Rund fünf Jahre nach dem Release des vierten Teils der 'Elder Scrolls' Reihe, nämlich 'Oblivion', haben 'Bethesda Softworks' im November mit 'Skyrim' ein weiteres Kapitel in der Saga der fantastischen Welt "Nirn" aufgeschlagen. Diesmal verschlägt es den Spieler nach "Himmelsrand", einer Provinz nördlich von "Cyrodiil", dem Schauplatz des Vorgängers 'Oblivion', dessen idyllische Schönheit nur äußerlich ist. Neben einem Bürgerkrieg, allerlei Problemen mit lokalen und regionalen, nennen wir sie mal „außerhalb der Jurisdiktion arbeitenden“ Gruppierungen und den plötzlich wieder auftauchenden Drachen, gibt es in Himmelsrand jede Menge Arbeit für einen angehenden Helden. Ob auch der Spieler auf eine heldenhafte Reise geschickt wird, oder sich die Zähne an einer schier endlosen To-Do Liste ausbeisst, erfahrt Ihr in unserem Review.

Gerettet, Geächtet, Geschändet?
'Skyrim' beginnt zunächst wie jedes andere Rollenspiel auch. Eine Reihe mehr oder minder sympathischer Charaktere erklären unserem (noch) namenlosen Helden das Setting, bevor er oder sie zum Schafott geführt wird und nur durch Schicksals Fügung (nämlich: einen Drachen) entkommen kann. Bereits hier kann man sich entscheiden, ob man gemeinsam mit den Rebellen oder den Impe… nein, Kaiserlichen flieht, Konsequenzen hat diese Entscheidung für den weiteren Verlauf allerdings nicht, denn in beiden Fällen landet man in einem kleinen Dorf und bekommt beim idyllisch familiären Abendessen erneut erklärt, unter welch enormen Lasten Himmelsrand zusammen zu brechen droht.
Hier offenbart sich auch direkt Bethesdas größter Fehler, denn die Narrative in 'Skyrim' schwankt zwischen Non- Existenz und Charakteren, die einander Plotpoints erklären. Was schon bei Dan Brown (Bestseller- Autor und verantwortlich für Stilblüten wie 'Das Sakrileg' und 'Illuminati') nicht funktioniert, führt bei einem interaktiven Medium schnell zu Ermüdung. Folglich gibt es im gesamten Spiel maximal eine Handvoll einprägsamer Charaktere und trotz massig Hintergrundwissen vermag es keiner der Handlungsstränge so etwas wie Subtext (oder gar emotionales Engagement) zu transportieren und steht in keinem Verhältnis zu vergleichbaren Vertretern des Genres wie 'Dragon Age' oder den beiden 'The Witcher' Teilen.
Game Design = Gameplay?
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Wer Kämpfe hasst, der wird mit Skyrim einige Probleme haben. |
Man mag nun argumentieren, dass die Narrative in 'Elder Scrolls' Spielen eh nur am Rande passiere und gerade nicht die Art Immersion ausmacht, von denen Fans weltweit schwärmen. Vielmehr geht es um das Eintauchen und Bereisen einer fremden, virtuellen Welt, um das Herumstreifen und Entdecken neuer Orte und neuer Geheimnisse zu Fuß oder zu Pferde und dazu lädt die riesengroße Karte von Himmelsrand förmlich ein. Für ungeduldige Spieler gibt es zwar auch Schnellreise- Funktionen zu zuvor erkundeten Orten, den Reiz des Spiels an sich macht jedoch eher der Weg selbst als dessen Ziel aus. Zwischen bewaldeten Berghängen, schneebedeckten Kuppen, trübem, feucht- kalten Marschland oder herrlich weiter Steppe bewegt sich der Spieler allein, oder in Begleitung eines NPC- Kameraden, der ihm in kniffligen Situationen helfend zur Seite steht und ihm gar beim Tragen der Beute hilft. Besonders intelligent sind die Begleiter zwar nicht, eine Persönlichkeit haben sie auch nicht, und selbst simpelste Fallen sind häufig echte Herausforderungen (auch für die Geduld des Spielers), aber als Packesel oder Kanonenfutter taugen sie durchaus.
Einigermaßen gut gelungen ist Bethesda jedoch das Core- Gameplay, nämlich der direkte Konflikt mit allerlei Un- und Geziefer. Der Held bleibt jederzeit klassenlos, verbessert wird, was genutzt wird und ebenso wichtig wie das Erreichen einer Charakterstufe, ist das Erreichen einer Fähigkeitsstufe in einem Baum der Wahl. Dies umfasst neben Kampf- Fähigkeiten auch Dinge wie Taschendiebstahl, Schlösser knacken, Rüstungen oder diverse magische Fähigkeiten. Diese neu gewonnene Freiheit ist besonders bemerkenswert, da sie sich von anderen Spielen und Genre- Konventionen absetzt. Wenn gewählt werden muss, ob man einen Magier, Krieger oder Schurken spielen möchte, limitiert das in der Regel nicht nur die zur Verfügung stehenden Waffen, sondern auch die Möglichkeit, sich zu verteidigen. Durch geschickte Verteilung von Punkten und dem Erlernen entsprechender Fähigkeiten (zum Beispiel: schwere Rüstung) ist dies jedoch kein Problem mehr, wenn man auf die Vorzüge klassenspezifischer Ausrüstung verzichten möchte (zum Beispiel massive Boni auf Mana- Regeneration für Magier). Die Entscheidung wie er sein Spiel spielen möchte, liegt jedoch jederzeit beim Spieler.
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Je nach Tageszeit ändert sich auch die Lichtstimmung deutlich. |
Gesetzt den Fall, dass dieser nicht bereits am Micro- Management in den Menüs scheitert. Sei es die Verwaltung von Equipment, das Zuweisen von erlernten Rufen oder gar die Platzierung von bevorzugten Aktionen oder Waffen im Quick- Menu, immer wieder wird der Spielfluss unterbrochen. Möchte man gar taktisch sinnvoll spielen, was in vielen Situationen ob der teilweise ziemlich kniffligen Gegner wirklich notwendig ist, verbringt man geschätzte 35% der Zeit damit, sich durch wenig attraktive, klotzig designte Menüs zu klicken. Dies ist am PC noch halbwegs vertretbar, auf der Konsole aber ein absoluter Spaß- Killer. Ein unverzeihlicher Design- Faux-Pas und ein schöner Vertreter für die Art "trockenes" Interface, das den Spieler entfremdet, indem es, beinahe buchstäblich, eine Wand zwischen dem Spieler und der Spielwelt errichtet. Einem erfahrenen Team wie Bethesda hätte dieser Fehler eigentlich nicht unterlaufen dürfen.
In meinen Augen noch schwerwiegender ist das fehlende narrative Design. Alle Questlines sind in sich abgeschlossen und haben keinerlei Auswirkungen auf die Spielwelt. Im engen Rahmen verändern sich zwar Kleinigkeiten, aber der Einfluss, den der Spieler tatsächlich auf Himmelsrand hat, ist marginal. Verdammt! In Himmelsrand tobt ein Bürgerkrieg, der Himmel ist voller Drachen! Merke ich das, wenn ich durch die idyllischen, hübschen Dörfer und Städte flaniere? Nein! Hier herrscht Friede, Freude, Eierkuchen und die Einwohner sind eher mit ihren lächerlichen Familienfehden, ihrem Einkommen oder anderen Nebensächlichkeiten beschäftigt. Ignorantes Volk! Welche Motivation hat der Spieler also, dieses unsympathische Lumpenpack vor dem sicheren Tod zu bewahren?
Diese Frage muss wohl jeder für sich selbst entscheiden, eine überzeugende Erklärung von Seiten der Entwickler gibt es nämlich nicht. Bevor es jedoch allzu negativ wird, sei positiv anzumerken, dass das Level Design außergewöhnlich gut gelungen ist. Sei es die Auswahl, die Positionierung der Gegner, oder die Tatsache, dass sich die wahnsinnig vielen Dungeons nur marginal ähneln, obwohl sie aus denselben Elementen bestehen, hier wurde offensichtlich viel Zeit und viel Mühe investiert und das merkt man auch als Spieler.
Postkarten aus Himmelsrand
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Wer nicht gehen möchte, kann sich auch ein Pferd nehmen. |
Ebenso wenig zu meckern gibt es an der grafischen Umsetzung von 'Skyrim', denn die Welt von Himmelsrand ist abwechslungsreich, atmosphärisch und zum Niederknien schön. Bethesdas neue Creation- Engine zeigt, was sie kann und liefert atemberaubende Panoramen und hübsche Details. Man kann nun argumentieren, dass Skyrim im Grunde Norwegen sei und dass das Design auch nicht wirklich neu und/oder interessant ist, aber wirklich ins Gewicht fällt dies nicht. Wichtig ist die Atmosphäre, die hier etabliert wird und sei es in einem staubigen, uralten Hügelgrab, einem von heißen Quellen gespeisten Hain, auf der Spitze des höchsten Berges oder einer Höhle tief unter der Erde, es sieht so aus, wie es aussehen soll und das auf ziemlich beeindruckende Art und Weise. Da 'Skyrim' dabei ziemlich ressourcenfreundlich ist, auch auf den Konsolen eine ausgezeichnete Performanz zeigt, wird dies sicherlich noch für eine ganze Weile der Maßstab im Genre sein. Anzumerken ist jedoch, dass sich die Designer nicht allzu weit aus dem Fenster gelehnt haben und der Stil durchaus als durchschnittlich bis altbacken bezeichnet werden kann. Hier hat zum Beispiel 'The Witcher 2' deutlich die Nase vorn, das mit seinem "schmutzigen", europäisch/ osteuropäisch angehauchten Design deutlich mehr wagt.
Fus- Roh… und so weiter…
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In dunklen Gewölben verbringt man viel Zeit |
Während Bethesda für 'Oblivion' noch Schauspieler- Größen wie z.B. Sean Bean und Patrick Stewart verpflichteten, ist die Auswahl der Sprecher für 'Skyrim' geradezu bescheiden. Nun ja, abgesehen von Oscar- Gewinner und Oscar- Nominee Christopher Plummer und Max von Sydow, die jedoch eher durchschnittliche Leistungen als Synchronsprecher bringen. In der deutschen Version hat man, wie immer, nichts von dieser prominenten Besetzung und es tut 'Skyrim' auch durchaus gut, dass man auf prominente, deutsche Synchronsprecher weitestgehend verzichtet hat. Sicher, bei einem derart großen Ensemble, hört man viele Stimmen doppelt, da die Charaktere jedoch eh wenig Persönlichkeit haben, fällt das nicht weiter negativ ins Gewicht.
Der Soundtrack von Jeremy Soule ist gewohnt gut und atmosphärisch, wobei vor allem der Titelsong sicherlich jedem Spieler eine Gänsehaut bescheren wird. Besonders bemerkenswert ist er jedoch nicht, ebenso wie das Sound- Design, das zwar passt und ganz nett klingt, aber da ist definitiv noch Luft nach oben, 'Mass Effect 3' und auch 'The Witcher 2' machen vor, wie’s geht.
Was tut man also mit einem Spiel, das einen 50% der Zeit vor Wonne hat kichern lassen und die anderen 50% für cholerische Ausbrüche sorgt? Ein fairer Rezensent sollte sich immer fragen: Schafft das Spiel, seine inhärenten Ziele zu erreichen? Ist 'Skyrim' also ein epischens Action- Rollenspiel, das direkt auf keinen geringeren Titel als die Genre- Referenz abzielt? In dem Fall muss die Antwort lauten: Größtenteils nicht. Denn obwohl 'Skyrim' sehr episch inszeniert ist, ist doch gerade die Narrative sein größter Schwachpunkt. Ein zweiter großer Kritikpunkt ist die Motivation des Spielers, denn die inhärente Belohnungsstruktur ist kaum ausgeprägt, manche Quests nutzen dem Spieler rein gar nichts, er bekommt nicht einmal eine schöne Cutscene als Belohnung, oder vielleicht ein Item das viel weniger mächtig ist, als das, welches er bereits besitzt. Absolviert er die Quests dann, um sie zu absolvieren? Auf diese Tautologie darf sich einfach keine Designphilosophie gründen, über kurz oder lang führt das nämlich genau dazu, dass sich die Spieler langweilen. Ist 'Skyrim' also ein schlechtes Fantasy- RPG? Nein! Als Spieler fühle ich mich immer wieder entführt, in diese kalte, faszinierende und betörend schöne Welt, und auch wenn ich aus dieser immer wieder unsanft heraus gerissen werde, so ist es dennoch fantastisch, solange es anhält. Aber als Genre-Referenz? Hoffentlich nicht, denn es ist einfach zu durchsetzt von Fehlern, die gerade dem Rollenspiel- Genre das Genick brechen können. Schlechtes Storytelling kann man in einem Shooter oder Action- Spiel vielleicht noch verschmerzen, aber absolut nicht niemals nie in einem Rollenspiel.
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The Elder Scrolls V: Skyrim
- Entwickler
- Bethesda Softworks
- Publisher
- Bethesda Softworks
- Release
- 11. November 2011
- Trailer
- Hier ansehen • Bei Youtube ansehen
- Webseite
- http://www.elderscrolls.com/skyrim
- Sprachen
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- Systeme
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- Stichwörter
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