2015 ging ein Raunen durch die Spieler. Die Entwickler der 'Killzone'-Reihe, Guerilla Games, zeigten erstmals, dass sie möglicherweise auch Action-RPGs machen können. Viele Vorschusslorbeeren später war es am 1. März 2017 in Europa soweit und 'Horizon Zero Dawn' erschien. Auch dann riss das Lob kaum ab. Von einigen wurde es sogar als bisher bestes Spiel für die PS4 bezeichnet. Das Spiel brilliert vor allem durch sein außergewöhnliches Setting und seine herausragende Optik. Wir sehen uns 'Horizon Zero Dawn' als Storyteller an und prüfen, ob die Geschichte einem kritischen Blick mit der Lupe standhalten kann oder sich auch hier die üblichen Open World-Probleme einschleichen.

Postapokalyptische Dino-Roboter
Aloy streift durch das kalte, Heilige Land der Nora. Dieser Stamm bezeichnet das Gebiet so, im Glauben, dass die Mutter, die wichtigste Göttin, im heiligen Berg wohnt. Dies alles interessiert die junge Frau aber wenig. Sie ist eine Ausgestoßene, die einst als Baby vor besagtem Berg entdeckt wurde. Von ihrer Mutter fehlte jede Spur.
Unter ihrem Mentor und Ziehvater Rost, ebenso ein Ausgestoßener, hat sie später das Jagen gelernt. In dieser gefährlichen Welt ist das wichtig. Sie wird von einer Horde Dino-Roboter bevölkert, ein Überbleibsel der früheren Menschen – kurz gesagt, uns. Eine Katastrophe führte vor langer Zeit die hochtechnisierte Welt an den Rand der Zerstörung. Unsere Heldin lebt in Colorado und Nevada, ganz in der Nähe von Denver. Einige Fragen treiben sie von Kind an: Verzweifelt sucht sie ihre Mutter und versteht nicht, warum sie einst alleine gelassen wurde. Früh erfährt sie, dass das Schicksal der früheren Menschen dicht mit dem ihren verwoben ist. Das Abenteuer kann beginnen. Im Weg stehen nur ein paar verfeindete Stämme der Menschen und Dino-Roboter in verschiedensten Größen und Gefährlichkeit. Bewaffnet mit Pfeil und Bogen, einem Speer und einem Fokus, einem Headset mit holographischen Funktionen, ziehen wir durch das Gebiet vor den Rocky Mountains und finden so einige Überbleibsel der verlorenen Welt.
So muss Grafik
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Meistens gehen die Kletteraktionen gut... meistens! |
Schon die ersten Minuten zeigen, dass Guerilla Games Großmeister der Grafik auf der Sony-Spielkonsole sind. Der PS4-exklusive Titel zaubert wunderschöne Berg- und Schneelandschaften auf den Bildschirm und jeder einzelne Roboter bewegt sich sehr geschmeidig und ästhetisch. Auch Aloy weiß mit ihren Animationen zu überzeugen. Die wehenden, geflochtenen roten Haare schwingen beim Laufen im Takt mit. Rutscht sie einen Berg hinunter, versucht man selbst vor der Konsole das Gleichgewicht zu halten, damit sie nicht hinfällt. Ebenso fiebert man bei Klettereinlagen mit, wenn bei weiteren Sprüngen kurz in den Zeitlupenmodus geschaltet wird.
Der Star des Spiels ist das Setting und die Umgebungsgrafik: Wunderschöne, tiefrote Sonnenuntergänge, Jagen im Mondschein oder praller Sonnenschein mit opulenten Blendeffekten tauchen das Spiel immer wieder in ein wunderschönes Licht. Der dynamische Tag/Nacht-Wechsel bringt immer wieder zum Staunen. Die Sichtweite bei Sonnenschein ist phänomenal, aber bei Regen und nachts ist es deutlich schwieriger, manche Gegner auszumachen. Diese Effekte muss man beim Spielen durchaus mit einrechnen. Das alles führt zu viel Spaß und Abwechslungsreichtum.
Was für eine Spielwelt
Ebenso abwechslungsreich sind Flora und Fauna. Die bergigen, kalten Gebiete verlässt man bald und kann durch Gebiete wie das Death Valley, Ausläufer von Denver (samt Stadion und Hochhäuser) und fast schon subtropische Wälder mit Palmen ziehen. Dazu gibt es nicht nur einige “normale“ Tiere, die man jagen und häuten kann, sondern auch verschiedenste Roboter-Dinos.
Die einfachen Wächter stellen nur zu Beginn eine Bedrohung dar und werden schnell von gefährlicheren Robotern, z.B. die Sägezähne oder Brüllrücken, verdrängt. Später kann man einige wenige sogar als Reittiere verwenden. Alle haben ein einzigartiges Aussehen und individuelle Verhaltensmuster. Die Sägezähne bewegen sich beispielsweise anmutig wie Säbelzahntiger. Wären die Roboter-Dinos nicht so gefährlich, könnte man ihnen lange zuschauen. Durch den im Spiel vorhandenen Foto-Modus musste ich mich öfter zwingen, nicht ständig auf diesen zu wechseln.
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Die Gesichtsmimik ist noch etwas verbesserungswürdig |
Wenngleich die Optik zu begeistern weiß, trüben kleine Fehler das Gesamtpaket. Die Gesichtsanimationen von Aloy sind meist ordentlich, doch Nebencharaktere können dieses Niveau nicht halten. Sowohl in der deutschen Sprachausgabe, als auch in der englischen Sprachausgabe, kommt es immer wieder dazu, dass die Lippen der Charaktere völlig andere Dinge machen als die Synchronsprecher sagen. Während die Stimme verärgert ist, vor Schmerz aufstöhnt oder leise schluchzt, zeigt das Gesicht kaum Gefühlsregungen.
Das Spiel mag in vielen Dingen den Vergleich mit der 'Uncharted'-Reihe nicht scheuen, doch bei Dialogen und Gesichtsanimationen hat Naughty Dog deutlich die Nase voran. Die Spielwelt während des Spielens sieht immer schöner und lebendiger aus als bei Dialogen. Hier merkt man, dass Guerilla Games bei narrativen Spielen Lehrgeld bezahlen muss.
Referenzspiel für 4k und HDR – die PS4 Pro-Verbesserungen 'Horizon Zero Dawn' ist eines der ersten Spiele, die wirklich den Unterschied zwischen Full HD und 4K zeigen – vor allem den Unterschied zwischen HDR und keinem. Die Farben wirken deutlich brillanter und Blendeffekte werden buchstäblich zu einem blendenden Erlebnis. Die für Konsolen typischen Kanten verschwinden vollständig. |
Die Krux der offenen Welt
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Ägypter? Papst? Da sind so einige Kulturen zu erkennen. |
Aloy zieht durch die Prärie und versteckt sich in hohen Gräsern. Währenddessen hört man dezent passende Musik. Während den Kämpfen schwillt sie zu einem epischen Orchester-Gewitter an, beim Erkunden gibt es eher mythische Klänge.
Die Mythen ziehen sich auch durch die einzelnen Völker. Die Nora sind eher indianisch oder süd-/mittelamerikanisch angehaucht. Die Carja hingegen präsentieren eine Mischung aus dem alten Ägypten und schon fast römisch/päpstlichen Darstellungen. Dazu kommen die Wikinger der Oseram und die Eskimos der Banuk. Zu diesen gesellen sich noch Schnee, Regen und Sonne. Die Wettereffekte wissen zu überzeugen, auch wenn die Übergänge teilweise schon sehr harsch sind. Ein Moment mit prallem Sonnenschein kann innerhalb Sekunden zum Tropenregen werden.
Diese Stärken der offenen Welt, die dank des großartig designten Rahmens überzeugen kann und ein einzigartiges postapokalyptisches Szenario erzählt, werden leider von den typischen Schwächen getrübt. Vieles ist zwar völlig optional und man kann sich auch direkt in die Hauptgeschichte stürzen. Das Spiel verliert aber vor allem nach den ersten Spielstunden etwas an Fahrt und rafft sich erst in der zweiten Hälfte wieder zur ursprünglichen Größe auf. Vor allem in den letzten Spielstunden weiß die Geschichte zu fesseln und Storyteller-Liebhaber finden eine überzeugend erzählte Geschichte vor.
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Kaum Frauen als Jägerinnen? Auch da darf Aloy helfen. |
Manche Quests schaffen Verbündete für später, die Auswahl ist jedoch schwierig. Von den typischen Banditenlagern über verseuchte Zonen bis zu den für Ubisoft typischen Türme ist so einiges vorhanden. Die Qualität der Nebenaufgaben schwankt hier auch sehr. Viele Quests sind reine Tötungs- oder Suchaufgaben. Selten steht eine interessante Geschichte im Zentrum: Soziale Ungerechtigkeit bis zur Rolle der Frau und der Rolle von Minderheiten sind hier auch das Thema. Eigentlich interessant, wenn sie nicht mit äußerst langweiligen Aufgaben kombiniert wären. Selbst die Detektiv-Missionen, wie bei 'Sherlock Holmes' oder 'Witcher 3', wirken hier aufgesetzt. Gleiches kann man von den wenigen Entscheidungen im Spiel sagen, denn in manchen Dialogen kann man zwischen einer eher aggressiven, cleveren oder mitfühlenden Antwort wählen. Konsequenzen gibt es nur wenige, maximal verliert man einen optionalen Verbündeten für das spätere Spiel.
Positiv kann man der Spielwelt aber anrechnen, dass es vergleichsweise wenige optional zu findende Gegenstände gibt. Die meisten davon bekommt man auch schon beim Spielen der Hauptgeschichte. Auch wenn man nicht alles abgrast, zeigt einem das Spiel, dass man eigentlich nicht viel versäumt. Die optionalen Gegenstände sind allesamt nur kurze Texte zur Spielwelt oder zur Vorgeschichte, die die Atmosphäre weiter verdichten, aber keinesfalls essentiell sind. Für einige muss man aber waghalsig auf Berge oder Ruinen klettern. Das sieht man durch die genretypischen weiß bemalten Kanten in den Bergen oder gelb eingefärbte Halterungen. Das Klettern sieht zwar hübsch aus, ist aber nicht ganz so mitreißend wie beispielsweise in 'Rise of the Tomb Raider'.
Leveln oder Nichtleveln, das ist hier die Frage
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Schon die Kategorien zeigen, dass es einiges zu tun gibt |
Erledigt man jedoch kaum Nebenaktivitäten, erschwert man sich dadurch das ganze Spiel, da mit niedrigerem Level einfach die Lebenspunkte fehlen. Hat man aber erst einmal ein höheres Level erreicht, kann man auch die besseren Waffen sein Eigen nennen. Damit wird das Spiel wieder drastisch leichter. Es ist schwer, die Balance zu finden, wie viele Nebenquests und Nebenaktivitäten man machen soll, ohne das Spiel zu einfach zu machen. Hat man bei späteren Bosskämpfen schon die beste Rüstung und die besten Waffen, erleidet Aloy nicht einmal Schaden und kann gemütlich die Schwachpunkte der Gegner anvisieren. Es ist also eine gewisse Selbstdisziplin gefragt. Es lohnt sich durchaus, den einen oder anderen Quest-Guide heranzuziehen, um zu sehen, welche Quests wichtig für das Geschehen sind und welche nicht. Wir fanden beispielsweise die Jagdlogen-Quests unterhaltsam und empfehlenswert.
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Viele Skills, aber warum? |
Ein Kritikpunkt am Levelsystem ist, dass die Rollenspielwerte wenig in diesem Spiel zu suchen hat. Warum steigt Aloy auf? Warum lernt sie plötzlich neue Fähigkeiten, die sie vorher nicht hatte? Warum überhaupt RPG-Elemente in einem sonst actionorientierten Spiel? Man kann eigentlich alle Fragen kurz und bündig beantworten: Keine Ahnung. Während andere Spiele verdeutlichen, dass man in der jeweiligen Berufung vorankommt, wäre es bei Aloy durchaus auch damit getan gewesen, dass man die Waffen verbessert oder neue kauft. Selbst das Lernen von Fähigkeiten hätte man direkt mit den Jagdloge-Aufgaben bündeln können, denn diese sind dazu da, unsere Fähigkeiten zu prüfen. Hier wurden gezwungen RPG-Elemente eingefügt. Die Entwicklung begann schon 2011 und die Vorbilder sind ganz deutlich zu erkennen. Die 'Witcher'-Serie, 'Assassin's Creed 3' oder auch Elemente von Spielen der Folgejahre, wie 'Tomb Raider' oder 'Far Cry', kann man in 'Horizon Zero Dawn' finden. Einige Dinge macht das Spiel besser, andere weniger.
Von Schleudern, Seilwerfern und Stolperfallen
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Einer von drei verschiedenen Bogenarten mit neun verschiedenen Pfeilen. |
Hat man erst einmal den Gegner angezündet oder sonst irgendwie geschwächt, wird mit den Pfeilen so lange auf Schwachstellen geschossen, bis er tot ist. Das klingt langweiliger, als es ist und bleibt das ganze Spiel hindurch spannend. Dazu kommen dann noch Waffen, die situationsbedingt großartig sind. Schleuder für Elementarbomben, Minen oder die praktischen Seilwerfer, die Roboter am Boden fesseln. Vor allem die Exo-Flugsaurier sind so leicht auszuschalten. Wer lieber lauert und wartet, kann aber auch Stolperfallen in die Patrouillenwege legen. Der Kreativität sind keine Grenzen gesetzt. Die Jagdaufgaben dienen hier auch als Übung für den späteren Einsatz.
Holzfäller, Schmied und Gärtner
Die Waffen und Rüstungen kann man im Laufe des Spieles mittels Modifikationen noch weiter verstärken und so noch mehr aus Aloy herausholen. Für die weniger action-affinen Spieler unter uns gibt es immer den Ausweg des Schleichens. Unerkannt in roten Gräsern hocken und aus dem Hinterhalt Roboter mit dem Speer mit einem Hieb meucheln oder sie gezielt mit Pfeilen ausschalten ist der effektivste Weg. So kann man auch große Horden von Robotern sehr effizient auslöschen. Man muss nämlich vor allem zu Beginn mit der Munition haushalten, denn sämtliche Munitionstypen sind begrenzt.
Man kann die verschiedenen Köcher zwar mittels des Handwerkssystems begrenzt vergrößern, aber die Munition selbst muss auch nachgebaut werden. Im schlimmsten Fall auch während des Kampfes. Da das Radial-Menü bei Aufruf die Zeit verlangsamt, ist dies auch durchaus praktikabel – sofern noch genug Rohstoffe vorhanden sind. Das Sammeln der Rohstoffe begleitet uns nämlich durch einen großen Teil des Spiels. Knochen von bestimmten Tieren werden ebenso zum Handwerken benötigt wie diverse Pflanzen und natürlich Holzzweige. Vor allem im zweiten Teil des Spiels ist das Sammeln aber nur mehr Nebensache, weil man in Material und Metallscherben – der Währung im Spiel – geradezu baden könnte. Jene, die alles erblicken, werden irgendwann nicht mehr wissen, wohin mit den Materialien und dem Geld.
Wer alle Nebenquests lösen möchte und auch noch auf Sammeljagd geht, kann mit ungefähr 60-70 Stunden Spielzeit rechnen. Für jene, die hauptsächlich die Hauptstory ansehen wollen, sind schon nach 25 Stunden den Abspann zu sehen. Keine Sorge, danach kann man noch getrost die ganze, wunderschöne Spielwelt erkunden.
'Horizon Zero Dawn' zeigt, wie Spiele einen Spieler abholen müssen. Kaum ein Spiel hat mich in den ersten Stunden so begeistert und gepackt. Die Rahmenhandlung ist überragend herausgearbeitet und weiß zu überzeugen. Die Grafik hat mich zu Beginn geradezu weggefegt und allein schon der Ästhetik wegen ist der Foto-Modus meine heiß begehrte Anlaufstelle gewesen – trotz starr verlaufender Dialoge. Das Kämpfen macht unglaublichen Spaß und gehört zu den Dingen, die man einfach erlernt, aber schwer meistern kann. Die Robo-Dinos sind allesamt einzigartig und mit anderen Taktiken zu bekämpfen, die man durch einen kurzen Scan mit dem Fokus und Nachschauen in der Datenbank schnell verinnerlicht. Das großartige Action-RPG Spektakel wird aber durch die typischen Probleme der offenen Welt etwas getrübt. Manchmal setzt die KI aus, manchmal nervt einfach nur das zig-fache Hochklettern, um diesen einen Gegenstand zu finden. Zwischendurch zaubert dann aber das Wetter und ab der zweiten Hälfte auch die Story wieder einen legendären Moment auf den Bildschirm. Durchwegs war es für mich ein Wechselbad der Gefühle. Das Spektrum ging dabei bei mir von "bestes Spiel auf der PS4" bis "nicht schon wieder eine offene Welt wie Assassin’s Creed". Schlussendlich bleibt, dass 'Horizon Zero Dawn' sehr gutes Spiel ist, aber nicht ganz an andere Genre-Primen, wie 'Uncharted', herunterstoßen kann. Beim nächsten Teil bitte die paar Fehler ausbessern und nochmal die Gespräche lebendiger machen und einem Allzeit-Kracher steht nichts im Weg.
Fazit von Matthias Glanznig:
'Horizon Zero Dawn' spielt sich außerordentlich flüssig und trumpft u.a. mit einem sehr interessanten Setting und einer spannenden Vorgeschichte auf. Leider leistet sich das niederländische Studio bei Charakteren, sowie Storytelling gravierende Durchhänger und die halbherzig implementierten Rollenspielelemente hätte man sich sparen können. Trotzdem bin ich sehr gern mit Aloy auf die Jagd gegangen. Insbesondere die Kämpfe und das Erkunden der umwerfend visualisierten Umgebung bereiteten mir einfach mächtig viel Spaß. Fans von 'Uncharted', 'Assassin's Creed', oder auch 'Tomb Raider', sollten in jedem Fall einen Blick darauf werfen.
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Horizon Zero Dawn
- Entwickler
- Guerrilla Games
- Publisher
- Sony
- Release
- 1. März 2017
- Webseite
- https://www.playstation.com/de-at/games/horizon-zero-dawn-ps4/
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