Gibt es den perfekten Mord? Diese Frage steht im Mittelpunkt von 'Overboard!', denn zur Abwechslung sind wir hier nicht auf Mörderjagd, sondern müssen im Gegenteil versuchen, mit einem Mord davonzukommen. Es liegt auf der Hand, dass das nicht allzu einfach sein wird. Das hat uns allerdings nicht davon abgehalten, es zumindest zu versuchen.
Hasch mich, ich bin der Mörder!
Veronica Villensey, Ex-Starlet, ist mit ihrem Mann Malcolm auf der SS Hook auf dem Weg nach New York. Wir erfahren, dass das Ehepaar nach einigen unglücklichen Investitionen finanzielle Probleme hat und in Amerika einen Neuanfang wagen möchte. Doch dazu kommt es nicht: In der Nacht des 3. Juli 1935 geht Malcolm über Bord, nachdem Veronica ihm einen kräftigen Stoß verpasst hat. Ab jetzt gilt es, ihr dabei zu helfen, die acht Stunden bis zur Ankunft in New York unbeschadet zu überstehen, jeden Verdacht von ihr abzulenken, im Idealfall einen anderen Passagier oder eine Passagierin anzuschwärzen und mit heiler Haut davonzukommen.
Das ist schwieriger, als es klingt, denn es gibt eine Fülle an Details, die berücksichtigt werden müssen und viele Stolperfallen auf dem Weg in die Freiheit. Das Spiel ist allerdings nicht darauf ausgelegt, Veronica gleich beim ersten Mal erfolgreich zu helfen. Manche Details werden nämlich erst im nächsten Durchgang enthüllt, und auch die Tipps zur Vorgehensweise richten sich danach, wie man sich im letzten Durchgang geschlagen hat. Sei es ein verlorener Ohrring oder starke Schlafmittel, sei es eine eifersüchtige Geliebte, eine tratschende dem Alkohol zugeneigte Adelige oder ein attraktiver Offizier: Es gilt, Beweismittel zu vernichten, Verbündete zu finden und den ein oder anderen Zeugen entweder auf Veronicas Seite zu ziehen oder ebenfalls den Haien zum Fraß vorzuwerfen.
Wie ziehen wir den Kopf aus der Schlinge?
Damit kommen wir auch schon ohne Umschweife zum Gameplay. Dieses besteht in erster Linie darin, Veronica in zahlreichen Dialogen dabei zu helfen, die richtige Antwort zu finden bzw. sie in bestimmten Situationen eine passende Entscheidung fällen zu lassen. Ganz am Anfang beispielsweise müssen wir entscheiden, ob der Steward, der an die Kabinentür klopft, eintreten darf und was Veronica ihm über Malcolm erzählt – gibt sie vor, dass er spazieren gegangen ist oder sagt sie, dass er verschwunden ist? Wohin geht sie, nachdem sie erschrocken festgestellt hat, dass sie einen ihrer Ohrringe verloren hat? Was tut sie mit einem Schlüssel, den sie in Malcolms Jacke findet? Im Grunde besteht das Spiel aus einer Verkettung unterschiedlicher Entscheidungen, die in der Regel immer Konsequenzen nach sich ziehen. Schlimmstenfalls führen sie dazu, dass Veronica am Ende im Gefängnis landet. Es will also gut überlegt sein, wie mit Beweismitteln verfahren wird und wem man was anvertraut oder wer sich am besten als Verbündeter eignet.
Das Spiel gibt dabei kleine Hilfestellungen: Nach jedem Durchgang wird zu Beginn des nächsten eine kurze Checkliste präsentiert, die aufzählt, was es zu berücksichtigen gilt – etwa die Frage, wie eine Tratschtante zum Schweigen gebracht werden kann. Diese Liste kann sich mit jedem Durchgang ändern, je nachdem, was davon man abhaken konnte. Das gilt auch für eine weitere Hilfsfunktion, die sich in der Schiffskapelle versteckt. Die Hinweise ändern sich sowohl in der Checkliste als auch in der Kapelle je nach erspieltem Ende.Schafft man es beispielsweise, Veronica in die Freiheit entkommen zu lassen, kann es passieren, dass sie danach erpresst wird, weil man irgendwo einen Fehler gemacht hat. Dann erinnert einen die Checkliste im nächsten Durchgang daran, dass der Erpresser gefunden werden muss.
Das Spiel gestaltet sich trotz oder gerade wegen des einfachen Spielprinzips sehr abwechslungsreich und ist kurz genug, um mehrere Durchgänge am Stück zu schaffen. Für sieben Versuche, Veronica vor dem Gefängnis zu retten, habe ich knapp zwei Stunden benötigt und nicht einmal ansatzweise alle Optionen ausgeschöpft, die das Spiel bietet.
Minimalistische, ansprechende Optik
Die Grafik gibt sich minimalistisch und kommt mit wenigen Bewegungen aus. Dafür glänzt sie mit einer etwas polierten, aber sehr ansprechenden Optik und schön gezeichneten Charakteren, die zwar über keinerlei Mimik verfügen, dabei aber trotzdem sehr lebendig wirken. Vom Schiff selbst bekommen wir praktisch nichts zu sehen. Zwar gibt es mehrere Räume, die wir mit Veronica aufsuchen können, aber diese werden nicht im Detail dargestellt. Vielmehr dominieren die Charaktere den Bildschirm, mit den ein oder anderen passenden Requisiten ausgestattet. Die Grafik ist mehr Mittel zum Zweck, erfüllt diesen Zweck aber ganz hervorragend. In Sachen Sound dürfen wir uns über stimmungsvolle Klänge freuen, die sich an der Musik der 1920er und 1930er orientiert und stark an die musikalische Untermalung alter Agatha Christie-Filme erinnert. Eine Sprachausgabe gibt es nicht; lediglich in der Eröffnungssequenz hören wir Veronica (auf Englisch) sprechen. Die ebenfalls englischen Dialoge werden ausschließlich schriftlich präsentiert. Apropos Dialoge: Im Hauptmenü kann man einstellen, ob die Charaktere im Spiel fluchen dürfen oder nicht. Das ist ein nettes Feature; schließlich liegt die teils deftige Sprache sicherlich nicht jedem.
'Overboard!' hat richtig Spaß gemacht und mich vom Konzept her an 'Bohemian Killing' erinnert. Auch hier geht es darum, nach einem Mord den Kopf aus der Schlinge zu ziehen, und auch hier stehen uns zahllose Möglichkeiten offen, das zu bewerkstelligen. Die Idee ist insofern nicht ganz neu, aber im Unterschied zu den üblichen Krimi-Spielen noch ziemlich unverbraucht. Darum funktioniert 'Overboard!' auch hervorragend, eignet sich wunderbar für Zwischendurch und versteht es, den Spieler zu mehreren Durchgängen zu motivieren. Schließlich muss es doch zu schaffen sein, sämtliche Passagiere und Crew-Mitglieder erfolgreich an der Nase herumzuführen! Die unterschiedlichen Enden sind dabei ebenso Ansporn wie diverse Steam-Achievements, die man z.B. dafür erhält, Veronica binnen kürzester Zeit zu helfen anstatt die vollen acht Stunden auszuschöpfen. Wer einen Krimi mal von der anderen Seite erleben möchte, ist mit 'Overboard!' auf jeden Fall gut bedient. Erhältlich für PC, Nintendo Switch, iOS und Android.
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Overboard!
- Entwickler
- inkle Studios
- Publisher
- inkle Studios
- Release
- 2. Juni 2021
- Trailer
- Hier ansehen • Bei Youtube ansehen
- Webseite
- https://www.inklestudios.com/overboard/
- Sprachen
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