibt es eine Nahansicht, in der sich die Objekte nahezu beliebig drehen lassen, was oft neue Erkenntnisse bringt. Aufgesetzt wirkt dabei, dass man immer etwas drehen muss, um an die Information heranzukommen. Besonders unlogisch ist es dann, wenn die Gegenstände - beispielsweise Flaschen - vorher bereits mit dem Etikett zum Spieler in einem Regal standen, nun aber genau anders herum in der Nahansicht präsentiert werden.
Listen abarbeiten
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Wie sich die Gesprächspartner verhalten wird in kurzen Einblendungen angezeigt |
Mit Ausnahme solcher optionalen Dinge, die für die Ego-Punkte gut sind, laufen die ABC-Morde oftmals so linear ab, wie das Alphabet. Eine ToDo-Liste zeigt uns immer an, was wir als nächstes zu erledigen haben - Immer nur eine Aufgabe zur Zeit. Die lautet dann etwa "Spreche mit Inspector Japp" oder "Durchsuche das Hinterzimmer". Erst, wenn wir das genauestens erledigt haben, geht es im Spiel weiter mit der nächsten Aufgabe. Poirot weigert sich auch, die entsprechenden Bereiche zu verlassen, wenn wir noch nicht alles gefunden haben. Entgehen kann uns also nichts.
Das gilt auch für die Verhöre, in denen wir durch Texteinblendungen erfahren, wie das Gegenüber zu uns steht. Ist uns jemand freundlich gesonnen oder vertuscht er etwas? Anhand von verschiedenen Antwortmöglichkeiten entscheiden wir, wie Poirot dann darauf reagiert. Entsprechend erhalten wir wichtige Hinweise vielleicht erst später oder auf anderen Wegen. Etwas richtig falsch machen können wir aufgrund der Linearität dennoch nicht. In diesem Zusammenhang ist es auch schade, dass man nicht frei speichern kann und Dialoge vielleicht noch einmal anders angehen kann, denn 'The ABC Murders' speichert den Fortschritt automatisch. Einmal gewählte Antworten können also erst beim nächsten Durchspielen geändert werden.
Anspruchsvolle Rätsel
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Logikrätsel stehen auch auf dem Programm |
Nachdem das Adventure den Spieler so häufig und offensichtlich an die Hand nimmt und ihn nahezu nichts falsch machen lässt, verwundern die mechanischen Rätsel schon fast ein wenig. Denn wo wir zuvor zu viel Informationen erhalten haben, ist es nun genau umgekehrt: Bei den meisten dieser Aufgaben stehen wir plötzlich allein da und müssen wirklich Knobeln, was wir hier wie machen sollen. Wer hier nicht weiterweiß, kann auf die eingebaute Hilfsfunktion zurückgreifen, die den nächsten Rätselschritt automatisch ausführt. Damit wir 'The ABC Murders' so nicht komplett durchspielen lassen können, steht diese Funktion erst nach einiger Zeit wieder zur Verfügung. Schade ist auch, dass diese Rätsel beim Verlassen der Nahansicht wieder komplett zurückgesetzt werden. Brauchen wir beispielsweise einen Hinweis aus einem anderen Zimmer, müssen wir das teilweise schon gelöste Rätsel erneut von Anfang an starten. In der Regel finden wir benötigte Hinweise aber in der Nahansicht.
Anspruchsvoller gestalten sich auch einige Dialog-Rätsel. Dann nämlich, wenn Poirot den Hergang des Verbrechens aufklären muss und wir uns an die genauen Einzelheiten erinnern müssen. Auch hier gibt es - wenn man einmal von den vorgegebenen Antwortmöglichkeiten absieht - keine Hilfen. Wählen wir die falsche Antwort, korrigiert uns der Meisterdetektiv aber von selbst. Am Ausgang des Falles ändert es folglich nichts, wir müssen allerdings auf die Ego-Punkte verzichten.
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Die Deduktion erinnert nicht nur auf den ersten Blick an 'Crimes & Punishments' |
Nur mit Nachdenken (oder Trial & Error) ist dann auch die eigentliche Deduktion zu lösen, die ebenfalls stark an 'Crimes & Punishments' erinnert. Wir ziehen bis zu drei Indizien, Aussagen oder Gedankensplitter in verschiedene Kreise und erhalten so unsere richtige Schlussfolgerung. Während Sherlock Holmes hier durch verschiedene Kombinationen auch zu ganz anderen Erkenntnissen kommen kann, lässt sein Kollege immer nur die richtige Auswahl zu. Hin und wieder müssen mehrere Gedankengänge gefasst werden, um ein schlüssiges Bild abzugeben. Dann werden alle benötigten Gedankensplitter gleich zu Beginn angezeigt. Sind diese richtig kombiniert, fallen sie aus der Auswahl, was dazu führt, dass diese Rätsel jeweils schwer beginnen und zum Ende hin sehr leicht werden, weil sich die Lösung dann fast von allein ergibt.
Offensichtlich ist auch ein Rätsel, in dem verschiedene Briefe miteinander verglichen werden müssen - Die markanten Zeichenfehler erkennen wir auf den ersten Blick. Dennoch müssen wir für jeden Fehler extra auf die einzelnen Briefe zoomen und diese dort dann markieren. Da diese Aufgabe gleich mehrfach zu absolvieren ist, fällt der Umstand umso unangenehmer auf. Geschuldet sein dürfte es dem Umstand, dass man 'The ABC Murders' auch auf mobilen Plattformen veröffentlichen möchte - Hier sind die Displays einfach zu klein für einen genauen Abgleich. Am PC hingegen hätten wir auf diese umständliche Bedienung auch gern verzichtet.
Schicke Grafik, englische Sprache
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Die Grafik fängt die Stimmung gut ein |
Die Comic-Grafik von 'The ABC Murders' kann sich durchaus sehen lassen. Sämtliche Schauplätze sind schick gestaltet und passen durchaus in die Zeit des Krimis. Belebt werden sie durch vorbeispazierende Passanten, kleine Tiere oder sich im Wind wiegende Bäume. Nicht ganz so gut gelungen sind die Animationen der Charaktere, die etwas steif wirken. Sowohl bei den Bewegungen, als auch bei den Gesichtsanimationen. Darüber kann man jedoch hinwegsehen. Durchweg gut gefallen hat uns die englische Sprachausgabe, alle Charaktere sind passend besetzt. Leider macht es Poirots französischer Akzent allen noch etwas schwerer, die ohnehin nicht so gut mit der Sprache klarkommen. Immerhin gibt es aber deutsche Untertitel. Den schon in der Vorschau angesprochenen Kritikpunkt mit der zum Teil recht kurzen Einblendzeit haben die Entwickler nicht mehr behoben.
Dennoch schafft die Sprachausgabe zusammen mit der stimmigen Grafik eine gute Atmosphäre, die nur durch Kleinigkeiten gestört wird. Etwa dann, wenn in den Untertiteln von einer Musik-CD zu lesen ist - aber eine Schallplatte gemeint ist. Schön wäre auch eine etwas größere Abwechslung im ansonsten guten Soundtrack gewesen, das Hauptthema wiederholt sich dann doch etwas zu oft.
Endlich wieder ein Krimi-Adventure, noch dazu mit einer starken Geschichte von Agatha Christie. Dass man sich bei der Entwicklung von dem sehr guten 'Crimes & Punishments' hat inspirieren lassen, ist nicht von der Hand zu weisen und muss auch nicht schlecht sein, denn schon im Frogwares-Adventure funktionierten diese Elemente sehr gut. Leider hat man nicht konsequent genug abgeguckt, denn dann wäre aufgefallen, dass die spielerische Freiheit fehlt. Fast nie kam das Gefühl auf, dass wir selbst das Rätsel gelöst haben. Im Gegenteil: All zu oft nahm uns das Spiel an die Hand und stieß uns mit der Nase auf die Lösung. Lediglich die Logikrätsel blieben uns allein überlassen und hier gab es das genaue Gegenteil: Oftmals zu wenig Informationen. Noch dazu wirken die meisten dieser Rätsel sehr aufgesetzt und speziell in einem Abschnitt geht es nahezu ohne Pause von einem Logikrätsel zum nächsten. Am Ende bleibt eine fesselnde Geschichte in schicker Präsentation, die sich über weite Strecken wie ein interaktiver Film spielt. Hier wäre durchaus mehr drin gewesen.
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Agatha Christie: The ABC Murders
- Entwickler
- Artefacts Studio
- Publisher
- Microïds
- Release
- 4. Februar 2016
- Spielzeit
- 6 Stunden
- Trailer
- Hier ansehen • Bei Youtube ansehen
- Sprachen
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