In der Spiele-Branche kann es schnell gehen. Mit Staffel eins von 'The Walking Dead' feierte Telltale Games einst einen geradezu kometenhaften Aufstieg. Sieben Jahre später markiert die letzte Staffel derselben Zombie-Reihe das Ende des amerikanischen Studios. Nur dank dem Einsatz von Skybound Games konnte sie überhaupt vollendet werden. Wie würdig dieser Abschied von Clementine und Telltale Games geworden ist, sehen wir uns im Review an. Wenigstens die ersten beiden Staffeln sollte man vorher aber gespielt haben, um Spoiler zu vermeiden.

Clementines Reise wird fortgesetzt
Im Gegensatz zu 'Michonne' und 'A New Frontier' steht Clementine in der finalen Staffel wieder im Zentrum der Geschichte. Sie kümmert sich um Alvin Jr. (kurz AJ), der noch im Vorschulalter sein dürfte. Zu Beginn der Reihe war sie es noch, die als Mädchen in Lee Everett einen Ersatzvater fand, der ihr binnen weniger Monate die Grundlagen des Überlebens und andere Dinge vermitteln konnte. Inzwischen haben sich die Rollen geändert. Wobei die Situation bei AJ nicht exakt dieselbe ist. Der Junge kennt seit seiner Geburt keine andere Welt und hat seine Eltern viel früher verloren.
Eines Tages treffen Clementine und ihr Schützling auf eine Gruppe von Jugendlichen, die mitten im Wald im ehemaligen Internat für schwer Erziehbare leben. Erwachsene gibt es dort längst keine mehr und als Anführer dient der bemüht rebellisch gestylte Marlon. Vom Alter her fühlt sie sich dort gut aufgehoben und selbst AJ findet dort einen passenden Altersgenossen. Allerdings wird schnell deutlich, dass der Junge erst lernen muss, wie man mit anderen Menschen umzugehen hat. Diese Situation ist Neuland für ihn.
Mutterrolle in einer Zombie-Welt
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Clem kümmert sich um den kleinen AJ |
Unsere Protagonistin sieht sich dadurch mit schwierigen Fragen konfrontiert, bei denen sie oft selbst nicht mit Sicherheit sagen kann, was die beste Antwort ist. Seit Jahren lebt sie auf sich gestellt und mit etwa 16 Jahren ist sie streng genommen selbst noch nicht erwachsen. Einerseits muss das Kind möglichst früh in der Lage sein, sich zu verteidigen. Wer weiß, wie lange sie in dieser gefährlichen Zombie-Welt überlebt. Zugleich kann zu viel rohe Gewalt Spuren in der Psyche hinterlassen.
Viele Entscheidungen in 'The Walking Dead: The Final Season' berühren diese Problematik und lasten auf der Seele der jungen Ziehmutter. Als Spieler ist man somit mehr damit beschäftigt, als mit den klassischen „Wen rette ich“-Entscheidungen. Telltale und Skybound gelingt es in der Regel sehr gut, den Spieler in diese fast unmöglich scheinende Erzieherrolle eintauchen zu lassen und zwar ohne dass die Spannung darunter zu leiden hat. Im Gegenteil. Nur gegen Ende wären stärkere Konsequenzen wünschenswert gewesen.
Vereinzelt gibt es eine kleine inhaltliche Verzweigung, die insbesondere die potenziellen Romanzen von Clementine betreffen. Da es keine manuellen Speicherstände gibt, muss man das Spiel zumindest ein zweites Mal komplett durchspielen, um alles zu erleben. Besagte Abweichungen sind allerdings nicht groß genug, damit sich das lohnen würde. Im Hinblick auf die Spieldauer ist übrigens mit neun bis zehn Stunden zu rechnen.
Vorwissen hilft, aber nicht alle Staffeln sind essentiell
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Im Intro können vergangene Entscheidungen simuliert werden |
Am Anfang des Zombie-Abenteuers werden wichtige vergangene 'The Walking Dead'-Ereignisse anhand von mehreren Graphic-Novel-artigen Zeichnungen illustriert. Das ist hilfreich für die Gedächtnis-Auffrischung, denn einige Ereignisse liegen recht lange zurück. Wer gerade keinen Speicherstand zur Hand hat, der darf wesentliche Entscheidungen in diesem Intro manuell auswählen.
Natürlich empfiehlt es sich, sämtliche Staffeln mit Clementine gespielt zu haben und ihre persönliche Entwicklung zu kennen, essentiell für die Wirkung dieser Geschichte ist jedoch in erster Linie die beeindruckende erste Staffel. Auf Lee wird naturgemäß immer wieder Bezug genommen.
Stimmige Präsentation
Die englische Sprachausgabe ist wie üblich hervorragend gelungen (ähnliches gilt für die deutsche Vertonung) und der Soundtrack von Jared Emerson-Johnson passt perfekt zum Geschehen. Sichtlich dem Stil der Comics weiter angenähert hat sich wiederum die 3D-Grafik. Gerade in diesem Bereich hat sich Telltale Games in den letzten beiden Jahren, nach langer Stagnation, deutlich weiterentwickelt. Die Optik wirkt reifer und detaillierter, was u.a. zu einer bedrohlicheren Atmosphäre beiträgt. Auf wirklich gruselige Situation wird in der Regel allerdings verzichtet. Das Blut spritzt mitunter aber ganz ordentlich, wie es sich für das Zombie-Genre gehört.
Die Fortbewegung erfolgt wie gewohnt aus der Third-Person-Perspektive, wobei die Spielfigur stets groß im Bild zu sehen ist. Während sich bei den Dialogen nichts geändert hat (uns stehen in Gesprächen fast immer die üblichen vier Antwortmöglichkeiten zur Auswahl, wodurch sich die Beziehung zu diversen Charakteren ändern kann), wurde das Action-Gameplay überarbeitet. Darauf gehen wir im nächsten Abschnitt genauer ein.
Durchwachsene Action
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Spielerisch ist zwar vieles etwas freier als früher, aber natürlich fühlt es sich immer noch sehr vertraut an |
Reine Quicktime-Ereignisse sind seltener geworden und Clementine agiert im Kampf freier als sonst. Ist sie nahe genug bei einem Zombie, kann sie diesem entweder ein Messer in den Kopf jagen, oder den Gegner für kurze Zeit kampfunfähig machen. Letzteres ist dann sinnvoll, wenn zwei, drei Zombies nahe beisammen sind. Oder wir laufen woanders hin, um unsere Ausgangslage ein bisschen zu verbessern. Teilweise lassen sich zudem Fallen in der Umgebung aktivieren, wobei hier Timing gefragt ist. Oder wir schießen aus der Deckung heraus Pfeile mit dem Bogen.
In der Theorie klingt das gar nicht schlecht, nur hat sich das Gamedesign ansonsten nicht wirklich geändert: Der Bewegungsfreiraum ist noch immer sehr eng, das Blickfeld sehr eingeschränkt, wodurch es eher mühsam ist, sich einen Überblick zu verschaffen. Es fehlt jene Dynamik, die man z.B. von Action-Adventures wie 'The Last of Us' kennt und man wird umso deutlicher daran erinnert, wie limitiert die Spielwelt in Wahrheit ist. Lästig ist zudem die Tatsache, dass der Übergang von den Zwischensequenzen zum Action-Gameplay mit Verzögerung stattfindet. Es dauert immer ein paar Sekunden, ehe die Fortbewegung per Controller möglich ist. In Situationen, wo die Zeit drängt, kann das die Immersion stören. Immerhin hält sich die Action aber in Grenzen und das meiste ist schnell erledigt.
Mit der finalen Staffel von 'The Walking Dead' ist Skybound und Telltale Games gerade in inhaltlicher Hinsicht ein würdiges Ende gelungen. Welche Werte vermittelt man einem Kind in so einer grausamen Welt, was ist überhaupt zumutbar? Erfreulicherweise werden viele Grauzonen im zwischenmenschlichen Bereich geboten, bei denen die richtige Entscheidung selten auf der Hand liegt (wenn es sie überhaupt gibt). Lediglich bei den verschiedenen Enden wären größere Unterschiede wünschenswert gewesen.
Während der Inhalt oft zum Nachdenken anregt, tun sich die Macher beim Action-Gameplay schwer. Mehr Spielraum bei den Action-Momenten mag in der Theorie gut klingen, das bringt jedoch wenig, wenn die Controller-Steuerung zu behäbig ist und das Drumherum gleich geblieben ist. Aus Sicht des Studios wäre es wahrscheinlich sinnvoller gewesen, die alte Gameplay-Formel beizubehalten. Zwar hat die sich längst abgenutzt, dafür konnte man sich voll und ganz auf Story und Charaktere konzentrieren, wo immer schon die eigentliche Stärke gelegen hat.
Wer über die manchmal unausgereifte Action hinwegsehen kann, der bekommt dennoch ein packendes Drama mit interessanten Charakteren serviert. Empfehlenswert.
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The Walking Dead: The Final Season
- Entwickler
- Skybound Entertainment
- Publisher
- Skybound Entertainment
- Release
- 26. März 2019
- Trailer
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