Eine Lakune oder Lacuna bezeichnet in der Textwissenschaft eine Lücke im Text bzw. in der Überlieferung eines Textes, die z.B. durch den Verlust einzelner Seiten oder durch Beschädigungen am Papier entstehen kann. Was das mit dem Noir-SciFi-Adventure 'Lacuna' von DigiTales zu tun hat? Nun, auch ein Mord stellt gewissermaßen eine Lücke dar, die durch Ermittlungen gefüllt werden muss. Gemeinsam mit Neil Conrad sollen wir herausfinden, wer hinter dem feigen Attentat auf einen hochrangigen Politiker steckt. Was wie ein typischer Krimi klingt, entpuppt sich sehr rasch als ausgeklügelte Story, die zumindest teilweise von unseren Entscheidungen geformt wird.

Wer hat Joseph Banny ermordet?

Das klingt zunächst nach einer recht konventionellen, geradlinigen Whodunnit-Story mit konventionellen Zutaten. Wir müssen aber rasch feststellen, dass die ganze Angelegenheit etwas komplexer ist – Neil bekommt es mit Terroristen und Fanatikern zu tun und auch ein 40 Jahre altes Unglück scheint irgendwie mit dem Anschlag zu tun zu haben. Dazu gesellen sich Entscheidungen, die sich mehr oder weniger direkt auf die Geschichte und das Ende auswirken. Das Spiel verzichtet dabei darauf, uns einen Kompass an die Hand zu geben, der uns verrät, ob wir richtig oder falsch handeln. Das müssen wir nämlich speziell bei moralischen Fragen mit uns selbst ausmachen bzw. für Neil entscheiden, ob er beispielsweise mit Erpressern verhandelt oder wie er mit pikanten Informationen umgeht. Fast alles, was zwischen dem genau definierten Ausgangspunkt der Geschichte und einigen zentralen Ereignissen liegt, geht auf unsere Kappe und beeinflusst auch das Ende, das wir zu sehen bekommen.
Wir ermitteln in einer Blase...

… füllen Lücken...
In den Fallakten müssen wir unser Talent als Ermittler unter Beweis stellen und die gesammelten Indizien logisch verknüpfen. Dabei greifen wir auf sämtliche Informationen zurück, die uns zur Verfügung stehen – Mails, Spuren, Gesprächslogs, teilweise auch Nachrichten. Alles kann hilfreich sein, und auf farbig hervorgehobene Fakten sollte man besonders achten. Nicht alle davon bringen uns tatsächlich weiter. Sie helfen uns aber in Kombination mit anderen Indizien dabei, die Spreu vom Weizen zu trennen und die richtige Schlussfolgerung zu ziehen.

Wir haben dabei genau einen Versuch, um die Lücken sinnvoll zu füllen. Ist eine Akte erst einmal fertig bearbeitet und beim Vorgesetzten eingereicht, gibt es kein Zurück mehr. In jedem anderen Spiel würde man im Fall eines Irrtums einfach den vorherigen Spielstand laden. 'Lacuna' erlaubt das aber nicht. Zwar wird regelmäßig automatisch gespeichert (selbstständiges Speichern ist nicht vorgesehen), aber es gibt keine Liste von Spielständen, die geladen werden können. Wir können das Spiel fortsetzen oder von vorne anfangen. Das ist insofern interessant, als man so gezwungen ist, den einmal beschrittenen Pfad bis zum Ende zu gehen, und wie im echten Leben bekommt man kaum einmal Gelegenheit, einen Fehler zu korrigieren.
… und knöpfen uns Verdächtige vor
Die Informationen, die wir zusammentragen, helfen uns außerdem dabei, Verhöre vorzubereiten. Wir können uns so vorab ein Bild der Verdächtigen machen und gezielt Fragen stellen bzw. einen Verdächtigen dazu bringen, überhaupt mit uns zu sprechen. Auch hier heißt es behutsam vorgehen, denn nicht jede Herangehensweise ist auch zielführend. So ein Verhör kann schneller zu Ende sein als es begonnen hat. Es empfiehlt sich außerdem, sämtliche Quellen anzuzapfen, die einem zur Verfügung stehen, und auch wenn es nicht immer etwas bringt: Manchmal zahlt es sich aus, mit einem anderen Charakter noch ein wenig zu plaudern, ehe man sich zum Verhör begibt.
Ein Gameplay-Element, das in anderen Adventures mitunter bis zum Überdruss eingesetzt wird, ist in 'Lacuna' optional: Das beliebte Spielchen „Tust du mir einen Gefallen, bekommst du deine Informationen“. Neil kann an manchen Stellen entscheiden, ob er einer Person helfen möchte, um so eine wichtige Auskunft zu erhalten. Ansonsten greift er eben einfach auf seine Autorität als Agent zurück. Sowohl der hilfsbereite als auch der autoritäre Neil kommen ans Ziel, denn beide Methoden funktionieren. Man sollte aber in jedem Fall abwägen, wann und bei wem man welche Taktik einsetzt. Im späteren Spielverlauf muss Neil zunehmend moralisch gewichtige Entscheidungen treffen, manche unter Zeitdruck. Das kann schon mal in leichten Stress ausarten, wird aber zum Glück nicht überstrapaziert.
Übrigens gibt es auch eine Art Hilfefunktion: Einerseits gibt einem das Spiel vor, was als nächstes zu tun ist – die aktuellen Aufgaben finden wir im Cell. Andererseits können wir unten rechts eine Option aktivieren, die uns einen zweiten Neil in Form eines blauen Umrisses beschert. Dieser Umriss läuft dann vor uns am Bildschirm in die Richtung, in die sich Neil bewegen soll; Unterstützung kommt dabei von einem Pfeil. Das ist zwar nett, aber nicht notwendig. Denn wenn wir nicht ausdrücklich den Auftrag bekommen, mit dem Zug zur nächsten Location zu fahren, können wir das auch nicht tun. Schauplatz-Hopping ist also nicht drin. Gesteuert wird Neil über die Tastatur. Beim Ermitteln, in Gesprächen und beim Bearbeiten der Fallakten kommt außerdem die Maus zum Einsatz.
Wo sind die SciFi-Elemente?

Die eigentlichen SciFi-Elemente von 'Lacuna' verbergen sich jedoch zum überwiegenden Teil in den nicht sichtbaren Details. Wir erfahren beispielsweise, dass sich die Menschen Implantate einsetzen lassen können, um ihre Leistungsfähigkeit, Reaktionsgeschwindigkeit oder Resistenz gegen Drogen zu steigern. Die Medizin ist so weit fortgeschritten, dass selbst die negativen Folgen des Rauchens mehr oder weniger komplett abgefedert werden können. Gleichzeitig zeigen sich die SciFi-Elemente in der gesellschaftlichen Ordnung: Es wird beinhart zwischen den „Oberen“ und den „Unteren“ unterschieden, statt einer Mehrklassen-Gesellschaft gibt es in 'Lacuna' nur noch zwei Klassen. Neil gehört als Agent zu den „Oberen“ und kann sich frei bewegen, während die Angehörigen der „Unteren“ auf die weniger schönen Wohngebiete angewiesen sind, von diversen Orten auch einfach vertrieben oder von größeren Firmen in den Ruin getrieben werden können. Die „Wir gegen die“-Mentalität der „Unteren“ ist speziell in Begegnungen mit ihnen deutlich spürbar, und hier kommt mehr als einmal die Frage ins Spiel, wie Neil mit diesen Menschen verfahren will – dipomatisch und hilfsbereit oder doch eher autoritär?
Was wir zu hören bekommen
'Lacuna' bleibt bis auf die stimmungsvolle, abwechslungsreiche Musik und einige dezent eingesetzte Hintergrundgeräusche mehr oder weniger stumm. Lediglich Neil bekommt in seiner Funktion als Erzähler eine (deutsche) Stimme, die allerdings auch nur in einigen Zwischensequenzen zu hören ist. Dialoge müssen ansonsten abgelesen werden, den Spielspaß trübt das allerdings zu keiner Sekunde. Texte gibt es derzeit auf Deutsch, Englisch, Russisch, Koreanisch, Japanisch und Chinesisch.
'Lacuna' hat mich wirklich überrascht. Was zunächst nach einem recht konventionellen Krimi mit einem konventionellen Ermittler mit konventionellen Problemen aussieht, entwickelt sich recht rasch zu einem durchaus vielschichtigen Spiel mit interessantem Gameplay. An manchen Stellen wird man als Spieler zwar sehr fest an der Hand genommen, etwa, wenn das Spiel vorgibt, wohin Neil als nächstes zu gehen oder was er als nächstes zu tun hat. Dafür müssen wir aber ständig nach unserem eigenen moralischen Kompass entscheiden und beeinflussen so direkt, welches Ende wir zu sehen bekommen. Unterschiedliche Enden erhöhen den Wiederspielwert, und bei einer Spielzeit von knapp fünf Stunden ist das auch locker drin. Das Fehlen der Speicherfunktion wird sicher nicht jeden begeistern, zwingt es einen doch, mit den einmal getroffenen Entscheidungen zu leben. Gerade das macht aber den Reiz des Spiels aus, und es hebt 'Lacuna' auch ganz klar von anderen Adventures ab.
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Lacuna
- Entwickler
- DigiTales Interactive
- Publisher
- Assemble Entertainment
- Release
- 20. Mai 2021
- Webseite
- https://digitales.games/
- Sprachen
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- Systeme
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- Stichwörter
- Offizielle Website
- Bei Steam kaufen
5 Kommentare
Schade kommt es nicht fürs iPad