Als Ron Gilbert und Gary Winnick 25 Jahre nach der Veröffentlichung des Klassikers 'Maniac Mansion' via Kickstarter Gelder sammelten, um ein Adventure mit dem Look & Feel der ersten Lucasfilm-Spiele zu entwickeln, ahnten sie wohl selbst nicht, wieviele Menschen sie damit erreichen konnten. Über 17.000 Spenden mit einer Summe von mehr als 625.000$ kamen zusammen. Nun ist 'Thimbleweed Park' fertig. Wie nah die Entwickler ihrem Ziel gekommen sind und ob Spiele der "alten Machart" auch heute noch Spaß bringen, verraten wir Euch im Test.

Willkommen in Thimbleweed Park
Das macht die Ermittlungen nicht leichter, denn viele der Bewohner scheinen etwas verbergen zu wollen und auch die Agenten Ray und Reyes sind sich nicht grün. Agentin Ray würde lieber ohne ihren jungen Kollegen Reyes arbeiten und lässt ihn das auch deutlich spüren. Reyes hingegen lassen die Sprüche seiner Kollegin kalt. Trotz dieser Startschwierigkeiten machen sich die beiden gemeinsam ans Werk, um den Mord aufzuklären und ihren eigenen Zielen nachzugehen, denn der Mord ist nicht der einzige Grund, warum Ray und Reyes nach Thimbleweed Park gekommen sind - Und der Tote scheint auch die übrigen Bewohner des Dorfes nicht sonderlich zu interessieren...
Fünf Charaktere, fünf Geheimnisse
Zwei Schwierigkeitsgrade
Wählt man den schweren Weg, stehen durchaus kniffelige Aufgaben an. Mehr als einmal muss man um die Ecke denken, die Lösungen bleiben allerdings immer nachvollziehbar, realitätsnah und logisch. Nach einem noch recht eingängigen Start steigt die Komplexität der Aufgaben bald an. Dafür sorgen schon die nach und nach verfügbaren neuen Orte und die Charaktere, die wir dadurch ebenfalls frei spielen. In den umfangreichsten der insgesamt neun Kapitel steuern wir alle fünf Charaktere, zwischen denen wir je nach Situation frei umschalten dürfen. Für viele Aufgaben ist es zumindest am Anfang egal, durch wen wir sie erledigen lassen. Hier hilft es, die Inventargegenstände in den Taschen eines Charakters zu sammeln. Später im Spiel kommen die Eigenheiten der unterschiedlichen Figuren zum Tragen. Einige leiden unter Höhenangst, an anderen Orten sind die Bundesagenten nicht willkommen. Der Geist Franklin hält sich zwar überwiegend nur im Hotel auf, hat hier aber auch sehr viel zu tun. Dank seiner Geisterfähigkeiten müssen wir Rätsel mit ihm ganz anders angehen, was für Abwechslung sorgt.
Bis wir nach rund 15 Stunden (im schweren Modus) zum Ende kommen, haben wir sehr viele Gegenstände eingesammelt und kombiniert, Gespräche geführt und Hinweise entdeckt. Denn für wirklich jedes Problem gibt es irgendwo im Spiel einen passenden Hinweis versteckt. Sei es in den Beschreibungen von Inventarobjekten, in Gesprächen oder über einfache Beobachtungen. Die Hinweise verraten allerdings nie den genauen Lösungsweg und lassen genug Spielraum für eigene Interpretationen. Jemand hatte 'Thimbleweed Park' als Open World-Adventure beschrieben. Das ist sicher etwas übertrieben. Aufgrund der enormen Anzahl verschiedenster Aufgaben, vor denen die fünf Charaktere gleichzeitig stehen, ergibt sich aber eine bisher in Adventures nur selten gesehene spielerische Freiheit. Daraus ergibt sich ein sehr guter Spielfluss. An Stellen, in denen man sonst Adventures ausschaltet und sich anderen Dingen zuwendet, weil man partout nicht weiterkommt, kann man sich in 'Thimbleweed Park' einen anderen Charakter schnappen, sich so auf ganz andere Aufgaben konzentrieren und dennoch dem Ziel immer näher kommen. Das Spiel erzeugt dadurch einen Sog, dem man sich nur schwer entziehen kann. Damit wir hier nicht den Überblick verlieren, notieren sich alle Charaktere die anstehenden Aufgaben mit weiteren Informationen in einem Notizbuch oder auf einer ToDo-Liste. Manchmal verwundert es allerdings, dass die Charaktere direkt zusammenarbeiten, offensichtlich ohne sich vorher wirklich zu kennen. Es bleibt die Frage der Motivation offen, warum z.B. Delores plötzlich dem fluchenden Clown helfen sollte - was natürlich durch die Anweisungen von uns Spielern passiert, aus der Geschichte heraus ergibt das zunächst aber keinen Sinn.
Bis ins Detail ausgearbeitet
Pixel-Optik mit Verbensteuerung
Absolut nicht Retro ist die Sprachausgabe, deren englische Sprecher gut besetzt wurden. In unserer Testversion kam es hin und wieder vor, dass einzelne Sätze nur aus einem Lautsprecher ertönten, andere klangen schlecht abgemischt, was aber nur sehr selten auftrat. Bis zum Release kann sich hier aber noch etwas ändern und selbst wenn nicht, sind das nur Kleinigkeiten. Die übrige Vertonung und der Soundtrack wissen jedenfalls zu überzeugen und sorgen für die passende Stimmung.
Auf Deutsch!
Leider gibt es noch keine deutsche Vertonung von 'Thimbleweed Park'. Ob es jemals eine geben wird, steht bislang noch nicht fest. Allerdings sind sämtliche Texte auf deutsch Übersetzt worden. Verantwortlich dafür war Boris Schneider-Johne, der auch schon viele der alten LucasArts-Adventures lokalisiert hat. Leider gehen dabei ein paar der Witze verloren, was man dank der englischen Sprachausgabe merkt. Beispielsweise gibt es bei den schon erwähnten Namensvorschlägen für ein Geschäft im englischen gänzlich andere Vorschläge. Die deutschen sind zwar auch nicht schlecht, erreichen aber leider nicht ganz den Witz der Vorlage. An anderer Stelle fügt sich der deutsche Text leider nicht passend in die Grafik ein, so dass die Buchstaben über den eigentlichen Bereich hinausgehen. Auch ein paar Tippfehler finden sich in den Texten und werden hoffentlich noch korrigiert, denn ansonsten ist die Übersetzung wirklich gelungen.
Wo wir bei der Kritik sind: Etwas schade ist, dass beide Agenten (und im späteren Spiel auch einige der anderen Figuren) oftmals identische Gesprächsoptionen haben. Es ist also egal, mit welchem der Agenten man im ersten Abschnitt ein Gespräch mit den Einwohnern führt. Auf der anderen Seite wird dadurch der Einstieg in das Spiel möglichst leicht gehalten. Manche Objekte sind recht gut versteckt, speziell in der Bibliothek kommt man um Pixel-Hunting kaum herum, was mit der Controller-Steuerung recht umständlich sein kann. Eine Hotspot-Anzeige gibt es nicht.

Die Altmeister sind zurück und stellen Eindrucksvoll unter Beweis, dass Adventures mit klassischem Gewand auch heute noch funktionieren können. 'Thimbleweed Park' bringt eine im Genre-Vergleich ungeahnte spielerische Freiheit bei den Rätseln, was die Reihenfolge und Vielzahl der Aufgaben angeht. Die Entwickler verlieren den Spieler dabei aber nie aus den Augen. Überall entdecken wir kleine Details, finden Hinweise auf mögliche Lösungswege oder erfreuen uns über Anspielungen auf die alten Klassiker. Darüberhinaus gelingt es der Geschichte, den Spieler wirklich an den Monitor zu fesseln. Für ungeübte Spieler gibt es eine leichtere Variante - hier wurde wirklich an fast alles gedacht. Auch die Grafik im Pixel-Look überzeugt und selbst die auf den ersten Blick umständlich wirkende Steuerung geht schnell in Fleisch und Blut über. Punktabzug gibt es hingegen für kleinere Schnitzer bei den Bildschirmtexten in der deutschen Version, die nicht immer in den vorgegebenen Rahmen passen oder die zum Teil identischen Gesprächsoptionen der zwei Agenten. Das fällt im Vergleich zum ansonsten sehr gut polierten Spiel umso deutlicher auf. Können Ron Gilbert und Gary Winnick nun also an die alten Erfolge anknüpfen und gleichzeitig mit aktuellen Genre-Hits mithalten? Ja, ganz eindeutig. 'Thimbleweed Park' gehört ausnahmslos in jede Adventure-Sammlung und wir hoffen, dass wir noch weitere Adventures dieses Teams spielen dürfen.
-
Thimbleweed Park
- Entwickler
- Terrible Toybox
- Publisher
- Terrible Toybox
- Release
- 30. März 2017
- Auszeichnungen
- Adventure Corner Award • Adventure des Jahres • Adventure des Jahres Redaktionswahl • Die beste Geschichte des Jahres • Die besten Rätsel des Jahres • Überraschungs-Hit des Jahres
- Trailer
- Hier ansehen • Bei Youtube ansehen
- Webseite
- https://thimbleweedpark.com/
- Art
-
Crowdfunding
- Sprachen
-
- Systeme
-
- Stichwörter
- Thimbleweed Park im Humble Store kaufen (Affiliate-Link)
- Thimbleweed Park im Epic Store kaufen (Affiliate-Link)