In 'Agatha Christie - Hercule Poirot: The London Case' schickt uns Entwickler Blazing Griffin in einen bisher unbekannten Fall um den bekannten belgischen Ermittler, der nicht unspektakulärer beginnen könnte: Poirot wird abgestellt, um ein wertvolles Gemälde auf dem Weg nach London zu bewachen. Doch dann nimmt das Schicksal seinen Lauf und der Ermittler lernt nicht nur seinen künftigen Freund und Gehilfen Hastings kennen, sondern steckt auch mitten in der Untersuchung eines mysteriösen Mordfalls.
Eine Seefahrt, die ist lustig...
Das dachte auch der belgische Detektiv Hercule Poirot, als er den Auftrag von Lloyd's of London annimmt, um den sicheren Transport, den Schutz und den Verkauf des wertvollen Gemäldes "Die reumütige Maria" zu übernehmen. Es soll das Herzstück einer Ausstellung im London Museum bilden, in der auch weitere kirchliche Kunstwerke ausgestellt werden, die von Belgien an London verliehen wurden. Doch die Seefahrt ist alles andere als ruhig, denn schon bald steckt Poirot in einem ersten kleinen Fall: Ein Schmuckstück ist verschwunden. Wie gut, dass der Detektiv zugegen ist und bei der Aufklärung des Falles ein wenig weiterhelfen kann. Bei diesen ersten Ermittlungen trifft er auf einen jungen Versicherungsmitarbeiter namens Hastings.
Diese schicksalhafte Begegnung wiederholt sich kurz darauf im Museum, wo Poirot und Hastings die Sicherheitsvorkehrungen unter die Lupe nehmen, die das Gemälde schützen sollen. Doch bei der feierlichen Eröffnung stellen die Freunde fest, dass alle Vorkehrungen nichts genutzt haben: Das Kunstwerk wird gestohlen, ohne dass jemand auch nur irgendetwas davon bemerkt. Sofort machen sich Poirot und Hastings auf die Suche nach dem wertvollen Bild. Schon kurz darauf eskaliert die Situtation und es gibt neben dem verschwundenen Bild auch einen Mord aufzuklären...
Wieder erwartet uns Spieler eine spannende Geschichte mit einigen unvorhersehbaren Wendungen und interessanten Charakteren, deren Motive Hastings und Poirot nach und nach aufdecken. Das geschieht natürlich nur mit unserer Hilfe, denn wir müssen wieder die richtigen Schlussfolgerungen ziehen und in der Deduktionsansicht die Gedanken von Poirot korrekt verknüpfen. So finden wir heraus, wer sich zum Zeitpunkt des Diebstahls mit wem wo befunden hat. Aber haben uns alle die Wahrheit gesagt? Oder können wir einen Verdächtigen der Lüge überführen? Bis wir am Ende alle Fäden entwirren und die Verbrechen aufgeklärt haben, bereist das Duo unterschiedliche Orte in London. Neben dem Museum stehen u.a. eine Kirche, die Redaktion einer Zeitung oder mehrere Wohnungen als Schauplätze zur Verfügung, die über eine Karte von London ausgewählt werden. Einige Orte erfordern weitere Laufstrecken, die Poirot gemütlichen Schrittes zurücklegt, rennen kann er nicht. Auch die Karte kann nicht direkt aufgerufen werden, wodurch man immer zum Ausgang des jeweiligen Ortes zurückkehren muss.
...eine Zugfahrt ist (nicht) schön...
Beim Vorgänger, der Poirots ersten Fall erzählte, haben wir bereits kritisiert, dass die Ermittlungen "wie auf Schienen" verlaufen. So ist es auch hier: Wenn wir alle richtigen Objekte finden und alle erforderlichen Gespräche führen, geht es in der Story voran. Neu ist jetzt, dass wir einige Objekte zunächst einsammeln und dann später einsetzen müssen. Das Inventar bleibt über den gesamten Spielverlauf aber so übersichtlich, dass es hier nie zu Schwierigkeiten kommen wird. Noch dazu sind die Orte, an denen überhaupt ein Gegenstand zum Einsatz kommt, fest vorgegeben. Es gibt auch keine Alternativ-Wege, was dem Realismus des Spiels doch schadet. An einer Stelle findet Poirot beispielsweise einen leeren Zettel, in den noch Teile eines anderen Briefes eingedrückt wurden. Selbst unerfahrene Abenteurer wissen genau, was jetzt zu tun ist: Mit einem Bleistift schwach über das Papier reiben, damit wir die Botschaft lesen können. Wie gut, dass sich in dem Zimmer ein Kamin und dazu passende Kohlebriketts finden. Diese werden allerdings nicht als Hotspot angeboten. Stattdessen steht eine Reise quer durch London zu einem Ort an, bei dem Zeichenkreide zu finden ist. Damit diese in die Manteltasche des Detektivs wandern kann, muss zunächst der vermeintliche Besitzer gnädig gestimmt werden. Dafür begeben wir uns auf die Suche nach dessen verschwundener Katze. Um den Stubentieger aus seinem Versteck zu locken, benötigen wir einen weiteren Gegenstand, der - wie sollte es anders sein - eine weitere Reise erfordert. An einen Ort, den wir zuvor schon besucht hatten. Das Objekt konnten wir da jedoch noch nicht einstecken. An solchen Stellen verzweifeln wir innerlich.
Die Gesprächsduelle, mit denen wir in 'The First Cases' andere Charaktere aus der Reserve locken mussten, um an wichtige Informationen zu kommen, wurden aus dem Spiel genommen. Da sie im Vorgänger keine Auswirkungen hatten und bei Mißerfolg einfach neu starteten, ist das zwar kein Verlust. Schöner wäre es gewesen, wenn das Spiel solche Mittel genutzt hätte, um unterschiedliche Schlussfolgerungen zu ermöglichen oder Alternativrouten freizuschalten. So bleiben als Rätsel dann nur noch der Gedankenpalast sowie das Auffinden bestimmter Kombinationen mit denen sich Tresore öffnen lassen. Um diese herauszubekommen müssen oftmals zunächst Objekte gefunden, gründlich untersucht und teilweise auch decodiert werden. Ein wenig Nachdenken führt aber schnell zum richtigen Ergebnis.
... doch da kann man schöne Grafiken sehen
Im direkten Vergleich mit 'The First Cases' schneidet die Grafik besser ab. Die Figuren bewegen sich etwas realistischer und die Welt ist nicht mehr so kantig. Dazu kommen passendere Effekte und mehr Details bei den Charakteren. Anders als der Vorgänger verzichtet 'London Case' aber auf die Einblendung kleiner Portraits bei den Dialogen. Die Gestik und Mimik übernimmt nun die 3D-Engine, Unschärfen, Gegenschnitte und Portraitaufnahmen erwecken Filmatmosphäre. Das funktioniert größtenteils auch ganz ordentlich. Manche Gesprächspartner bewegen ihre Lippen zu wenig, bei einigen Sätzen fehlt die Lippenbewegung komplett, was allerdings ein Bug sein dürfte. Noch dazu wiederholen sich die Bewegungen recht oft. Detaillierter und insgesamt schicker präsentieren sich auch die Hintergründe, wodurch die Welt echter wirkt. Im Umkehrschluss bedeutet das aber auch, dass uns in der Grafik immer wieder einmal Dinge wie Papiere auffallen, die Poirot überhaupt nicht wahrnimmt. Für den Hobbyschnüffler könnte das durchaus wichtig sein, schließlich untersuchen wir die Wohnung eines Verdächtigen. Das Spiel bietet aber nicht einmal einen Hotspot an. Die einzelnen Orte wirken belebter als noch im Vorgänger, mit einem aktuellen AAA-Titel kann die Optik dennoch nicht mithalten.
Überzeugt hat uns wieder die qualitativ gute deutsche Sprachausgabe. Die Stimmungen des Gesprochenen passen zur Situation und die Sprecher machen ihre Sache sehr gut. Verwundert mussten wir aber feststellen, dass die Untertitel sehr oft nicht zum gesprochenen Text passen. Teilweise wurden ganze Sätze komplett umgestellt oder andere Worte verwendet. Das sorgt beim Mitlesen dann doch für Verwirrung, obwohl der Sinn in der Regel erhalten bleibt. Gut gefallen hat uns auch der filmreife Soundtrack. Die Steuerung funktioniert problemlos. Es gibt die freie Wahl zwischen Maus, Gamepad und Tastatur. Für den Test am PC haben wir überwiegend mit dem Gamepad gespielt, die anderen Steuerungsoptionen funktionieren aber genauso gut.
Erneut stehen für Poirot auf der Habenseite eine spannende Geschichte mit einigen Wendungen, die den Charme der Romane einfangen kann sowie ein sympatischer Hauptcharakter. Dazu gesellt sich ein filmreifer Soundtrack sowie eine sehr gute deutsche Sprachausgabe. Auch die Grafik zeigt sich im Vergleich zum Vorgänger verbessert. Das Krimi-Abenteuer spielt sich leider fast von allein, Rätsel fehlen erneut fast völlig. Die Deduktionen sind nicht immer schlüssig nachvollziehbar und die größte Herausforderung besteht eigentlich darin, den nächsten Gesprächspartner oder Hotspot zu finden. Im Vergleich zum Vorgänger gibt es sogar noch weniger zu tun, da die Gesprächsduelle nicht mehr Bestandteil des Spiels sind und bei Dialogen nur noch die Reihenfolge der Fragen ausgewählt werden muss. Dafür gibt es Punktabzüge. Wer einen entspannten Krimi in rund acht Stunden erleben will, kann aber zugreifen.
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Agatha Christie - Hercule Poirot: The London Case
- Entwickler
- Blazing Griffin
- Publisher
- Microïds
- Release
- 29. August 2023
- Trailer
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4 Kommentare
Danke für den Test.
Ich hoffe das andere Poirot Adventure, das ja schon nächsten Monat erscheint, bietet mehr. Werdet ihr das auch testen?